project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Mel (Steven Lim) ist erfolgreich, offen schwul, Single, Ende Dreißig und lebt in Londons angesagten Stadtteil Kensington. Er genießt sein Leben in vollen Zügen und nimmt sich, was er haben möchte. Ganz im Gegenteil zu seinem besten Freund Ash (Chowee Leow), der eher ein zurückgezogenes Leben führt und sich nach einer Beziehung sehnt. Als eines Tages der gemeinsame Jugendfreund Gavin aufgrund beim Cruising in einer öffentlichen Toilette an Herzversagen verstirbt und sie bei dessen Begräbnis entdecken, dass dieser ein Doppeleben inklusive Verlobter geführt hat, ist für beide der Punkt gekommen, ihr bisheriges Leben zu überdenken. Doch schon wenig später sieht sich Mel mit einem weiteren Problem konfrontiert. Ein Ex-Lover namens Todd (Gareth Rhys Davis) steht mit Sack und Pack vor seiner Türe, da ihm Mel im Rausch der sexuellen Leidenschaft versprochen hat, ihm zu helfen, falls dieser sein kleines Heimatdorf verlassen möchte. Doch Todd möchte nicht nur in die Wohnung von Mel einziehen, sondern auch eine Beziehung mit ihm führen. Doch genau das widerstrebt dem Lebemann gewaltig und er ist auch nicht bereit, sein Sexualleben auf eine einzige Person zu beschränken. Doch im Grunde seines Herzens ist Mel ein guter Kern und so nimmt er den jungen Mann bei sich auf und besorgt ihm auch noch einen Job.
Doch im Gegensatz zu Mel hat Ash das Alleinsein endgültig satt. Da er glaubt, als femininer Schwuler seinen Traumpartner nicht finden zu können, beschließt er spontan, eine Transe zu werden. Im Internet findet er die Adresse eines Transenclubs und überredet Mel und Todd, ihn dorthin zu begleiten. Doch der Club ist schäbig, die Musik mies und auch das Publikum entspricht nicht den Erwartungen von Ansprüchen von Ash. Doch das ändert sich schlagartig, als er auf Ross (Neil Collie) trifft. Der ist nicht nur superkerlig, sondern zeigt auch Interesse an ihm. Als die beiden gemeinsam nach Hause gehen, sieht sich Ash bereits am Ziel seiner Träume. Mel hingegen ist damit beschäftigt, trotz seines Anhängsels sein Leben in gewohnter Form weiterzuführen, was Todd zunehmend missfällt. Und auch Mel reagiert gereizt, als er sieht, dass potentielle Partner mehr Interesse an dem jungen Mann vom Lande, als an ihm zeigen. Als Todd auch noch entdeckt wie eitel Mel eigentlich ist, und dieser sich ertappt fühlt, kommt es zum Streit. Als Mel schlussendlich bemerkt, was er für Todd eigentlich empfindet ist es bereits zu spät. Und auch Ash ist nicht wirklich glücklich mit seiner Eroberung. Denn Ross sieht in Ash nicht die Person, die er eigentlich ist, sondern nur die Rolle die er vorgibt zu sein. Als er sich entschließt, sich nicht mehr zu verstellen, kommt es zu weiteren Verwicklungen...
Wenn man sich die Inhaltsangabe von „Cut Sleeve Boys“ so durchliest, könnte man eigentlich meinen, dass es sich bei dem 2006 gedrehten Film wieder einmal um ein typisches Homo-Drama handelt. Ein Film mit so dramatischen Dingen wie Drogen, Tod, Outing-Problematik, Doppeleben und unerfüllte Sehnsüchte. Eine traurige Geschichte über vom Jugend- und Fitnesswahn befallene Männer, die ihre Sehnsucht nach echten Gefühlen mit Konsumrausch kompensieren um danach festzustellen, dass dieses an einem gewissen Punkt nicht mehr funktioniert. Aber denkste – denn „Cut Sleeve Boy“ behandelt zwar im Grunde all diese Thematiken und strotzt nur von Klischees und Vorurteilen, doch allen Widrigkeiten zum Trotz ist Regisseur Ray Yeung ein lustiger, kurzweiliger und vor allem selbstironischer Film über Selbstakzeptanz gelungen, der zwar sehr überzeichnet ist, aber schlussendlich doch sehr spaßig daher kommt.
Der Charakter von Mel erinnert ja von der ersten Sekunde natürlich sehr an einen gewissen Brian Kinney aus der Schwulen-Soap „Queer as Folk“. Und die Gemeinsamkeiten sind augenscheinlich. Beide sind sehr erfolgreich, finanziell und körperlich gut ausgestattet und keiner Kopulation abgeneigt. Beide sind bei den neuesten Trends immer vorne dabei wirken auf den ersten Blick arrogant, doch hinter der Fassade der erfolgreichen und toughen Business-Typen steckt ein sensibler Kern. Auch die restlichen Charaktere hat man in ähnlicher Form schon in den mittlerweile fünf Staffeln gesehen. Womit wir auch schon bei dem wohl größten Kritikpunkt wären. „Cut sleeve boys“ wirkt irgendwie von der Geschichte her wie eine Art Best-of oder weniger wohlwollend formuliert wie ein Abklatsch der eben erwähnten Serie, die ja wiederum auch nur ein Kopie des englischen Originals ist. Und beiden kann man vorwerfen, dass sie schon eine sehr eindimensionale Sichtweise des Ganzen wiederspiegeln, Probleme verharmlosen und teils auch alles sehr comic-haft präsentieren. Aber andererseits muss ja nicht immer alles so ernst gesehen werden und in jedem Klischee und Vorurteil stecken ja auch meistens ein Funken Wahrheit.
