project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Gustav (Jürgen Höhne) rettet in jungen Jahren an einem kalten Wintertag den unbeliebten Knuffi (Holger Müller) vor dem sicheren Ertrinkungstod. Als Dank für diese selbstlose Tat prophezeit ein anwesendes Schneemann-Orakel, dass von nun an die Schicksale der beiden Jungen untrennbar miteinander verbunden sind. Und so ziehen die beiden fortan gemeinsam durchs Leben. Etliche Jahre später bewohnen die beiden ein kleines Häuschen. Als eines Tages Eva als Untermieterin einzieht, verliebt sich Knuffi in die dralle und selbstbewusste Frau. Doch Eva (Jasmin Harnau) hat nur Augen für Gustav und in einer Nacht nehmen die beiden brennen die beiden durch und lassen Knuffi zurück. Gustav und Eva kapern ein Schneckenboot und befahren die Weltmeere um aus der Welt einen besseren Platz zu machen. Überall wo Not am Manne ist, tauchen die beiden auf um bedrohte Tierarten und Naturvölker zu befreien.
Die Jahre vergehen und Gustav ist müde geworden. Die Reise im Schneckenboot mit Kind, Tier und Kegel haben den Seemann sehr beansprucht und er beschließt sich, an einem ruhigen Ort nieder zu lassen. Zufälligerweise strandet der illustre Trupp auf einer kleinen Insel, die auf keiner Karte aufscheint. Doch die Insel birgt ein düsteres Geheimnis. Knuffi hat sich hier als böser Kaiser niedergelassen und beherrscht die Insel mit eiserner Hand und seinen beiden Propaganda-Ministern. Knuffis alte Liebe zu Eva entflammt neu und er möchte seine alte Liebe zurückerobern – notfalls auch mit Gewalt. Doch da hat er die Rechnung ohne Gustav, den Kindern und den restlichen Schiffsbewohnern gemacht. Denn diese sind nicht bereit, ihre fürsorgliche Eva so einfach einem größenwahnsinnigen Diktator zu überlassen...
Eine halbwegs vernünftige Inhaltsangabe zu Wenzel Storchs „Die Reise ins Glück“ zu schreiben ist gar nicht so einfach. Der deutsche Ausnahme-Regisseur hat mit seinem dritten, abendfüllenden Film ein Werk geschaffen, dass sich nur schwer beschreiben lässt und sich auch mühelos allen Konventionen widersetzt. Ein Märchen für Erwachsene, das vollgepackt mit skurrilen Entwicklungen, subversiven Witz, sprechenden Tieren, Stop-Motion-Sequenzen und den fantasievollsten Kulissen der letzten 500 Jahre den Zuschauer überfordert und zugleich begeistern wird. „Die Reise ins Glück“ ist ein verfilmter Drogenrausch mit Einfällen der Marke infantil bis philosophisch, derben Worten, geschmacklos und natürlich politisch vollkommen unkorrekt. Dabei strotzt das Endergebnis nur so von bildgewaltigen Einfällen, Fabelwesen, pinkelnden Menschen, zerplatzenden Köpfen und kopulierenden Schnecken.
Die Reise von Gustav und seiner Frau Eva, den Kindern, Tieren und Urwaldvölker, die so nebenher die Welt retten wird ohne Rücksicht auf etwaige Verluste erzählt. Die Grenzen der Logik werden aufgehoben und das Wort „Gehirnwäsche“ ist bei Wenzel Storch nicht im übertragenen Sinn, sondern tatsächlich auch so gemeint. Dabei wurden von den Drehbuchautoren so zahlreiche Handlungsstränge in den Film gepackt, dass man schon mal den Überblick verlieren kann. Aber bei diesem fiebrigen Traum, der jenseits jeglicher Realitäten eingefangen wurde, ist das dann eigentlich auch egal. Und auch wenn nicht alle Entwicklungen zu Ende verfolgt werden, so ist Wenzel Storch doch ein rundum gelungener Underground-Film gelungen, den man als aufgeschlossener Filmkonsument definitiv gesehen haben sollte. Mich persönlich erinnert „Die Reise ins Glück“ stark an eine drogengeschwängerte Version des „Zauberers von Oz“. Nur das es statt einer Judy Garland als Dorothy mit ihrem Hündchen Toto halt einen Kapitän mit Schnauzbart im kugelrunden Kunststoff-Outfit mit einem sprechenden Bär als ersten Offizier gibt und statt der bösen Hexe des Nordens gibt es einen durchgeknallten König mit Hautproblemen und Hang zum Diktator.
