project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die zwölfjährige Sofie (Amanda Renberg) ist vor dem ersten Tag in einer neuen Schule entgegen ihren Beteuerungen doch sehr nervös. Denn wie ihre Kollegen will sie natürlich von Beginn an alles richtig machen. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Emma (Linn Persson) und Amanda (Ellen Fjaestad) erwartet sie neben neuen Klassenkameraden schlussendlich auch jede Menge Jungs und Partys. Vor allem der etwas ältere Mouse hat es dem blonden Mädchen angetan. Der ist nicht nur cool, sondern auch noch äußerst begehrt. Als sie den Jungen mit seiner Clique zufällig in einem Lokal trifft, nimmt sie allen Mut zusammen und startet einen zaghaften Flirt. Doch die Bemühungen sind nicht umsonst und Mouse lädt die drei Mädchen zu einer bevorstehenden Party ein. Sofie ist total happy und zuhause wird schon fleißig vorgeglüht. Die Party schlussendlich ist hingegen eher mau und die beiden Zwölfjährigen haben unter den knutschenden und saufenden Jugendlichen nicht sonderlich viel Spaß. Sofie betrinkt sich hemmungslos und nach dem sehr missglückten und unbeholfenen Versuch einem Jungen aus Mouses Clique einen runter zu holen, fällt sie bewusstlos vor allen Leuten auf den Boden.
Mouse und seine Runde nutzen Sofies Zustand jedoch schamlos aus und machen von dem bewusstlosen Mädchen sehr eindeutige Fotos. Am nächsten Tag machen die natürlich in der Schule die Runde und Sofie wird als Hure bezeichnet. Alle Versuche die Entstehung der Fotos zu erklären werden ignoriert und auch Emma und Amanda distanzieren sich zunehmend von der als oberpeinlich verschrieenen Sofie. Auch ihr Vater (björn Kjellmann), der ebenfalls auf der Schule unterrichtet und die junge Klassenlehrerin, die frisch von der Uni kommt, sind ebenfalls in keine große Hilfe in dieser Situation. Sofie fühlt sich zu Unrecht gemobbt, doch die Verunglimpfungen ziehen immer weitere Kreise. Sofie wird gemieden und zu weiteren Partys erst gar nicht eingeladen. Als ihr Vater durch Zufall an die Fotos gerät, macht er ihr zuhause eine Szene. Weinend läuft sie von zuhause weg und begeht anschließend auf einer Party eine Verzweiflungstat...
„The Ketchup effect“ bzw. “hip hip hora!”, das Erstlingswerk der schwedischen Regisseurin Teresa Fabik zeigt in sehr realistischen Bildern, wie sehr das alltägliche Schulleben doch von Popularität geprägt ist. Hat man erst einmal einen gewissen Ruf weg, ist es auch sehr schwer, von diesem wieder los zu kommen. Und genauso passiert es auch unvermittelt der etwas frühreifen Sofie. Durch unbedachtes Trinken auf einer langweiligen Party landet die Tochter eines Lehrers auf einmal auf der totalen Abschlussliste. Sie wird mit peinlichen Bildern der Lächerlichkeit preisgegeben, von den Mitschülern beschimpft und sogar ihre ehemals engsten Freundinnen ziehen sich aus Scham und Angst, dass es ihnen ähnlich ergehen könnte, von der jungen Schülerin zurück. Und dass Sofie auch noch mitten in der Pubertät steht und sich von Erwachsenen sowieso unverstanden fühlt, verschlimmert ihre ohnehin schlechte Ausgangslage auf der neuen Schule noch zusehends.
Mobbing ist ja seit einigen Jahren in der Arbeitswelt ein großes Thema. Das systematische Schickanieren und Verunglimpfen von Personen, um diese psychisch fertig zu machen und aus dem Betrieb zu ekeln. Doch Mobbing betrifft nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Vereinstätigkeiten und auch Schulen. Hier reicht das Spektrum von sozialer Isolation bis hin zu Handgreiflichkeiten, denen die Schüler ausgesetzt sind. Und genauso ergeht es Sofie in „the ketchup effect“. Zuerst wird sie beleidigt und auf dem Spind findet sich eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung. Später wir sie zunehmend von den anderen Schülern geschnitten und somit isoliert. Als sie sich verzweifelt zu wehren versucht, wird sie später zuerst verbal und dann körperlich attackiert.
