project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der zwölfjährige Kim (Peter Bjerg) lebt mit seinen Eltern auf dem Gelände einer Fortbildungsschule. Die Siebzigerjahre neigen sich gerade dem Ende zu und Kims Vater (Ove Spronoe) führt als Rektor die Schule mit strenger und konservativer Hand. Anstatt sich die Zeit mit gleichaltrigen Jungs und Schulkollegen zu verbringen, ist Kim lieber mit den Jungs aus der Fortbildungsschule unterwegs. Die sind alle bereits älter und haben die aufregenderen Dinge im Sinn. Mädchen, Sex, Drogen und Alkohol und der tägliche Kampf gegen eine verfeindete Dorfclique – alles unendlich spannend für den Jungen, mit dem strengen Vater, dem eigentlich soviel verboten ist. Besonders der fünfzehnjährige Bo (Anders Agenso) wird zu einem richtigen Freund. Gemeinsam erlebt man spannende Dinge und im Gegensatz zu seiner Familie fühlt sich Kim in der Gegenwart von Bo so richtig frei und glücklich und langsam entwickelt sich aus der Freundschaft eine kindliche Liebesaffäre.
Als der Problemschüler Ole (Ole Meyer) von Kims Vater der Schule verwiesen werden soll, weil er einen Raum mit Pornobilder vollgekleistert hat, starten die Jugendlichen unter der Vorherrschaft den politisch engagierten Aske (Aske Jacoby) spontan eine Rebellion gegen die Erwachsenen und ihre strengen Regeln, die so überhaupt nicht auf die Bedürfnisse von Jungendlichen Rücksicht nimmt. In einer Vertrauenslehrerin finden sie die notwendige Unterstützung um ihren Prostest wirksam auszuführen. Aske überzeugt die anderen, dass es wichtig ist, gemeinsam um eine Sache zu kämpfen, da man allein nur wenig Chancen hat, etwas zu bewegen. Und tatsächlich schaffen es die jungen Leute gemeinsam, die Suspendierung des Mitschülers aufzuheben. Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und die Jugendlichen bekommen von der Schulleitung die Aufgabe, die „10 Gebote“ in künstlerischer Form aufzubereiten. Dieses soll dann am Abschlussabend vor allen Lehrern und Eltern aufgeführt werden. Während der Rektor Zweifel daran hat, dass die Schüler diese Herausforderung meistern können, sind diese voller Eifer dabei. Bo und seine Freunde bekommen die Aufgabe, das Gebot „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“ aufzubereiten und entscheiden sich, einen kurzen Film darüber zu drehen. Unter strengster Geheimhaltung drehen die jungen Leute an ihrem Film. Und als dieser dann endlich gezeigt wird, erleben die konservativen Besucher des Abends ihr blaues Wunder…
„Du er ikke alene“ aus dem Jahre 1978 ist einer der ganz seltenen Filme, die das Heranwachsen von Jugendlichen auf erfrischend unspektakuläre, natürliche und realistische Weise zeigt, und eine eigentlich wunderbare Geschichte über eine kindliche Liebeserfahrung erzählt. Bo ist fünfzehn und weiß bereits, dass er homosexuell ist. Im Sommer vor Schulbeginn hat er sich in einen Jungen verliebt, dem er seine Zuneigung allerdings nicht sagen konnte. Kim hingegen ist für solche Dinge eigentlich noch viel zu jung, trotzdem mag er Bo und genießt es, in seiner Nähe zu sein. In „Du bist nicht allein“ geht es aber nicht um die physische Beziehung der Beiden, sondern viel mehr darum, dass jeder Heranwachsende das Recht haben sollte, sich auch in sexueller Hinsicht selbst zu finden und für sich zu entscheiden, welche Erfahrungen er erleben möchte, ohne durch falsche Moral in eine gewissen Richtung gedrängt zu werden. Doch auch wenn der Schwerpunkt der Geschichte auf das Verhältnis von Bo und Kim gelegt ist, so erzählt „Du er ikke alene“ auf einfühlsame Weise auch die Geschichte von anderen Jugendlichen, die sich im Internat befinden. Da wäre zum Beispiel Problemschüler Ole, der am liebsten überall und bei jedem aneckt, während der sensible Träumer Aske davon träumt, die Welt zu verändern.