Da Storch kein wirkliches Budget für die Realisierung seines Filmes zur Verfügung stand, dauerte die Realisierung mehrere Jahre. Gagen wurden keine bezahlt und als Schauspieler agieren größtenteils Laien aus dem Umfeld des Regisseurs. Weil das Geld der Filmförderung natürlich zu wenig war, wurden fünf Benefizveranstaltungen gemacht, in denen von namhaften Künstlern wie Max Goldt und Benjamin von Stuckrad-Barre Geld für den ambitionierten Filmemacher aufgetrieben wurde. Das „die Reise ins Glück“ schlussendlich fertig werden konnte, liegt vor allem an der Geduld und am unermüdlichen Einsatz des Regisseurs und allen Beteiligten im Hintergrund, die in mühevoller Kleinarbeit die fantasievolle Ausstattung des Filmes geschaffen haben.
Und diese besagte Ausstattung des Filmes ist schlichtweg grandios. Egal ob es sich um das Innere des Schneckenschiffes, oder des Schlosses handelt, die Settings sind phänomenal und ich muss ehrlich gestehen, dass ich bei der ersten Sichtung vollkommen geplättet war. Es ist schwer der Handlung zu folgen, wenn man eigentlich nur auf das Interieur achten möchte. Da wird dann auch Christbaumschmuck zur Türverkleidung verwendet und Babyrasseln und mit Gold besprayte Trockenblumen zur kaiserlichen Inneneinrichtung zweckentfremdet. Dabei möchte ich vor allem die Szene mit Gehirnwaschfrau Klementine hervorheben. In ihrem Kämmerlein wird ein Industriegitter, das man auf Baustellen sieht, so an die Wand getackert, dass der Raum auf einmal wie verfliest ausschaut. Aus Güllepumpen, Kabelsträngen und anderen Rohren wird der Maschinenraum des Schiffes. Ideen, die so simpel wie auch genial sind, so dass man dem Regisseur und den Verantwortlichen für die Ausstattung nur neidlos gratulieren kann.
Die Hauptrolle des Gustav hat in „Die Reise ins Glück“ neuerlich Wenzel Storchs erklärter Lieblingsdarsteller Jürgen Höhne übernommen, mit dem er bereits mehrfach zusammengearbeitet hat. Der Regisseur hat einmal in einem Interview gemeint: „Selbst wenn mir Hainer Lauterbach als Darsteller zur Verfügung stehen würde, so würde ich doch Jürgen Höhne nehmen. Höhne ist jedoch kein professioneller Schauspieler, sondern ein Laie und agiert natürlich dementsprechend. Auch die übrigen Darsteller sind auch allesamt alles andere als professionell und (über-)agieren von grottig bis passabel. Das passt aber hervorragend zum trashigen Charakter dieses überzeichneten Filmes. Bei der einzigen Gesangsnummer im Film, einer augenzwinkernden Hommage an schwarzafrikanische Naturvölker, konnte Max-Raabe als Sänger gewonnen werden.
