project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Dieter ist 16 Jahre und wächst in einer konservativen Familie in einem noch konservativeren Ort namens New Ulm in Minnesota heran. Sein strenger Vater verbietet Fernsehen und sonstige negative Einflüsse und die Zeit vertreibt er sich daher mit seinem besten und auch einzigen Freund Philip. Eines Tages trifft Dieter auf den Deutschen Udo, der zu seiner religiösen Tante Anna gezogen ist. Doch Udo ist ein richtiger Taugenichts, faul und auch noch dem Alkohol sehr zugeneigt. Sehr zum Missfallen seiner bibelfesten Tante und auch den restlichen puritanischen Bewohnern. Doch Dieter ist von Udos sorgloser Lebensweise beeindruckt und freundet sich nach anfänglichen Differenzen mit ihm an.
Eines Tages gesteht Philip seinem einzigen Freund, dass er sich in ihn verliebt hat. Dieter ist mit diesem Geständnis und der Situation überfordert und läuft davon. Philip geht daraufhin nach Minneapolis, um dort ein neues Leben zu beginnen. Dieter sucht daraufhin vermehrt den Kontakt zu Udo, der arbeitslos und meistens betrunken bei seiner Tante wohnt. Als diese stirbt und Udo Geld hinterlässt kauft Udo einen teuren Sportwagen und lebt weiter in den Tag hinein. Dieters Eltern sind wenig erfreut vom neuen Freund ihres Sohnes, der schon morgens Alkohol trinkt und den ganzen Tag nichts zurande bringt. Als auch noch Gerüchte über eine angebliche Homosexualität von Udo aufkommen, verbietet der Dieters Vater weitere Kontakte zu dem Deutschen und es kommt zum Streit mit der Familie.
Doch Dieter ist nicht mehr das kleine Kind, dass sich alles von seinem konservativen Vater vorschreiben lässt und als der Vater handgreiflich wird, fasst er mit Udo den Plan, die verhasste Kleinstadt zu verlassen und Philip in Minneapolis zu besuchen. Der lebt mittlerweile in einem Abbruchhaus und geht auf den Strich um über die Runden zu kommen. Da Dieters Vater seinen Sohn als vermisst gemeldet und Udo des Kindesmissbrauchs bezichtigt hat, ist bald die Polizei hinter den Dreien her. Als Udo auch noch besoffen ausgeraubt wird, stehen die Drei vor dem Nichts. Dieter versucht selbst am Strich Geld zu verdienen und wird wegen illegaler Prostitution verhaftet. Von der homophoben Polizei wird er bedrängt, das Versteck von Udo zu verraten, doch aus Loyalität schweigt er und erträgt tapfer die Repressalien. Später gelingt ihm die Flucht und er kehrt zu den Beiden zurück. Philip ist mittlerweile schwer erkrankt und auch Udo möchte das Amerika, in dem er nicht Fuß fassen konnte, so schnell wie möglich verlassen. Dieters Familie hat ihn verstoßen, seine Ersatzfamilie bricht auseinander und so macht er sich neuerlich auf den Weg um (n)irgendwo ein neues Leben zu beginnen...
Das Drama „Amerika und (n)irgendwo“ aus dem Jahre 1996 beschreibt die Suche von drei homosexuellen Personen nach Geborgenheit, Halt, sexueller Befreiung und dem Sinn des Lebens. Dieter und Philip sind schwul und kommen aus einem erzkonservativen Umfeld, jenes ein Ausleben ihrer Sexualität unmöglich macht. Außer der gegenseitigen Freundschaft haben beide nicht viel und als Philip nach seinem Outing Hals über Kopf die Kleinstadt verlässt, bleibt Dieter allein zurück. Halt sucht er bei Udo, der jedoch mehr schlecht als recht versucht, seine eigenen Probleme im Alkohol zu ertränken. Gemeinsam starten sie die Flucht nach Vorne, die jedoch mangels vorangegangener Überlegung zu scheitern droht. Dieter muss erkennen, dass sein ehemaliger Freund Philip einen Weg eingeschlagen hat, den er nicht folgen kann und am Ende folgt die Erkenntnis, dass man in manchen Fällen die Vergangenheit und Familie einfach zurücklassen muss, um sein Leben selbst in die Hand nehmen.
