project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Pepi (Carmen Maura) ist jung, lebenslustig und lebt in den Tag hinein. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Superman-Sticker-Album beschäftigt ist, dann kümmert sie sich um ihre Marihuana-Pflanzen am Balkon. Doch ihr grüner Daumen und Hang zu illegalen Pflanzen bleibt natürlich nicht unbemerkt und eines Tages steht ein sadistischer Polizist vor ihrer Wohnungstüre. Der will die Göre eigentlich verhaften, doch Pepi macht ihm ein höchst zweifelhaftes Angebot. Er soll die noch jungfräuliche Pepi von hinten nehmen und dafür nochmals ein oder zwei Augen zudrücken. Doch der korrupte Polizist denkt gar nicht daran und vergewaltigt das Mädchen. Pepi ist stinksauer, wollte sie doch ihre Jungfräulichkeit teuer verkaufen. Nun ist sie durch dieses Erlebnis schlagartig erwachsen geworden, verliert den Glauben an Gerechtigkeit und sinnt auf Rache.
Gemeinsam mit der Leadsängerin Bom (Alaska/Olvido Gara) einer Punkband sinnt sie auf Rache. Sie überedet die Band, den Polizisten in einer Nacht und Nebelaktion gehörig zu verprügeln. Im Gegenzug schenkt sie der Band ihre ganzen Pflänzchen. Gesagt, getan wird in der folgenden Nacht der Plan in die Tat umgesetzt. Leider erwischt die Truppe jedoch nicht den sadistischen Polizisten, sondern dessen unschuldigen Zwillingsbruder Juan, der mit der ganzen Sache nichts zu tun hat. Als Pepi erkennt, dass ihr Plan den falschen erwischt hat, denkt sie sich einen neuen aus. Sie überredet die Luci (Eva Siva) introvertierte Frau des Polizisten, ihr Strickunterricht zu geben. Schon bei der ersten Übungsstunde bemerkt Pepi, dass Luci masochistische Züge hat und körperlichen Schmerz und Demütigung sehr aufgeschlossen ist. Das trifft sich gut und Pepi bringt Luci mit ihrer dominant veranlagten Freundin Bom zusammen.
Luci trennt sich von ihrem Mann und die beiden ungleichen Frauen beginnen eine Affäre. Gemeinsam mit Pepi besucht man schrille Partys und Konzerte, nimmt Drogen und vergnügt sich im Madrider Underground. Pepi wird erfolgreiche Promoterin, während Bom mit ihrer Band weiter an ihrer Punkrock-Karriere feilt und Luci vollkommen hörig den Groupie mach. Doch der Polizist und gehörnte Ehemann denkt nicht daran, Luci so einfach von dannen ziehen zu lassen. Er lauert Luci vor einer Discothek auf und schlägt sie krankenhausreif. Als Pepi und Bom sie am nächsten Tag dort besuchen, hält sie mit ihrem Ehemann Händchen und teilt den beiden mit, dass wie wieder zu ihm zurück kehren möchte. Bom ist zwar traurig, dass sie Luci nicht mehr herumkommandieren kann, doch das Leben geht weiter. Gemeinsam mit Pepi zieht sie davon in eine ungewisse Zukunft voller Möglichkeiten…
„Pepi, Luci, Bom y otras chicas del montón“ bzw. „Pepi, Luci Bom und die anderen Mädchen vom Haufen“ aus dem Jahre 1980 ist Pedro Almodovars erster abendfüllender Spielfilm. Entstanden ist er über einen Zeitraum von 2 Jahren als Almodovar noch nebenher bei einer Telefonfirma gearbeitet hat. Der Streifen ist ein beinah dokumentatorischer Film über eine Generation voller selbstbewusster Künstler mit Aufbruchsstimmung nach dem Ende der sogenannten Franco-Ära. Nach dem Tod des Diktators stand ganz Spanien vor dem Umbruch und alles, was vormals verboten und verpönt war, wurde auf einmal chic und zeitgemäß. Aus dem Undergrund Madrids entstand die sogenannte „Movida Madrilena“, ein Art Künstlerkollektiv, das ohne Rücksicht auf Verluste, Moral und gesellschaftliche Konventionen begann, ihre Ideen umzusetzen und in die Welt hinaus zu tragen. Das erfolgte auf unterschiedlichsten künstlerischen Wegen und reichte vom subversiv-rotzigen Punkrocknummern über grelle Bilder, Graffitis bis hin zu Pornografie. Und inspiriert von den Trashfilmen eines John Waters („Pink Flamingo“) begann auch Pedro Almodovar, mittlerweile der bekannteste Vertreter dieser Jugendbewegung, mit den Dreharbeiten zu seinem ersten Film.
Die Geschichte bzw. Geschichten die in „Pepi, Luci, Bom“ erzählt werden sind sehr episodenhaft angelegt und erzählen humoristische Episoden aus dem Leben aller Beteiligten, die auf unterschiedlichste Weise die Gesellschaft Spaniens, deren Werte und Aufbruchsstimmung wiederspiegeln. Der Film selbst wurde mit einer Super8-Kamera gedreht und ist natürlich purer Underground-Trash der subversivsten Art, der mit den neueren Werken des spanischen Ausnahmeregisseurs natürlich eher wenig zu tun hat. Doch obwohl das nicht vorhandene Budget in jeder Sekunde anzusehen ist, so ist mit Themen wie Solidarität und Freundschaften unter Frauen und die Tatsache, dass jede noch so groteske Situation und skurrile Begebenheit ohne Wertung präsentiert wird, bereits wesentliche Punkte vorhanden, die sich mittlerweile nahezu durch alle Filme des Regisseurs ziehen. Otto Normalzuseher wird aber vermutlich trotzdem mit diesem grellbunten Frühwerk wenig anzufangen wissen. Denn Szenen wie in jener, in der Pepi Bom befiehlt auf Luci zu urinieren, sowie auch der Penis-Größenwettbewerb, in dem Almodovar selbst mit dem Maßband Hand anlegt, sind selbst für heutige Verhältnisse noch ungewohnt anzusehen und erinnern auch sehr an die amerikanischen Werke John Waters.