Als Koordinator für die Special-Effekte des Filmes konnte der bekannte Berliner Underground-Filmer und Godzilla-Experte Jörg Buttgereit („Nekromantik“) gewonnen werden, der auch eine Rolle als Edelmann übernommen hat. Die Prothesen wurden von FX-Künstler Michael Romahn gestaltet, mit dem Buttgereit bereits bei „Schramm“ zusammengearbeitet hatte, der jedoch während den mehrjährigen Dreharbeiten verstarb. Die Arbeiten wurden jedoch dank dessen Witwe gerettet und von Marcel Caspers vollendet. Die dezent eingesetzten Effekte sind zwar nur kurz aber teils doch heftig. Das der Film schlussendlich doch mit einer FSK 12-Freigabe auf Silberling gebrannt wurde liegt aber wohl an der comic-haften Inszenierung der Gore-Effekte. Kann aber auch gut sein, dass die Prüfer mit der trashigen Grotekse auch etwas überfordert waren.
Das der Film jetzt ja auch endlich seine schöne und verdiente Veröffentlichung auf DVD erhält, haben wir dem jungen Label Cinema Surreal zu verdanken, die uns auch schon die wunderbar melancholische Komödie und ebenfalls schwer kategorisierbaren Streifen „The saddest music in the world“ gebracht haben. Cinema Surreal veröffentlichen den im Jahre 2004 fertiggestellten Film jetzt in einer wunderbaren 2-Disc-VÖ mit tonnenweise interessantem Bonusmaterial. Allerdings lagen mir zu Review-Zwecken nicht die Scheiben in finaler Qualität vor. Die Qualität war trotzdem schon gut (Hauptfilm) bis mittelmäßig (Bonusmaterial), aber wenn die sowieso noch besser wird, bietet sie sicherlich keinen großen Anlass zur Kritik. Die zahlreichen Making-Ofs sind sehr interessant ausgefallen und bieten Einblicke in die aufwendigen Dreharbeiten, die Gestaltung der Effekte, Probleme mit den tierischen und menschlichen Darstellern. Insgesamt warten Bonusmaterial mit mehr als 240 Minuten Laufzeit vom geneigten Zuschauer entdeckt zu werden.
Unter Strich bleibt ein sehr fantasievoller und vollkommen skurriler Underground-Film seltsamer Story, der einen Sch... auf herkömmliche Konventionen gibt und der, obwohl er sich vordergründig ganz niedlich und brav gibt, vollkommen am Mainstreamkino vorbeischrammt. Denn wenn Wenzel Storch seine Darsteller auf die Menschheit loslässt, Bären Klavierspielen und Schnecken Kirchenhäuser vergewaltigen lässt, dann bleibt ohnehin kein Auge trocken. Ablehnende Reaktionen sind da genauso vorprogrammiert, wie auch Publikumspreise und sonstige Sympathiebekundungen. Sicherlich hätte man mit großen Budget und professionellen Darstellern sicherlich einiges anders und vielleicht auch besser machen können, aber angesichts der mehrjährigen Entstehungsweise und den Produktionsbedingungen hätte man wohl kein besseres Ergebnis erreichen können. Eine knallbunte Odyssee erdacht und realisiert von einem durchgeknallten Regisseurs, in dem sprechende Tiere und Augsburger Puppenbühne genauso ihren Platz finden wie pissende Propagandaminister und platzende Köpfe. Hier fügt sich das Schöne zum Geschmacklosen, das Skurrile zum Süßen und schlussendlich triumphiert das Gute über das Böse. Genauso wollen wir das sehen und auch das in letzter Zeit etwas überstrapazierte Wort „Kultfilm“ findet da wohl seine Berechtigung.
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@ Jochen
Vielen Dank für das schöne Review - was nun auch Online ist: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4899
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Danke, danke!
Aber warum wird die nicht im normalen Handel erhältlich sein? Deswegen hab ich die auch auf amazon nicht gefunden... *kopfkratz*
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Keine Ahnung warum das so ist, die vorherigen Veröffentlichungen findet man im Handel, aber den Film wollen die vielleicht exklusiv vertreiben - wobei auf deren Webseite noch keine Infos dazu stehen - was ja auch recht seltsam ist.
jogiwan schrieb:
Danke, danke!
Aber warum wird die nicht im normalen Handel erhältlich sein? Deswegen hab ich die auch auf amazon nicht gefunden... *kopfkratz*
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