Regisseur Keith Froelich hat mit seinem Werk „The Toilers and the Wayfarers“ (übersetzt etwas: „Die Arbeiter und die Wanderer) einen Film geschaffen, der zweisprachig in Deutsch und Englisch), sowie in grobkörnigen, teils schönen - teils trostlosen Schwarz/Weiß-Bildern die Geschichte eines jungen Mannes beschreibt, der sich auf den Weg macht um seinen Platz in der Gesellschaft zu finden und dabei auch schon mal vom rechten Weg abkommt. Dieter macht im Leben nicht nur positive Erfahrungen und sucht sich auch nicht nur positive Identifikationsfiguren. Udo wirkt zwar selbstsicher, ist aber dem Alkohol zugeneigt und kommt mit seiner Vergangenheit und seinem Leben selber nicht zurecht. Sein „American Dream“ erfüllt sich mangels persönlichen Einsatz leider nicht. Philip hingegen hat zwar seine Vergangenheit hinter sich lassen können, kann aber mangels Ausbildung in der Stadt nicht Fuß fassen und arbeitet als Stricher um nicht auf der Strasse zu landen. Als er schwer krank wird, wobei diese Krankheit nicht näher definiert wird, scheint aber auch sein Abstieg unvermeidlich.
Froelich verzichtet jedoch in „Amerika und (n)irgendwo“ dankenswerterweise auf eine moralische Wertung und auch der erhobene Zeigefinger wird nicht ausgepackt. Die Coming-of-Age-Geschichte ist nahezu klischeefrei inszeniert, was sich wohltuend von anderen Werken aus der gleichen und mittlerweile schon ziemlich vollen Schublade abhebt. So wird weder die bigotte Familie, das spießige Kleinbürgertum des sogenannten „White Trashs“, die Bigotterie, Alkoholismus, noch der auf den Strich gehende Philip oder der homophobe Polizist in irgendeiner Form verurteilt. Leider wird meiner Meinung nach, jedoch zuviel im Unklaren gelassen, wie z.b. die Krankheit bzw. das weitere Schicksal von Philip und auch warum ihn Dieter verlässt. Auch auf die weiter Zukunft von Udo mitsamt seinem Alkoholproblem und seiner Anzeige wegen Kindesmissbrauch oder –verführung wird nicht näher eingegangen.
Skurril ist aber auf jeden Fall die Stadt in dem der Film spielt. New Ulm, benannt nach der gleichnamigen Stadt in Deutschland, ist eine von deutschen Auswanderern gegründete Stadt in Minnesota, die 145 km südwestlich von Minneapolis gelegen ist. Die knapp 14.000 Bewohner sind überwiegend deutscher Abstammung, weshalb dort u.a. auch das Oktoberfest jedes Jahr ausgiebig gefeiert wird. „White Trash“ würde der durchschnittliche Amerikaner wohl urteilen und eher verächtlich reagieren. Viele Bewohner sind aber daher auch der deutschen Sprache mächtig und in der Schule wird diese Sprache auch unterrichtet. Wo allerdings deutsche Spießigkeit jedoch mit religiösen Werten zusammentreffen, kann sich natürlich für junge Leute kein gesundes Klima bilden. Kein Wunder also, dass alle Beteiligten im Film den konservativen Ort hinter sich lassen.
