project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Unter „Coming of Age“ versteht man im englischen Sprachgebrauch das Heranwachsen eines Jugendlichen zum Heranwachsenden. Sprich: die Pubertät mit allen Problemen, Gefühlsausbrüchen, Irrungen und Wirrungen die durch die hormonelle Veränderung des Körpers so auf den Jugendlichen von Innen bzw. von Außen einwirken. Und wie wir ja alle wissen, ist diese Zeit ja nicht unbedingt die einfachste. Mit dem gleichen Begriff bezeichnet man aber auch Filme, die diesen Reifeprozess der Jugendlichen thematisieren und Heranwachsenden im Spannungsfeld zwischen Kindsein und Erwachsenwerden portaitieren. Und unter genau dem gleichen Titel bringt CMV-Laservision drei eigentlich sehr unterschiedliche Kurzfilme auf den DVD-Markt, die diese aufregende und interessante Zeit bei Jugendlichen dem Zuschauer näher bringen sollen.
Baby (UK, 12 min, 2001)
Joe (Ben Wishaw) befindet sich gerade mitten in der Pubertät und seine Zeit verbringt er neben Drogen und Alkohol vor allem mit Masturbation. Dazu benützt er Eindrücke, die er zuvor gesammelt hat und vor seinem geistigen Auge erneut ablaufen lässt. Bilder voller Sexualität in allen Richtungen. In einem Hallenbad findet er genug Inspiration, um sich selbst zum Höhepunkt zu bringen. Sei es der muskulöse Schwimmer, der gerade von einem Sprungbrett springt, verhaltene sexuelle Anspielungen zwischen den Badegästen und einer jungen Frau in einem lilafarbenen Badeanzug. Alle Eindrücke gehen für Joe eine eindeutige Richtung und die gewonnenen Eindrücke nützt er dazu, sich immer weiter in seinen sexuellen Gedanken hinzugeben...
„Baby“ ist ein knapp 12 minütiger Kurzfilm über einen Teenager, für den sich alles um Sex dreht. Nahezu jegliche Eindrücke, die der junge Mann in dem Hallenbad sammelt haben für ihn einen sexuelle Komponente. Eigentlich nichts ungewöhnliches für Jungen in seinen Alter, in denen gerade die ersten sexuellen Erfahrungen gesammelt und ausgetestet werden. Und egal ob es sich um einen sportlichen Körper, eine verschwitzte Achsel oder ein nackter Hintern in der Dusche handelt, alle Eindrücke saugt Joe förmlich in sich auf und verwendet diese Eindrücke abends um sich selbst zu befriedigen. Über die gesamte Laufzeit wird der Zuschauer Zeuge dieser Bilder, die Joe verlangsamt in seinem Kopf ablaufen lässt, während er zugekifft masturbiert. Der Film endet mit dem Höhepunkt und dem Bild eines unschuldigen Kleinkindes, das lächelnd auf Joe zuläuft.
Das Besondere an dem englischen Kurzfilm ist sicher die Tatsache, dass in der Hauptrolle Schauspieler Ben Wishaw zu sehen ist, der in Tom Twykers Verfilmung des Patrick Süsskinds Wälzer „das Parfüm“ die Rolle als mordender Duftsammler übernommen hat. „Baby“ wird bewusst als Dokumentation angekündigt, die Dialoge sind auf ein Mindestmaß beschränkt und untermalt wird das ganze mit einem Soundtrack vom englischen Triphopper Howie B., der hervorragend zu den Bildern passt. Regie bei diesen durchaus interessanten Kurzfilm führt ein gewisser W.I.Z., über den/die ich jedoch nicht wirklich etwas herausfinden könnten. Unterm Strich bleibt ein interessanter Film über die turbulente Gefühlswelt eines sexsüchtigen Teenagers, der sich dem Zuschauer mit jeder Sichtung ein Stück mehr offenbart, sich aber trotzdem auf eine ungewöhnliche Art und Weise verwehrt.
