project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Spanien 1973: Alfredo Lopez (Javier Camara) ist Angestellter des Montoya-Verlages und verkauft Enzyklopädien an der Haustür. Doch das Geschäft läuft sehr schlecht und so lebt er mit seiner arbeitslosen Frau Carmen (Candela Pena) in sehr ärmlichen Verhältnissen. Und auch der Kinderwunsch seiner Gattin muss mangels finanzieller Möglichkeiten auf die lange Bank geschoben werden. Eines Tages lädt sein Chef Don Carlo Alfredo samt Gattin, sowie weiteren Arbeitskollegen zu einem Kongress, in dem von neuen Geschäftsideen berichtet werden soll, die den maroden Verlag vor seiner Pleite bewahren soll. Alfredo, der eigentlich befürchtet hatte seinen Job zu verlieren, erfährt von der sexuellen Revolution ins Skandinavien und dessen Bewohner, die begierig nach privaten Sexvideos sind, die unter dem Deckmantel der Aufklärung an den Mann bzw. die Frau gebracht werden. Don Carlos macht seinen Angestellten das Angebot, solche Filme herzustellen und dafür fürstlich entlohnt zu werden.
Natürlich stößt dieser Vorschlag nicht auf ungeteilte Begeisterung unter den Mitarbeitern, doch Alfredo und Carmen willigen angesichts des mehr als belasteten Haushaltskontos schlussendlich ein. Alfredo erhält von einem ehemaligen Regie-Assistent von Ingmar Bergman einen Crashkurs in Sachen Filmherstellung und wertvolle Tipps, wie man künstlerischen Anspruch und Pornografie verbinden kann. Die schüchterne und etwas verklemmte Carmen hingegen lernt, wie man die Männer mit geschickt eingesetzten Reizen so richtig so richtig um den Verstand bringen kann. Wenig später werden sämtliche Bedenken und Schamgefühle verworfen und der erste Streifen ist auch sehr schnell abgedreht. Wider Erwarten der Protagonisten ist Don Carlos und der skandinavische Markt von dem schmuddeligen, aber doch gut inszenierten Film restlos begeistert. Angesichts dieses positiven Feedbacks drehen Alfredo und Carmen auch so richtig auf und drehen weitere Filme über notgeile Handwerker, lüsterne Krankenschwestern und triebhafte Hausfrauen.
Mit dem finanziellen Erfolg der Filme steigt jedoch auch der Kinderwunsch von Carmen. Doch alle Versuche schwanger zu werden, schlagen aufgrund der Impotenz ihres Mannes fehl. Und auch Alfredo ist es leid, immer dieselben schmuddelige Filme nach dem gleichen Schema zu drehen. Er fühlt sich zu Höherem berufen und möchte einen Film im Stil seines großen Vorbildes drehen. Ein Film der die Ästhetik eines Ingmar Bergmans mit einer komplexen Geschichte verbindet und genau auf seine Frau Carmen zugeschnitten ist. Der Verlag willigt ein und Alfredo verfasst ein Drehbuch mit dem Titel „die Abenteuer und Unglücke einer geilen Witwe „. In dem angesagten Touristen- und Badeort Torremolino soll der Streifen als spanisch/dänische Co-Produktion schlussendlich gedreht werden. Doch als der Verlag Änderungen bzw. pornografische Szenen verlangt und Carmen diese Chance dazu nützen möchte, um von ihrem skandinavischen Schauspielpartner Magnus (Madds Mikkelsen) endlich schwanger zu werden, droht die bislang harmonische Ehe der Beiden entgültig auseinander zu brechen...
