project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Eines Abends treffen sich in einem Haus einer todkranken Mutter vier ungleiche Brüder. Sebastian ist ein angehender Schriftsteller, der sich rührend um seine sterbende Mutter kümmert und ihr einen humanen Tod ermöglichen möchte. Kyle ist der jüngste Bruder, aufgrund einiger traumatischer Jugenderlebnisse psychisch labil und gerade auf Alkoholentzug. Ray hingegen ist soeben aus den Gefängnis entlassen worden, natürlich pleite und nun auf der Suche nach Geld und einer Unterkunft. Da seine Mutter im Sterben liegt ist er gekommen um sich seinen Anteil vom Erbe zu sichern und da der Vater ebenfalls verstorben ist, hat er mit Jack den Plan gefasst, sich zusätzlich noch die Prämienerlöse aus dessen Lebensversicherung unter den Nagel zu reißen.
Doch das Zusammentreffen erweist sich nicht gerade als harmonisch und nach und nach offenbaren sich die familiären Hintergründe, die alles andere als einfach sind. So ist Kyle nicht nur von seinem Vater geschlagen worden, sondern auch von seinen beiden Brüdern nicht gerade gut behandelt worden. Als Reaktion auf die unerwartete Familienzusammenführung beginnt er wieder zu trinken. Es kommt neuerlich zu Spannungen und Kyle trinkt so lange Whiskey bis er wenig später sturzbetrunken in die Toilette kotzt. Ray hingegen genießt seine wiedererlangte Freiheit in vollen Zügen und als dann auch noch Jack mit zwei Nutten April und Dusty im Gepäck auftaucht lassen sie eine Party steigen. Es wird getrunken und gefeiert und obwohl Sebastian versucht, die Beiden zu besänftigen wird die Stimmung im Hause immer aggressiver.
Jack und Ray feiern in vollen Zügen und auch der Alkoholkonsum nimmt weiter zu. Zum Spaß fesseln die Beiden Sebastian an einen Stuhl, weil er als Spaßbremse nicht bei ihrem Treiben beiwohnen möchte. Wenig später entdeckt Ray, dass sein Bruder Sebastian seiner Mutter mit einer tödlichen Spritze Sterbehilfe leisten wollte und dreht durch. Auch Kyle ist wieder auf den Beinen und nicht länger bereit, sich von Ray und Jack weiter schikanieren zu lassen. Er schnappt sich eine Waffe und bedroht seine beiden älteren Brüder. Jack will Kyle beruhigen, wird jedoch von ihm angeschossen. Als Dusty und April Schuss hören und den Verletzten sehen, ergreifen sie die Flucht und alarmieren die Polizei. Doch die brutale Stimmung im Haus steigert sich immer weiter und erreicht mit dem Eintreffen der Beamten ihren Höhepunkt. Ein weiterer Schuss fällt und verändert das Leben der traumatisierten Familie…
„Häuser sind Orte wo man Abschied nimmt und die Welt beginnt. Und in jedem Zuhause ist ein Familienfriedhof voller Geheimnisse versteckt. Wenn dieser Friedhof zu voll wird, gibt es keinen Platz mehr für die Lebenden. In den meisten Fällen dauert es ein Leben, bis sie diesen Punkt erreichen. Meine Brüder und ich brauchten nicht länger als eine einzige Nacht…“ Das amerikanische Low-Budget-Drama „Wake – Totenwache“ von Roy Finch beginnt mit diesen Zeilen, die der Schriftsteller Sebastian zu Papier bringt. Er beschreibt in einem Buch die Geschehnisse einer schicksalhaften Nacht, in der vier sehr unterschiedliche Brüder teils ungewollt aufeinander treffen. Eine Nacht, in deren Verlauf unverarbeitete Konflikte der Familie hervorbrechen schlussendlich gewaltvoll eskalieren.
Das eine Familie nicht unbedingt Halt, sondern oftmals auch das Gegenteil bedeuten kann, ist ja im Grunde nichts Neues. Und Geschichten über unterschiedliche Geschwister und deren Differenzen kennt man ja schon seit Kain und Abel bis hin zu den täglichen Talkshows eigentlich auch schon zu Genüge. Roy Finch ist mit seinem kleinen Indie-Film aus dem Jahre 2003 aber trotz durchgekauter Thematik jedoch ein solider Beitrag zu dieser Aufgabenstellung gelungen, in dem zwar wirklich allerlei Tragisches zusammenkommt, dieses jedoch nie zu plakativ in Szene gesetzt wurde. Der kammerspielartige Film enthüllt im langsamen Erzähltempo dramatische Episoden aus dem Leben der Charaktere und versucht so die Geschehnisse des besagten Abends zu erklären. Dabei bleibt der Klischee-Holzhammer zum Glück größtenteils im Schrank und auch der erhobene Zeigefinger kommt nicht zum Einsatz. Viele der Ereignisse in der Vergangenheit werden auch nur angedeutet, sodass sich der Zuschauer selbst einen Reim auf die Geschehnisse machen kann.