Regisseur Lasse Nielsen zeigt mit seiner Geschichte, die in einem christlichen Knabeninternat neben den heranwachsenden Jungendlichen, die gerade sich selbst und ihre Sexualität entdecken aber auch ein sehr interessantes Bild der Erziehungspolitik in Dänemark Ende der Siebziger. Diese pendelt zwischen traditionell und liberal hin und her und führt so zu diversen Konfrontationen zwischen Schüler und Lehrer. Kims Vater verkörpert dabei die konservative Seite, der die Jugendlichen mit Geboten und Verboten mit strenger Hand formen möchte , während die junge Vertrauenslehrerin dazu plädiert, die Jugendlichen sich selbst durch eigene Erfahrungen geistig reifen zu lassen. Das die jugendlichen dabei durchaus aus problematischen Elternhaus kommen, verschärft die Lage im Internat zusätzlich. Doch am Ende haben alle Schüler ihre Lektion gelernt und erkennen, dass man nur in der Gemeinschaft Dinge verändern kann. Und wenn am Ende von „you are not alone“ die konservative Seite in ihren Grundfesten erschüttert wird, dann weiß man, dass Lasse Nielsen etwas ganz Großes gelungen ist.
„You are not alone“ zeigt auf einfühlsame Weise, wie schwierig es für einen Jungen Menschen ist, sich in einer Welt zurecht zu finden, in der Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die eigentlich gar nicht mehr wissen, wie es ist jung und unentschlossen zu sein. Eine Welt, in der vieles vorgegeben ist und die den jungen Leuten im Grunde doch nur wenig Platz lässt, um sich selbst zu finden und sich zu entwickeln. Auch wenn der Rektor sicherlich für seine Verhältnisse richtig handelt, und für seine Schützlinge nur das Beste möchte, so ist sein Verhalten natürlich genauso zu hinterfragen, wie das der allzu liberalen Lehrer, die den Kindern in Krisensituationen keinen Halt bieten können. Gut gemeint ist ja auch noch immer das Gegenteil von gut gemacht. Aber das ist ja im Grunde ja eines der größten Probleme des Bildungswesens in der viele unterschiedliche Vorstellungen aufeinander prallen, die alle irgendwie richtig, aber auch wieder irgendwie falsch sind. Aber diese Probleme sollen ja auch nicht heute und schon gar nicht an dieser Stelle gelöst werden.
Dass der Film so gut funktioniert, liegt neben den unverbrauchten Gesichtern vor allem an der Tatsache, dass „du er ikke alene“ beinahe wie ein Dokumentarfilm aufgebaut ist und der Zuseher auch immer hautnah am Geschehen dabei ist. Sei es der gemeinsame Unterricht, Gruppenspiele, Diskussionen über Drogen oder am gemeinsamen Ausflug an den See. Die Bilder sind immer sehr realistisch und die Jugendlichen agieren vollkommen ungezwungen vor der Kamera. Dabei geht es um die ersten sexuellen Erfahrungen, genauso wie Drogen oder auch der erste Kater. Lasse Nielsen zeigt seine Jugendlichen so wie sie sind, ohne den erhobenen Moralfinger auch nur einmal aus der Tasche lassen. Zu diesem Zweck filmt er auch völlig ungezwungen seine jungen Darsteller, die auch nackt vollkommen ungezwungen vor der Kamera agieren. Diese Szenen mögen in der heutigen Zeit, in der die Sorge um junge Menschen mitunter recht seltsame Blüten zeigt, zwar etwas ungewöhnlich wirken, gehören aber einfach dazu. „Du er ikke alone“ zeigt, wie der Umgang mit jungen Menschen in einer liberalen Gesellschaft eigentlich gesehen sollte, ohne das Prüderie und Moral eine der normalsten Dinge des Lebens, nämlich das Entdecken der eigenen Sexualität zu einem Akt verkommen lässt, über den nur schamhaft gesprochen wird.