Der Streifen aus dem Jahr 2004 zeigt einen Fall von Schülermobbing in sehr direkten Bildern. Was anfänglich wie eine Teenager-Komödie aussieht, wird mit zunehmender Laufzeit immer dramatischer und gipfelt in einem Selbstmordversuch, der glücklicherweise ohne gröbere Folgen bleibt. Und am Ende gibt es für Sofie und ihre Freundinnen dann doch ein Happy-End. Nach einer finalen Konfrontation mit dem Verursacher ihrer Probleme geht sie und ihre Freundinnen gestärkt aus dieser Geschichte vor und wird – im Gegensatz zu vielen ihren Leidenskollegen und –innen in der Realität – die Schule nicht verlassen. Sofie beschließt den Kampf gegen ihre Widersacher aufzunehmen und gewinnt schlussendlich den Respekt ihrer Freunde und auch den der restlichen Schüler.
Was mich jedoch bei diesem Film jedoch schon sehr gewundert hat, ist dass das Verhalten der mobbenden Schüler, insbesondere von Mouse größtenteils ohne Konsequenzen bleibt. So werden halb-pornografische Fotos von einer Dreizehnjährigen in Umlauf gebracht, ohne das dieses für die Verursacher irgendwelche rechtlichen Folgen hat. Auch eine sexuelle Belästigung im Speisesaal und Handgreiflichkeiten danach scheint niemanden vom Aufsichtspersonal sonderlich zu interessieren, geschweige denn, irgendjemand dazu veranlassen, einzuschreiten Selbst von der Vertrauenslehrerin wird das Verhalten des Jungen als unbeholfenes und pubertäres Verhalten abgetan und sogar ein Selbstmordversuch scheint niemanden an der Schule großartig zu interessieren. Noch dazu, wo der eigene Vater an der gleichen Schule unterrichtet. Das schlussendlich auch noch ein Schüler mit einem Stuhl auf einen anderen losgeht, wäre zumindest in meiner Schulzeit bzw. in meiner Schule – zum Glück - undenkbar gewesen.
Der Streifen selbst geht handwerklich und darstellerisch vollkommen in Ordnung und zielt auf ein jüngeres Publikum ab. Neben den Erlebnissen von Sofie gibt es ja auch noch andere Handlungsstränge, die weitere Probleme von Jugendlichen in diesem Alter beschreiben. Insofern eignet sich der Film auch sicherlich sehr gut dazu, diese Thematik im Rahmen des Schulunterrichts zu behandeln. Einerseits um die Schüler für diese Mobbing-Problematik zu sensibilisieren und auch, um ihnen vor Augen zu führen, welche Auswirkungen solche gruppendynamischen Schmähungen bei den Betroffenen haben können. Denn auch wenn solche Aktionen nicht immer gleich in Selbstmordversuchen gipfeln müssen, so sind die Auswirkungen auf die Seelen der jeweiligen Opfer sicherlich gravierend. Etwas, was im kollektiven Treiben von den Jugendlichen gerne von ihnen übersehen wird.
Darstellerisch hat Regisseurin Fabik vorwiegend auf unbekannte und authentische Gesichter zurückgegriffen, die „the ketchup effect“ auch einen sehr realistischen Anstrich verleihen. Amanda Renberg als 13jährige Sofie war zu den Dreharbeiten allerdings schon 17, spielt die gebeutelte Sofie zwischen freuzügiger Rebellin und Opfer sehr glaubwürdig. Auch die anderen Darsteller, die teils mit Laien besetzt wurden, sind sehr glaubwürdig. Die Inszenierung ist passabel und auch wenn das Cover eine luftige Teenager-Komödie erwarten lässt, so ist das Thema und der Film doch durchwegs sehr ernst gehalten und erst am Ende bekommt der Streifen nochmals die Kurve zu einem Happy End. Das mag jetzt nicht bei jeden Filmkonsumenten gut ankommen, aber „the ketchup effect“ ist auch nicht mit amerikanischen oder deutschen Klamaukwerken vergleichbar.
Die DVD von CMV-Laservision bringt diesen schwedischen Film in einer guten deutschen Synchronisation, sowie der schwedischen Originalvariante. Neben dem Original-Trailer gibt es auch noch den deutschen Trailer, sowie eine Bildergalerie. Weiteres Bonusmaterial ist leider nicht vorhanden. Unterm Strich ist „the ketchup effect“ ein typischer „Coming-of-Age“-Streifen, der mehrfach ausgezeichnet wurde, jedoch schon auch auf ein eher jugendliches Publikum zugeschnitten ist. Für ältere Zuseher mag das Leben einer 13jährigen in der Schule vielleicht dann nicht so interessant sein und die Geschichte mit den sexuellen Belästigungen und körperlichen Übergriffe ohne Konsequenzen fand ich doch etwas sehr seltsam. Ein paar Längen kann man dem Film jedenfalls nicht absprechen und eine leichtfüßige Teenager-Komödie sollte man sich mit dieser doch sehr ernsten Thematik auch nicht erwarten. Von mir gibt’s an dieser Stelle 6,5 von 10 Punkten.
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@ Jochen,
das Review ist nun auch Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5189
Viele Dank!!!!
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