Die Charaktere sind dabei recht gut entwickelt. So gibt es den sensiblen Schriftsteller, der sich um die sterbenskranke Mutter kümmert und in seiner Verzweiflung sogar an Sterbehilfe denkt. Ein Art Anti-John-Boy-Walton, der zwar auf Harmonie bedacht ist, schlussendlich aber erkennen muss, dass ihm die Kontrolle über die Szenerie entgleitet Dann den psychisch-angeschlagenen Kyle, der aufgrund eines Zwischenfalles mit seinem Vater wohl nie richtig im Leben Fuß fassen konnte und zwischen Gelegenheitsjobs, Alkoholentzug und Klappsenaufenthalten hin- und herpendelt. Ray hingegen ist ein Krimineller, der sich in seiner Rolle als schwarzes Schaf der Familie auch recht wohl zu fühlen scheint und die letzten Jahre auch in einem Gefängnis verbracht hat. Das er dem Abend jedoch im Kreise seiner Brüder verbringen darf, hat er nicht seiner Entlassung, sondern seiner Flucht zu verdanken. Schlussendlich noch Jack, der gerne sein mit Gelegenheitsjobs verdientes Geld in Puffs durchbringt und aufgrund dessen auch an der Kippe zum Ganoven steht.
Die Inszenierung von Roy Finch ist dabei recht passabel und erinnert mich persönlich mit der angedeuteten Realitätsnähe an die Dogma95-Filme aus dem Lars von Trier-Umfeld. Auch von der Thematik her, hätte der Film auch durchaus ein europäischer sein können. Womit wir auch schon bei meinem einzigen Kritikpunkt sind. Die Umsetzung ist für ein handfestes Drama, das nachhaltig zum Denken anregen soll, dann doch irgendwie zu brav ausgefallen. Die Auseinandersetzung mit Themen wie Sterbehilfe, Gewalt in der Familie, Alkoholsucht und der lasche Umgang mit verschreibungspflichtiger Psycho-Pharmika hätte ruhig ein bisschen mehr „europäische Härte“ vertragen. Auch bei dem Machtspielen und bei der Eskalation der Gewalt hätte Regisseur Finch die Psychoschraube ein bisschen fester andrehen und konsequenter vorgehen können.
Bei den Darstellern hingegen hat man aber ein gutes Händchen bewiesen. Oscar-Preisträger Martin Landau ist in einer kleinen Rolle als gealterter Schriftsteller Sebastian zu sehen und spielt den verzweifelten Schriftsteller, der Jahrzehnte benötigt um sein Buch zu vollenden auch mit einer gehörigen Portion Dramatik. Auch Gale Harold kann als psychisch-angeschlagener Kyle überzeugen. Der hatte anscheinend auch Freude daran, einen absolut konträren Charakter im Vergleich zu dem promiskuren und schwulen Brian der Erfolgsserie „queer as Folk“ zu spielen. Doch das darstellerische Highlight des Filmes ist sicher Blake Gibbons als durchgeknallter Knacki, der die ganzen dramatischen Ereignisse mit seinem Erscheinen erst ins Laufen bringt. Generell kann gesagt werden, dass die Darsteller für einen Film aus der B-Kiste allesamt sehr gute und glaubwürdige Darstellungen abliefern.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt diesen kleinen aber doch feinen amerikanischen Indie-Streifen aus dem Jahre 2003 in der englischen Originalversion, sowie in einer deutschen Synchronisation, die größtenteils auch gut ausgefallen ist. Die Bild- und Tonqualität ist gut und auch das umfassende Bonusmaterial kann überzeugen. So gibt es neben dem Originaltrailer auch ein ausführliches Making-Of in dem die Beteiligten zu Wort kommen, Probeaufnahmen mit Gale Harold, sowie interessante Einblicke in die Post-Produktion mit Regisseur Roy Finch. Abgerundet wird das ganze noch mit zahlreichen Trailern wie „the journey of jared price“, „the toylers and the wayfairers“, „the blossoming of maximo oliveros“ und „you are not alone“ – allesamt aus CMV-Laservisionistischen Drama-Ecke.
Und so bleibt unterm Strich ein mit Abstrichen gelungener Streifen über menschliche Abgründe, der weniger abgebrühte Zeitgenossen sicherlich zum Nachdenken anregen wird. „Wake“ erzählt die dramatische Geschichte von vier Männern, drei Frauen, zwei Waffen und einer Nacht. Ein Film über eine traumatisierte Familie, deren die Verbundenheit schon längst abhanden gekommen ist. Ganz hat der Film jedoch nicht meinen Geschmack getroffen. Wer über die etwas „brave“ Inszenierung hinwegsehen kann, der bekommt trotzdem ein halbwegs gelungenes Drama serviert, dass vor allem durch die darstellerischen Leistungen der Beteiligten begeistern kann. Und auch wenn meiner bescheidenen Meinung nach, das Potential der Gesichte nicht zur Gänze ausgenutzt wurde, so gebe ich an dieser Stelle für dieses Indie-Drama gerne 6,5 von 10 Punkten.
Beitrag geändert von jogiwan (16.January 2009 16:10:29)
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@ Jochen,
Vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4743
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