Der Film selbst ist auch außerhalb Spaniens nicht unbedingt populär und fehlt neben „Matador“ leider und unverständlicherweise auch in der kürzlich erschienen Almodovar-Box. In Spanien hingegen ist „Pepi, Luci, Bom…“ wohl eines der bekanntesten sogenannten „Midnight Movies“ und lief jahrelang auch höchst erfolgreich in den Madrider Underground-Kinos. Wohl auch deswegen, weil mit „Alaska“ eine der bekanntesten spanischen Sängerinnen die höchst unkonventionelle Rolle der „Bom“ übernommen hat. Aber auch zahlreiche andere Underground-Acts wie der Transenstar Fabio McNamara und die Bilder eines spanischen Künstler-Duos werden eindrucksvoll präsentiert. Wohl kein anderer spanischer Film aus der Epoche zeichnet die Aufbruchsstimmung einer ganzen Generation in der Post-Franco-Zeit so humoristisch, überdreht und augenzwinkernd auf die große Leinwand.
Das der Film überhaupt entstehen konnte, lag aber größtenteils an dem damaligen Freundeskreis von Pedro Almodovar, Carmen Maura und an Felix Roteata, der nicht nur den sadistischen Polizisten spielt, sondern auch den Großteil der Finanzierung auf die Beine gestellt hat. Nahezu jeder im Bekanntenkreis des Regisseurs hat sich auf irgendeine Art und Weise in diesem Underground-Film eingebracht. Neben der damals schon sehr bekannten Carmen Maura in der Rolle der lebenslustigen Pepi, die wohl von allen Beteiligten die meiste Erfahrung im Filmbusiness mit- und eingebracht hat, gibt es auch noch zahlreiche andere Darsteller, die in den weiteren Filmen Almodovars zu sehen. So darf uns Cecilia Roth in einem hoffnungslos albernen Werbespot die Mysterien des weiblichen Körpers näher bringen und auch Julieta Serano (u.a. „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“, Assumpta Serna („Matador“) und natürlich auch Augustin Almodovar sind in kurzen, jedoch eindrucksvollen Szenen zu bewundern.
Sich den Film jedoch anzusehen ist gar nicht so einfach. Wie gesagt ist „Pepi, Luci, Bom…“ nie im deutschsprachigen Raum erschienen und auch international schaut es eher mager aus. Es gibt selbstverständlich eine spanische DVD mit hübscher Aufmachung, die nach einem Madrid-Wochenende eines Bekannten natürlich auch in meiner Sammlung gelandet ist. Leider bietet die DVD jedoch nur die spanische Originalfassung und wer der Sprache nicht mächtig ist, kann damit natürlich nur beschränkt etwas anfangen. Seit Dezember 2006 gibt es das Erstlingswerk von Almodovar aber dank dem englischen Label Optimum Releasing nun auch mit englischen Untertiteln und einer höchst interessanten Einleitung des Filmexperten Jose Arroyo erhältlich. Arroyo geht in seinen ausführlichen Vortrag auch etwas näher auf die sogeannten „Movida Madrilena“ ein und beleuchtet so die Hintergründe, in denen der Film entstanden ist. Erschien ist „Pepi, Luci, Bom…“ als Single-Disc und auch in einer wunderschönen Box gemeinsam mit anderen Frühwerken Almodovars. Da beides mittlerweile zum fairen Preis erhältlich ist, sollten nette Menschen, die sich für diesen spanischen Underground-Klassiker interessieren, auch nicht lange überlegen.
Abschließend bleibt dann auch nur noch zu sagen, dass Pedro Almodovar mit „Pepi, Luci, Bom und die anderen Mädchen vom Haufen“ ein höchst amüsanten und interessantes Underground-Zeitdokument geschaffen hat, dass die Aufbruchsstimmung in Spanien der Achtziger Jahre nach dem Ende der Diktatur und Monarchie auch eindrucksvoll, bunt und sehr lebendig in Szene setzt. Ein Film über einen Haufen Jungendlicher, die wenig auf gesellschaftliche und sexuelle Normen geben und sich selbst verwirklichen. Nebenher gibt es noch eine grandiose Carmen Maura in ihrer ersten Zusammenarbeit mit dem Ausnahmeregisseur, ein paar schmissige Songs, haufenweise lustige Momente und skurrile Charaktere in einer amateurhaften Umsetzung, die man – wenn man sich die Umstände der Entstehung näher vor Augen führt – auch gerne verzeihen kann. Ein lustiges und kurzweiliges Filmchen, das zwar nicht ganz mit den anarchistischen Charme von „Pink Flamingos“ mithalten kann, aber trotzdem mit allerlei grenzwertigen Einfällen gut zu unterhalten weiß. Hardcore-Almodovaristen kommen an dem Film ja sowieso nicht vorbei. Besser als mit diesem provokativem Statement zur Zeit hätte der Start der internationalen Karriere von Pedro Almodovar dann ja eigentlich gar nicht ausfallen können.
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@ Jochen,
Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4681
Vielen Dank!!!
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