Denn auch wenn wir eigentlich in einer aufgeschlossenen Zeit leben, gibt es immer noch genügend Dinge, die in dieser Hinsicht geändert werden müssten. Einerseits leben wir zwar in einer übersexualisierten Welt, andererseits wird die Aufklärung immer noch von bunten Magazinen übernommen, als dass es im Elternhaus oder in der Schule anständig thematisiert wird. Und wenn Moralaposteln sich über nackte Haut im Nachmittagsprogramm in wüste Beschimpfungen vergehen, Brüste in Tageszeitungen verpixelt werden, Schwulenparaden unter Polizeischutz stattfinden müssen, dann ist immer noch genug Aufklärungsarbeit bei allen Menschen zu leisten. Die vermeintlich große sexuelle Befreiung haben wir hinter uns gelassen und zunehmend drängen sich sexualfeindliche und religiös-motivierte Gruppen mit zweifelhaften Motiven ins Bild, die kein Interesse an einer Liberalisierung und an einem friedvollen Miteinander aller Menschen haben, solange diese sich nicht ihrer Moralvorstellung unterwerfen. Denn eine gesunde Einstellung zur Sexualität kann sich nur dann entwickeln, wenn auch darüber gesprochen wird und man seine eigenen, manchmal auch schlechten, Erfahrungen sammeln darf. Aber über dieses Thema könnte man nächtelang diskutieren und für jedes Pro gibt es von Expertenseite ja auch sofort ein Kontra.
Wie so oft, laufen aber derart wichtige Filme natürlich nicht dort wo sie sollten, sondern sind wieder einmal „nur“ auf DVD erhältlich. CMV-Laservision ist ja seit einiger Zeit Garant für qualitativ-hochwertige Coming-of-Age-Filme unterschiedlichster Natur und „you are not alone“ war als eine der ersten Veröffentlichungen aus dieser Kiste zweifelsfrei auch sehr gut gewählt. Das Label aus Berlin bringt diesen berührenden Film in der dänischen Originalfassung mit optionalen deutschen und englischen Untertiteln, sowie in sehr guter Bild- und Tonqualität. Neben dem Original- und Exporttrailer gibt es auch noch eine Alternativfassung in einem anderen Bildformat, die jedoch qualitativ doch einiges schlechter ausgefallen ist. Eine ausführliche Bildergalerie, ein Wendecover mit dem gezeichneten Filmplakat und Trailer zu dem Jugendrama „The Ketchup Effekt“ sowie zu zwei Kommissar Beck-Filmen runden das stimmige Gesamtbild ab.
„You are not alone“ ist ein sensibles Drama über Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden und die selbst noch nicht wissen, wohin sie ihr Weg führen wird. Ein Film, der in ruhigen und schönen Bildern völlig wertfrei eine wichtige Geschichte über Selbstbestimmung und jugendliche Rebellion erzählt, die auch noch 30 Jahre nach seiner Entstehung den Zuschauer in seinen Bann ziehen wird. Die technische Ausführung und auch die darstellerischen Leistungen der jugendlichen Darsteller bieten keinerlei Anlass zur Kritik und sowieso und überhaupt sollte „you are not alone“ in jeder Schule im Rahmen des Aufklärungsunterrichtes gezeigt und anschließend darüber diskutiert werden. Die Thematik des Heranwachsens hat ja schlussendlich jeder schon einmal erlebt und jeder hat wohl seine eigene Geschichte zu erzählen. Lasse Nielsen Werk zeigt in seinem Film einige dieser Geschichte und es ist ihm damit ein Klassiker des Jugendfilms gelungen, den man schon gesehen haben sollte. Ganz groß!
Beitrag geändert von jogiwan (19.July 2009 17:55:39)
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@ Jochen,
Danke fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5192
Also Ove Sprogøe als strenger Rektor kann ich mir schwer vorstellen - kenne den bislang nur als "Egon Olsen" aus den dänischen Komödien "Die Olsenbande".
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