Die Idee hinter „Cut Sleeve Boys“ war es einen Film über schwule Chinesen in England zu drehen, der nicht die üblichen Klischees wie Druck von der Familie, Einwanderungsprobleme, Sprachbarriere etc. behandeln sollte. Regisseur und Drehbuchautor Ray Yeung wollte ein Bild von Engländern mit chinesischem Background zeichnen, welches – seiner Meinung nach - mehr der Realität entspricht. Und so sind die beiden Hauptdarsteller in dem Streifen auch erfolgreiche Menschen, die offen zu ihrer Herkunft und ihrer Sexualität stehen, alle Probleme humorvoll meistern und aus Niederlagen gestärkt hervorgehen. Der Streifen geht wie bereits erwähnt auch sehr locker mit seinen ernsten Themen um und versprüht zu jeder Zeit eine optimistische Fröhlichkeit, die sich zweifelsfrei auch auf den Zuseher überträgt. Ein bisschen „Ein Käfig voller Narren“, ein wenig „To Wong Fu“ und „Priscilla“ sowie viel „Queer as folk“ machen aus der englisch-chinesischen Co-Produktion ein spaßiges Filmchen für zwischendurch. Und auch wenn die ernsthaften Kritiker natürlich kein gutes Haar an dem Film lassen, kommt er laut Internet-Recherche zumindest beim Publikum sehr gut an und hat auch meiner Wenigkeit gut gefallen.
Bei den Darstellern hat man auch ein glückliches Händchen bewiesen. Steven Lim als arroganter und selbstverliebter Mel spielt seine Rolle auch mit viel Einfühlungsvermögen. Der gute Herr war ja bereits ein sehr erfolgreicher Serien-Star in Singapur, bevor er den Weg in den Westen fand. „Cut Sleeve Boys“ ist auch seine erste große Rolle in einem westlichen Film und man darf gespannt sein, was da noch so alles folgen wird. Chowee Leow ist aber das eigentliche Highlight in dem Film. Seine Darbietung als einsamer Ash, der sich so sehr nach starken und behaarten Männerarmen sehnt, traurige Platten hört und kurzfristig als Transvestit sein Glück sucht, ist einfach zum Schreien komisch. Leow kommt eigentlich vom Theater und hat dort schon in zahlreichen Stücken Erfahrungen mit Frauenklamotten sammeln können. Da er auch bereits mehrfach mit Regisseur Yeung zusammengearbeitet hat, war Leow natürlich auch dessen erste Wahl. Aber auch die restlichen Darsteller machen ihre Sache ganz gut, was ich hier auch lobend erwähnen möchte.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt diese kurzweilige Schwulenkomödie in der englischsprachigen Original-Version inklusive optionaler deutscher Untertitel. Die Bild- und Tonqualität geht zweifelsfrei klar und auch das Bonusmaterial ist dieses Mal ausführlicher ausgefallen. So gibt es neben einem informativen Audiokommentar mit Regisseur und Darsteller, die obligatorische Bildergalerie, einen Trailer, sowie eine 11minütige Featurette und Interviews in denen alle Beteiligten nochmals zu Wort kommen und über ihre Rollen und den Dreharbeiten erzählen. Die ausführlichen Interviews sind dann etwas versteckt, da wenn man die Interviews anklickt, bekommt erst nochmals das vorhin erwähnte Special zu sehen, bevor es dann nach der elften Minute mit den eigentlichen Interviews lweitergeht. Das kann die Blondinnen unter uns schon mal verwirren und ich bedanke mich an dieser Stelle bei den netten Leuten von CMV-Laservision, die mich auf diesen Fehler in der ersten Version meines Textes aufmerksam gemacht haben. Also nicht gleich meckern oder kleckern, sondern vorspulen. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit weitern Trailern aus der schwulen und dramatischen Ecke wie z.B. „you are not alone“, „Wake“ und „The Blossoming of Maximo Oliveros“.
„Cut Sleeve Boys“ ist ein herzerfrischender und witziger Streifen über Schwule in einer oberflächlichen Welt, die ihre Probleme und Rückschläge mit Humor meistern und bei dem der wohlwollende Zuschauer knapp 90 Minuten auch bestens unterhalten wird. Unverbrauchte Darsteller, teils super-verkitschte Settings und groteske Entwicklungen die man vielleicht nicht allzu hinterfragen sollte, machen aus dem 2006 gedrehten Streifen ein sympathisches Werk für Zwischendurch. „Cut Sleeve Boys“ ist grell, laut, grotesk und hat genug humorvolle Wandlungen, dass man einige Mängel in der Inszenierung und am Drehbuch doch gerne verzeiht. Das im Film Discokugeln und pinke Plastikflamingos vorkommen und bei einer Szene auch noch Split-Screen-Technik verwendet wird, gibt natürlich nochmals Pluspunkte. Sicherlich kein Klassiger, aber mehr als solide Ware für zwischendurch. Und so bleiben unterm Strich hoffnungslos subjektive 8,5 von 10 Punkten. Die mögen zwar nicht ganz gerechtfertigt erscheinen, aber „cut sleeve boys“ möchte auch gar nicht mehr, als dem Zuschauer einfach eine gute Zeit zu verschaffen und schafft das auch mit Leichtigkeit. Prädikat: besonders spaßig!
Beitrag geändert von jogiwan (14.July 2009 19:55:19)
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@ Jochen,
Review ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5464
Vielen Dank!!!
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