In den Sechziger- und Siebzigerjahren gab es ja europaweit ein boomendes Filmgenre. Der sogenannte Mondo-Film mit Ursprung im italienischen Genre-Kino, in dem seltsame Verhaltensweisen von noch seltsameren Zeitgenossen gefilmt wurden und in semi-dokumentarischen Filmen verbraten wurden. Dabei reichte die Bandbreite von dubiosen Riten afrikanischer Stämme bis hin zu den beliebten Aufklärungsfilmen, die die Sensationsgier des Publikums nach nackten Tatsachen unter einem wissenschaftlichen Vorwand bestens bediente. Und von der Produktion dieser sogenannten „Aufklärungsfilmchen“ handelt die Tragik-Komödie „Torremolinos 73“ des spanischen Regisseurs Pablo Berger. „Die Torremolinos Homevideos“ beschreibt die Geschichte der Entstehung eines künstlerisch-anspruchsvollen Pornofilmes im Stil von Ingmar Bergmann, der in den skandinavischen Ländern ein großer Erfolg gewesen sein soll, zu dessen Existenz ich aber trotz eifriger Internet-Recherche nicht wirklich etwas herausfinden konnte. Ob jetzt der im Film beschriebene Arthouse-Porno also tatsächlich existiert, oder nur in den Köpfen findiger Marketing-Experten entstanden ist, kann an dieser Stelle also nicht wirklich garantiert werden. Aber ob dieser amüsante Streifen jetzt auch tatsächlich auf wahren Begebenheiten basiert oder rein fiktional ist, interessiert angesichts des durchaus gelungenen und sympathischen Endproduktes dann ja auch nur bedingt.
Die Geschichte von „Torremolinos 73“ bzw. dem biederen jedoch sehr sympathischen Pärchens, das über Nacht zu den Fixsternen des skandinavischen Erotik-Himmels aufsteigen ist dabei vor allem in der ersten Halbzeit ziemlich skurril und liebevoll ausgefallen. Die ersten Versuchen der beiden in dem bislang unbekannten Genre sind wirklich spaßig ausgefallen und die Wandlung der grauen Maus Carmen zur funkensprühenden Sexbombe und die des biederen Verkäufers zum anspruchsvollen Regisseur ist sehr kurzweilig ausgefallen. Jedoch kippt der Film ab der Halbzeit von der leichtfüßigen Komödie in eher dramatischen Gefilde. Der Kinderwunsch von Carmen wird immer stärker, scheitert jedoch an der Impotenz von Alfredo. Doch dieser ist mit seiner Filmproduktion viel zu sehr beschäftigt, als das er bemerken würde, wie sehr seine Gattin unter der Kinderlosigkeit und ihrer zunehmenden Bekanntheit leidet. Doch auch für Alfredo ist nicht alles eitel Wonne, als er erkennen muss, das sein künstlerisches Werk durch kommerzielle Eingriffe der Produzenten bedroht wird und seine geliebte Gattin mit einem anderen Darsteller eine pornografische Szene drehen soll. Dieses war bisher nur Alfredo vorbehalten und als Carmen diese dazu nutzen möchte, um schwanger zu werden, droht alles zu einem Fiasko zu werden. Trotzdem lässt Pablo Berger seinen Film nicht tragisch enden und lässt den Zuschauer dankenswerterweise in der Schlusssequenz mit einem Lächeln zurück.
Das diese spanisch-dänische Koproduktion aus dem Jahre 2003 auch so gut funktioniert, liegt neben der interessanten Geschichte natürlich an den grandiosen Darstellern. Javier Camara kennt der europäische Filmfan ja aus den grandiosen Werken von Pedro Almodovar. In „Torremolino 73“ spielt Camara erfrischend freizügig und uneitel seine Rolle des biederen Vertreters mit Hang zu Ingmar Bergman. Auch Candela Pena kennt man als drogensüchtige Mina aus dem Oscar-gekrönten Meisterwerk „Alles über meine Mutter“ von Almodovar. Diese verkörpert Carmen sehr ungekünstelt mit viel Mut zur nackten Haut und bringt die Wandlung der grauen Maus hin zum Pornostar auch sehr glaubwürdig . Bekanntestes Gesicht dürfte aber zweifelsfrei der dänische Darsteller Madds Mikkelsen als Magnus sein, der in dem letzten Bond-Streifen mit Daniel Craig den Bösewicht mimen durfte und auch hier als sensenschwingender Tod im Stil von Bergmans „Das siebte Siegel“ jedoch mit fleischlichen Gelüsten vollends zu überzeugen vermag. Und auch bei den restlichen Darstellern gibt es das ein oder andere Wiedersehen mit bekannten Gesichtern aus spanischen Filmen.
Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch die tollen Settings und Kostüme der Darsteller, die für knapp 90 Minuten die Siebziger abseits ausgetretener Schlaghosen-Disco-Gruseligkeiten aufleben lassen. Für mich als erklärten 70er-Jahre-Retro-Fan natürlich ein wahrer Augenschmaus, was hier von den Verantwortlichen aufgetrieben und gezaubert wurde. Der Film wirkt zu jeder Zeit und bis ins kleinste Detail als wäre er auch tatsächlich in der damaligen Zeit entstanden. Durch die Film- im Film-Thematik wird auch mit allerlei verschiedenen Stilmitteln eine hübsche Authentizität erzeugt. Interessant auch, wie Regisseur Berger die Intensität der Farben einsetzt um die Stimmungen seiner Protagonisten zu transportieren. Der Soundtrack ist ebenfalls stimmig und fügt sich nahtlos in das positive Gesamtbild ein. Und wer die Filme von Ingmar Bergman kennt, wird sich vor allem in der zweiten Halbzeit vor allem bei der Szene mit der Hochschaubahn vor Lachen fast in die Hose machen.
Die DVD aus dem Hause Acsot-Elite bzw. MFA bringt den 2003 entstandenen Film in einer sehr schönen Veröffentlichung, mit spanischen, deutschen, sowie französischen Ton, sowie deutschen und französischen Untertiteln. Die Bildqualität ist sehr gut, wurde halt aber teilweise auf 70er getrimmt, was jedoch zu keiner Sekunde störend ist. Die Tonqualität ist auch erste Sahne und bietet keinerlei Beanstandungen. Außerdem gibt es noch ein kurzes Making-of, in dem fast alle (spanischen) Beteiligten zu Wort kommen, den Trailer zum Film in spanischer und französischer Sprache, sowie eine Bildergalerie, ein Musikvideo und Biografien. Insgesamt eine sehr schöne Veröffentlichung eines kleinen, aber feinen Filmes, der vor allem Freunde des europäischen bzw. spanischen Arthouse-Kinos im Stile eines Pedro Almodovars begeistern dürfte. Die Geschichte ist luftig, aber niemals seicht, melancholisch aber niemals zu dramatisch und kippt niemals in lächerliche Slaptstick-Gefielde oder ergeht sich in derben Zoten, wie man anhand der Geschichte vielleicht vermuten könnte. Ein eigentlich leiser Film mit lauten Momenten und einem grandiosen Ensemble, allen voran die beiden Hauptdarsteller Javier Camara und Candela Pena. Ein Werk, dass sich zwischen die Stühle setzt und damit genau meinen Geschmack getroffen hat und daher gebe ich an dieser Stelle auch gerne 8,5 von 10 Punkten für diese gelungene spanische/dänische Koproduktion. Tipp!
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Cooles Review - Danke nochmals!!!
Sobald die Pics da sind, mache ich es mit fertig!
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Der Film ist wirklich sehr gelungen. Zwar nicht so witzig und wesentlich "leiser" als erwartet, aber genau mein Ding. Und für dich als Bergman-Fan sicher noch spassiger
Bilder folgen in Bälde - leider nimmt der AVS-Player auf meinem Läppi die DVD nicht. Aber das Problem lös ich auch noch
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Hmmm, liegt vielleicht am Kopierschutz - ist ja ärgerlich. Auf die schnelle fällt mir leider auch kein vergleichbares Programm ein.
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Sodele, Review ist auch Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4372
Danke nochmals!!!
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