Es muss aber auch gesagt werden, dass es sich bei „Amerika und (n)irgendwo auch um eine Indie-Produktion, bzw. um einen sogenannten No-Budget-Film handelt, was man dem Film teilweise auch ansieht. Gedreht wurde teilweise in den Privathäusern der Darsteller und auch die Ausstattung ist teilweise doch sehr spärlich. Wohl mit auch ein Grund, warum der Film in S/W gedreht wurde. Bei den Darstellern hat man teilweise ein glückliches Händchen bewiesen. Vor allem Matt Klemp als Dieter und Andrew Woodhouse als Philip spielen ihre Rollen eindrucksvoll und bieten keinen Anlass zur Kritik. Leider nicht überzeugt haben mich jedoch Ralf Schirg als Udo, oder auch Joan Wheeler als streng-gläubige Tante die leider zu oft jenes aussprechen, was sich in deren Gedankenwelt gerade so tut. Herr Schirg sollte vielleicht auch noch mal ein paar Übungs-Biere trinken, damit er weiß, wie man einen Betrunkenen glaubhaft spielt. Dennoch überwiegen dank von Kameramann James Frank Tittle schön fotografierten Bildern durchwegs die positiven Leistungen.
„The Toilers and Wayfarers“ ist auch der bislang einzige Film von Regisseur und Drehbuchautor Keith Froelich, der ansonsten nur mit einer Handvoll Kurzfilme in Erscheinung getreten ist. Der Film lief auf einiges Schwulen- und Lesbenfilmfestivals und hat es sogar im Jahre 1996 ins Programm der Berlinale geschafft. Trotzdem handelt es sich doch um einen Film, der weitgehend unbekannt ist und meinem Lieblingslabel CMV-Laservision ist es zu verdanken, dass der Film nun die Möglichkeit kommt, ein breiteres Publikum im deutschsprachigen Raum anzusprechen. Dieses wird zwar vorwiegend bei der lesbischwulen Community zu finden sein, aber auch Freunde von amerikanischen Independent-Kino könnten mit „Amerika und (n)irgenwo“ ihre Freude haben. CMV-Laservision bringt diesen amerikanischen Underground-Film im deutsch-englischen Ton, wobei die englischen Sprachpassagen optional untertitelt sind. Die Qualität der S/W-Bilder ist eher mittelmäßig, welches jedoch offensichtlich vom Regisseur so gewünscht ist. Der Ton hingegen ist gut gelungen und auch der Soundtrack von Chan Poling ist stimmig. Neben dem Originaltrailer gibt es noch weiteres Bonusmaterial in Form eines Audiokommentares des Regisseurs und Probeaufnahmen. Außerdem gibt es noch eine unkommentierte, knapp 10minütige Featurette über die Dreharbeiten, in dem die Mitwirkenden im Hintergrund, Produzenten, sowie der Kameramann ein paar Statements abgeben dürfen. Abgerundet wird die VÖ mit weiteren Trailern aus der Coming-of-Age-Reihe aus dem Hause CMV-Laservision.
Unterm Strich bleibt eine amerikanische Indie-Produktion aus dem Jahre 1996, die sehr ambitioniert und ungewöhnlich den Weg eines jungen, schwulen Mannes, der gerade dabei ist, sich selbst und seinen Platz im Leben zu finden. Ein Film mit Homo-Teilthematik der lobenswerterweise auf zu explizite und klischeehafte Darstellung verzichtet und in dem vieles nur angedeutet und unausgesprochen bleibt. Ein ruhiger und unaufgeregt inszenierter Film über durchaus ernste Themen, der jedoch nie zu sehr ins Dramatische kippt, sondern seine Geschichte in einem skurrilen Umfeld teils auch humorvoll erzählt. Leider gibt es darstellerisch einige Abstriche zu machen und die Story über erzkonservative Eltern, orientierungslose Jugendliche und schwule Stricher im Deutsch-/Amerikanischen Umfeld ist weder neu, noch wird sie vermutlich jeden ansprechen. Und das der Film auch noch zweisprachig bzw. mit Untertiteln daherkommt, wird die angesprochene Zielgruppe wohl nochmals reduzieren. Trotzdem ein durchaus interessanter Film mit ungewöhnlicher Inszenierung, der mit einigen Abstrichen durchaus begeistern vermag. Ein Film - nicht nur für die Regenbogen-Community - den man also durchaus gesehen haben kann.
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@ jogiwan
Danke für das Review, ich mach es heute Abend mit fertig, da auch noch von mir eins Online geht .
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@ Jogiwan
Review ist nun auch Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4324 - Danke nochmals dafür!!!
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