Juste un peu de reconfort / ein kleiner Trost (Frankreich, 38 min, 2004)
Arnaud ist ein typischer Jugendlicher, der noch zu Schule geht und in seiner Freizeit am liebsten mit seiner Clique in der Disko oder am Schulgelände abhängt. Doch Arnaud interessiert sich im Gegensatz zu seinen Freunden nicht für Mädchen, sondern ist in seinem Freund Guillaume verknallt. Doch der hat nach dem Suizid seines Vaters und einem Nervenzusammenbruch seiner Mutter eigentlich keinen Bedarf auf weitere Probleme und schläft lieber mit seiner Freundin Vanessa. Eines Tages lernt Arnaud in der Disco das Mädchen Aude kennen, mit der er eine Beziehung beginnt, die jedoch platonisch bleibt. Aude macht daraufhin Schluss und auch Vanessa gibt Guillaume den Laufpass. So sind beide Jungs betrübt und nach einer Nacht voller Alkohol kommen sich die beiden auch tatsächlich näher. Arnaud sieht sich am Ziel seiner Träume. Doch wie so oft in diesem Alter, sind Träume nur von kurzer Dauer…
Dieser französische Film aus dem Jahre 2004 erzählt die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Jugendlichen. Doch während Guillaume seine Sexualität voll auslebt, weiß Arnaud eigentlich nicht wo er hingehört. Seine ersten Versuche mit Mädchen bleiben erfolglos und das große Objekt seiner Begierde ist sein bester Freund, der seinerseits aber genug Probleme im familiären Umfeld hat. Als sich wenig später Arnauds Wunsch auch tatsächlich kurzzeitig erfüllt, bleibt dieses Glück allerdings nur von kurzer Dauer. Denn wie so viele Jugendlich in diesem Alter, hat sich Arnaud eigentlich den Falschen für sein Glück ausgesucht. Der Traum zerplatzt und nach einer kurzen Zeit des Glücks verschwindet Guillaume. Doch Arnaud ist noch jung und weiß danach zumindest, wohin er sexuell tendiert. Das ist zwar für Arnaud in dieser Situation vermutlich nur der titelgebende kleine Trost, doch die Schlussszene stimmt optimistisch, was den weiteren Wegen des Jungen angeht.
Der Kurzfilm von Regisseur und Drehbuchautor Armand Lameloise ist von allen Filmen mit dem Entstehungsjahr 2004 der Aktuellste und zeigt französische Jugendliche im Umfeld zwischen Schule, gemeinsamen Abhängen und Diskobesuchen inklusive Alkohol und Drogen. „juste un peu de reconfort“ wirkt sehr realistisch und auch das Verhalten seiner Darsteller wirkt sehr authentisch und zu keiner Sekunde aufgesetzt. Untermalt ist der Streifen mit Betroffenheits-Metal der französischen Gruppe Aqme, deren Texte auch hervorragend das Gefühlsleben der Protagonisten wiederspiegeln. Der französische Kurzfilm hat mir persönlich auch dank der unverbrauchten Darsteller sehr gut gefallen und vor allem Arthur Moncla ist in seiner Rolle als Arnaud sehr überzeugend.
a friend of dorothy (USA, 33 min, 1994)
Der junge Winston kommt gemeinsam mit seiner besten Freundin Ann nach New York um dort an der New Yorker Universität zu studieren. Aber der junge Mann hat nicht nur wegen der Uni seine alte Heimat verlassen, sondern vor allem, um in der großen Stadt endlich seine Sexualität mit hübschen Männern hemmungslos auszuleben. Doch trotz aller guten Vorsätze und der mentalen Unterstützung von Anne will es nicht so recht klappen. Der hübsche Mitbewohner scheint unerreichbar, Klappensex kommt wohl nicht in Frage und der Einzige, der sich für den schüchternen Jungen zu interessieren scheint ist ein Sektenjünger. Winston ist frustriert, doch so einfach gibt der Barbra Streisand Fan nicht auf und wenig später scheint der große Moment gekommen….
