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Der kleine John (Remy Thorne) heißt zwar Read mit Nachnamen, doch mit Lesen hat er nicht wirklich was am Hut. Seit dem Tod seines Vaters macht ihm die Schule keinen Spaß mehr und er blockt alles ab, was mit schulischen Leistungen zu tun hat. Seine Mitschüler halten ihn für zurückgeblieben, seine Lehrer schlichtweg für besonders faul. Als er durchzufallen droht, steckt ihn seine Klassenlehrerin Mrs. Freedman in die Sonderschule. Doch auch dadurch bessern sich die Leistungen des ruhigen Jungen nicht. Im Gegenteil, durch die Hänseleien seiner Mitschüler werden seine schulischen Ergebnisse noch schlechter als zuvor. John verpatzt einen weiteren Test und die Wiederholung der Klasse scheint unabwendbar.

John  ist so verzweifelt, dass er sich sogar überlegt, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Als seine Mutter davon erfährt recherchiert sie auf eigene Faust in einer Bücherei, was den die Ursache der Probleme ihres Jungen sein könnte und wird in einem Buch fündig. Der Junge ist Legastheniker und hat Schwierigkeiten Wörter richtig zu lesen und zu schreiben, da sein Gehirn die Buchstaben falsch zusammensetzt. Von diesem Zeitpunkt an wird klar, dass der Junge keinesfalls faul ist, sondern ein Problem hat, welches bei entsprechender Therapie durchaus überwunden werden kann. Sie versucht, dem Jungen seine Ängste zu nehmen und lernt mit ihm. Bald schafft sie es sogar, dass John wieder Freude am Lesen hat und so selbstbewusst zu seinem großen Test antreten kann.

„Bad“ ist ein knapp 27minütiger Kurzfilm des Amerikaners Vincenzo Giamanca, der selbst Legastheniker ist und quasi seine Kindheitserinnerungen verfilmt hat. Dabei ist ihm ein durchaus interessanter Einblick in die Welt eines Legasthenikers gelungen, der dem Zuschauer vermittelt, wie es ist, wenn man im geschriebenen Wort nur schwer eine oder überhaupt keine Botschaft entdecken kann. Denn die Geschichte wird aus der Sichtweise des betroffenen Kindes erzählt. Und während seine Mitschüler ohne Probleme Texte in Schulbüchern vorlesen können, ist dieses für den schüchternen Jungen beinahe unmöglich. Er erkennt in den Büchern nur Buchstabenkombinationen, die keinen Sinn ergeben. Die dadurch verursachte Panik tut ihr übrigens, um den Jungen scheitern zu lassen.

Legasthenie heißt übersetzt auch „Lese-Rechtschreib-Schwäche“ und ist eine Erkrankung, die vielerlei Ursachen haben kann. Fakt ist, dass einer von fünf Schulkindern vermutlich Legastheniker ist. Das kann unterschiedlich ausgeprägt sein und von langsamen Lesen bis hin zum Verdrehen ganzer Wörter gehen. Der Betroffene reagiert verunsichert und verliert die Freude am Lernen. Was Legasthenie verursacht kann eigentlich nur vermutet werden und anscheinend spielen viele Faktoren eine Rolle. Das kann von Sehproblemen, über neurologische Störungen des Gehirns bis hin zu genetischen Veranlagung reichen. Wichtig ist es jedenfalls, das diese Beeinträchtigung so früh wie möglich diagnostiziert, abgeklärt und das Kind dann natürlich entsprechend gefördert wird. 

Wie es sich für den Betroffenen darstellt, kann ein Außenstehender natürlich nur vermuten und wer nicht direkt betroffen ist, wird sich mit diesem Thema wohl auch nicht wirklich beschäftigen. Filme, die dieses Thema behandeln würden mir jetzt spontan auch keine einfallen. Mit „Bad“ hat sich das jetzt für mich natürlich geändert. Der Kurzfilm ist eigentlich ziemlich gelungen und schafft Bewusstsein für eine Erkrankung, über die weitgehend nicht gerne gesprochen wird. Weder von den Betroffenen, noch von deren Eltern, die die schulischen Misserfolge ihrer Nachkommen wohl lieber von Außenstehenden geheim halten. Und wie so oft, wäre alles nicht so schlimm, würden Menschen nicht aus falscher Scham schweigen und es dadurch den Betroffenen noch schwerer zu machen, über ihre Probleme zu sprechen um dadurch gemeinsam Lösungen zu finden.