„A friend of dorothy“ aus dem Jahre 1994 erzählt die Geschichte eines jungen homosexuellen Mannes, der nach New York zieht und dort endlich auf den Putz hauen möchte. Doch der sensiblen Junge steht sich immer selbst im Weg und die Erfüllung seiner sexuellen Fantasien lässt leider auch sich warten. Denn natürlich ist selbst das schwulste Viertel in New York keine Garantie für entsprechende Abenteuer unter Männern. Schon gar nicht, wenn man schüchtern und unerfahren wie der junge Winston ist. Hilfe und Unterstützung bietet zwar die obligatorische beste Freundin, doch die letzte Hürde, sich selbst so zu akzeptieren wie man ist, muss Winston doch selbst überspringen. Und bis er in dem bekannten Plattenladen zwischen Judy Garland und Barbra Steisand-CDs zu sich selbst stehen kann, ist es ein weiter Weg.
Der amerikanische Streifen „a friend of dorothy“ ist der altbackendste Beitrag auf der DVD und erzählt von jungen Männern, die Barbra Streisand und Cher hören und allesamt auf Judy Garland abfahren. Und als sogenannter „Freund von Dorothy“ signalisiert man dann seiner Umwelt, dass man auf Männer steht, ohne das es die heterosexuellen Mitbürger mitbekommen. So einfach ist das im New Yorker Viertel Greenwich Village im Jahre 1994. Zum Glück hat sich die Gesellschaft seitdem gewandelt und als junger Homosexueller muss man sich ja mittlerweile nicht mehr hinter Synonymen verstecken und den ganzen Tag Streisand hören. Da hat sich in der Gesellschaft in den letzten 15 Jahren auch dank Privat-TV einiges getan , auch wenn es immer noch genug kleingeistige und klerikal-verpeilte Menschen auf diesen Planeten gibt. Ein Outing ist halt auch in einer toleranteren Gesellschaft noch immer kein Zuckerschlecken und so kann man es dem jungen Winston gut nachfühlen, wie schwer es ist, Anschluss zu finden. Doch wie auch in „ der Zauberer von Oz“ gibt es nach einigen Abenteuern das ersehnte Happy-End, Dorothy findet nach Hause und auch Winston wird als ihr sogenannter Freund seinen Weg gehen.
CMV-Laservision bringt unter dem Titel „Coming of Age Vol. 1“ diese durchaus interessante Auswahl an sehr abwechslungsreichen (schwulen) Kurzfilmen in guter bis sehr guter Bild- und Tonqualität, wobei diese jeweils in der englischen bzw. französischen Originalfassung mit optionalen deutschen und englischen (!!!) Untertiteln zu bewundern sind. Die Bandbreite der Kurzfilme reicht dabei von experimentell über realistisch bis hin zu etwas bieder und brav. Ausfälle gibt es jedoch keine zu verzeichnen und jeder Film hat für sich einen gewissen Charme. Kurzfilme werden ja seit jeher leider VÖ-technisch meist sehr stiefmütterlich behandelt, eignen sich jedoch vorzüglich für diese Thematik. Daher ist das Bestreben von CMV-Laservision, diesem Missstand entgegenzutreten auch sehr lobenswert. Der Zusatz „Vol. 1“ lässt jedenfalls darauf hoffen, dass noch weitere Ausgaben folgen könnten und eigentlich wäre uns das auch sehr wünschenswert. Das Heranwachsen mit all seinen positiven und negativen Facetten ist nun mal schwierig und zu dieser Thematik hat wohl jeder seine eigene, ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Drei davon sind hier zu sehen.
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@ Jochen,
sorry, schaffe es heute nicht mehr Dein Review fertig zu machen - bin arg kaputt heute. Mache es aber definitiv morgen abend mit fertig!
Danke aber schon mal im Voraus für das Review!
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jogiwan schrieb:
no prob - kein Stress wegen mir
Nee. nee, ist mir schon SEHR wichtig Eure Sachen so schnell wie möglich Online zu stellen, was heute nun auch geschehen ist: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4983 - vielen Dank für das schöne und ausführliche Review!!!
Der "Walang Kawala" und "Postal" *fg* ist heute auf die Reise gegangen und sollte am Freitag hoffentlich bei Dir im Büro ankommen. Zum Bollschen Meisterwerk "Postal" erwarte ich einen schönen Kommentar unter meinem Review *fg Part II*
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