John lebt in den Siebzigern und ist weder faul noch dumm, er ist Legastheniker. Doch seine Umwelt macht sich nicht die Mühe dieses zu erkennen und steckt den verschlossenen Jungen lieber in die Sonderschule, als sich um seine Probleme zu kümmern. Dort ist er erst Recht den Hänseleien seiner Mitschüler ausgesetzt und das Problem verschlimmert sich. Erst durch ein einschneidendes Erlebnis und das beherzte Eingreifen seiner Mutter wird schlussendlich klar, worin die Probleme des Jungen liegen und gemeinsam wird versucht, dem Problem Herr zu werden und dem Jungen die Angst vor dem schulischen Versagen zu nehmen. Und schlussendlich schafft es der Junge dann auch – wenn auch nicht beim ersten Mal – in die nächste Klasse aufzusteigen.

Der Kurzfilm hat mir mit seiner Thematik und seinen Settings aus den Siebzigern wie gesagt recht gut gefallen. Es ist halt immer schwer bei solchen Geschichten, die dem Zuschauer eigentlich etwas vermitteln möchten, einen Unterhaltungswert zu bestimmen. „Bad“ ist kein Kurzfilm, der den Zuschauer in erster Linie unterhalten möchte, sondern ein Streifen, der die Lernschwäche „Legasthenie“ und die Auswirkungen auf den Betroffenen und dessen Umfeld bildlich näher bringen möchte. Dabei sieht der Zuschauer unter anderem auch, was das Kind sieht und in Büchern und auf der Tafel sieht man scheinbar sinnlos zusammengesetzte Buchstaben. Eben genauso, wie es sich auch für den Betroffenen darstellt. Einige Szenen wiederum sind überspitzt dargestellt, was mir auch sehr gut gefallen hat.

Bei den Darstellern hat man mit Remy Thorne einen Schauspieler gefunden, der wirklich sehr talentiert den legasthenischen Jungen darstellt und auch in jeder Sekunde überzeugend wirkt. Hut ab jedenfalls vor dessen Leistung, die auch vollkommen zu recht mit einem „Young Artist Award“ ausgezeichnet wurde. Dagegen haben es die erwachsenen Darsteller auch etwas schwer. Jennifer Davis ist als fürsorgliche Mutter zu sehen, die anfänglich mit dem Problemen ihres Sohnes überforder ist, schlussendlich jedoch kämpferisch selbst das Schicksal in die Hand nimmt. Nancy Croning ist als Mrs. Freedman zwar optisch etwas überzeichnet, ist aber wie der Rest des Casts sehr überzeugend bei der Sache.

Das dieser interessante Kurzfilm auf Silberling in deutschen Landen zu sehen ist, haben wir wieder einmal dem ambitionierten Label CMV-Laservision zu verdanken, die sich in letzter Zeit ja neben Streifen aus dem Horrorgenre ja immer wieder interessanten Filmen jenseits des Mainstreams verschrieben werden. Seien es „Coming-of-age“-Streifen, Kurzfilm-Sammlungen oder Queer-Movies aus allen Herren Länder - das Label aus Berlin ist ja immer für eine Überraschung gut. Genauso verhält es sich natürlich mit „bad“. Der ist als Kurzfilm ja sowieso schon eher Nischenprogramm und mit seiner eher ernsten Thematik macht er sich vermutlich auch nicht gerade populärer. Trotzdem ist es natürlich wichtig, dass es solche Filme gibt und natürlich auch, dass diese auch veröffentlich werden. Sei es als Außenstehender einen Einblick zu bekommen, oder auch als Betroffener, um sich verstanden zu fühlen. „Bad“ kommt im englischen Original mit deutschen Untertiteln und die Bild- und Tonqualität ist natürlich sehr gut. Leider gibt es neben einigen Trailern kein weiteres Bonusmaterial. Gerade hier wäre vermutlich ein Interview mit dem Regisseur mehr als interessant ausgefallen. Aber da es die Scheibe auch zum kleinen Preis gibt, wollen wir das Fehlen von weitern Material hier mal nicht an die große Glocke hängen.

Unterm Strich bleibt ein sehr autobiografischer und interessanter Streifen über einen legasthenischen Jungen, der es schließlich mit Hilfe seiner Mutter schafft, seine Probleme zu überwinden und wieder Spaß am Lernen und an der Schule zu entwickeln. Ein Streifen, der einen sehr guten Einblick in die Welt eines Betroffenen erlaubt und so sicherlich einen weiteren Schritt zum Verständnis dieser Krankheit ermöglicht. Insofern eigentlich ein wichtiger Film, den man eigentlich schon gesehen haben sollte. Darsteller und Inszenierung sind sehr gut und sowieso und überhaupt finde ich „Bad“ mit seiner ungewöhnlichen Herangehensweise an diese Thematik sehr gelungen. Da aber nicht der Unterhaltungswert im Vordergrund steht, entfällt hier an dieser Stelle auch eine Bewertung nach Punkten.

Beitrag geändert von jogiwan (16.May 2009 20:31:28)