project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Peggy Gravel (Mink Stole) kehrt nach einem längeren Sanatoriums-Aufenthalt zu ihrem Gatten Bosley und ihren beiden Kindern zurück. Die gute Dame leidet gleich unter mehreren Neurosen und selbst der behandelnde Arzt hegt große Zweifel an der Genesung. Doch Bosley ist davon überzeugt, dass ein paar ruhige Tage im trauten Heim in der Vorstadt von Baltimore wohl das beste für Peggy wäre. Doch anstatt sich zu erholen, fühlt sich Peggy von den Nachbarskindern und anonymen Anrufern bedroht. Als sie dann auch noch die eigenen Kinder beim Doktorspielen erwischt, schmeißt sie die Nerven vollends weg. Als Bosley versucht sie mit einer Spritze zu beruhigen, attackiert Peggy ihn mit Chanel Nr. 5 und schlägt ihn mit einer Flasche nieder. Die herbeigerufene Haushaltshilfe Grizelda (Jean Hill), die ihrerseits noch eine Rechnung mit Bosley offen hat, erstickt den bemitleidenswerten Mann im Affekt mit ihrem großen Hintern. Als die beiden sehen, was sie getan haben, bekommen Peggy und Grizelda die Panik und flüchten mit dem Familien-Mercedes.
Wenig später ist die Flucht auch schon wieder fast zu Ende, als die beiden in einem Wald außerhalb von Baltimore von einem Motorrad-Polizisten gestoppt werden. Doch anstelle die beiden „Sisters in Crime“ auf der Stelle zu verhaften, zeigt der Polizist den beiden schockierten Damen lieber seine neue Damenunterwäsche, die der gute Herr unter seiner Uniform trägt. Er stellt Peggy und Grizelda ein Ultimatum: entweder sie werden verhaftet, oder er lässt die beiden nach Herausgabe ihrer Unterwäsche nach Mortville flüchten. In ihrer Angst willigen Peggy und Grizelda ein und flüchten in diesen ominösen Ort. Dort angekommen entpuppt sich Mortville jedoch als äußert unfreundlicher Ort voller obskurer Gestalten, Verbrecher, Nudisten und anderen moralisch-bankrotten Figuren, die von der Gesellschaft ausgestoßen wurden. Bei der Suche nach einem Zimmer treffen die beiden auf die Lesbe Mole (Susan Lowe), die zusammen mit ihrer Freundin Muffy (Liz Renay) seit Jahren in Mortville lebt und Zimmer vermietet. Mole ist extrem gewaltbereit und hat vor etlichen Jahren im Ring einen Wrestler erschlagen, während Muffy in Rage die Babysitterin ihres Kindes ermordet, weil diese in Muffys Abwesenheit eine Party gefeiert hat, und ihr Kind in den Kühlschrank gesteckt hat.
Doch bevor sich Peggy und Grizelda in dem neuen Zimmer gemütlich machen können, werden die Beiden von Ledermännern entführt und auf das Schloss von Queen Carlotta gebracht. Die beiden Neuankömmlinge müssen erfahren, dass Queen Carlotta (Edith Massey) in diesem gesetzlosen Ort ein strenges Regiment führt und jeder, der in die Stadt kommt, sich an gewisse Regeln halten muss. Die Bewohner müssen ein Leben in ständiger Demut führen, zur Belustigung der Besucher abscheuliche Klamotten tragen und sich auch streng an die willkürlichen Befehle der Herrscherin halten. Doch auch die Queen hat so ihre Probleme. Ihre Tochter, Prinzessin Coo-Coo (Mary Vivian Pearce) hat sich nämlich in einen Mann verliebt. Leider wenig standesgemäß in einen Nudisten-Müllmann Herbert. Carlotta ist diese Liason natürlich ein Dorn im Auge und sie verbietet Coo-Coo weiter mit Herbert zu treffen und verordnet ihrer Tochter Hausarrest.
Wenig später überschlagen sich die Ereignisse in Mortville. Mole gewinnt mit einem Lotterielos 1000 Dollar und nutzt diese ohne Muffys Einverständnis für eine Geschlechtsumwandlung. Prinzessin Coo-Coo flüchtet aus dem Palast zu Herbert in die Nudisten-Kolonie, der wenig später von Carlottas Ledermännern erschossen wird. Coo-Coo flüchtet mit dem toten Herbert in das Zimmer von Peggy und Griselda. Wenig später werden sie entdeckt und von Carlottas Männern festgenommen. Carlotta ist die Stadt und ihre ungehorsamen Einwohner schon längst ein Klotz am Bein und sie beschließt mit Hilfe von Tollwut die Stadt ein- für allemal auszurotten. Doch die Bewohner von Mortville sind ihrerseits nicht mehr gewillt, die willkürlichen Befehle von der exzentrischen Herrscherin auszuführen. In einer Schicksalshaften Nacht kommt zum Aufstand der Freaks…
Im finalen Teil der sogenannten Trash-Trilogie dreht John Waters noch einmal auf und klatscht dem Zuschauer abermals eine geballte Ladung an Derbheiten und Geschmacklosigkeiten ins Gesicht. Kleinkinder werden in Kühlschränke gesperrt, Selbstkastration, Kannibalismus, Nekrophilie, Augen werden ausgeschlagen und zerstampft, Männer mit großen Hintern erstickt und Babysitter mit dem Gesicht voraus in den Hundenapf gesteckt. Alles wie üblich immer sehr grafisch und wenig verhalten in Szene gesetzt. Wie schon bei seinen Vorgängerfilmen nimmt John Waters wenig Rücksicht auf die Gefühle oder moralischen Bedenken des Zuschauers. Zugegeben, ein Kleinkind in einen Kühlschrank zu stecken muss ja wohl wirklich nicht sein und brachte dem Regisseur auch einiges an negativen Stimmen ein. Und die Zuschauer gerieten noch mehr in Rage, als sie erfuhren, dass diese Szene auch erst beim zweiten Take im Kasten war.
Leider muss an dieser Stelle auch gesagt werden, dass „Desperate Living“ von allen drei Teilen der Trash-Trilogie meiner Meinung nach doch am Schwächsten ausfällt. Laut eigenen Aussagen war John Waters beim Verfassen des Drehbuches ausnahmsweise mal nicht high, sondern im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte. Und leider hat sich das anscheinend auch auf den Humoranteil ausgewirkt. Während „Pink Flamingos“ und „Female Troubles“ neben einer grotesken Handlung auch noch einige Schenkelklopfer und legendäre Sprüche beinhalteten, so hat „Desperate Living“ humortechnisch leider recht wenig zu bieten. Und auch die größtenteils unsympathischen und hysterischen Charaktere, obwohl überzeichnet wie eh und je, sind dieses Mal meiner Meinung auch nicht so wirklich gelungen. Die episodenhaft-angelegte Geschichte über die drei unterschiedlichen Frauen-Verhältnisse Peggy & Grizelda, Mole & Muffy, sowie Carlotta & Coo-Coo kommt leider nicht so richtig in die Gänge und wurde wie die Idee des gottlosen Ortes Mortville weitgehend verschenkt. Die Geschichte erinnert entfernt an eine groteske Variante von „Alice im Wunderland“, in der Alice jedoch schwer neurotisch, der Hase lesbisch und die Herzkönigin noch bösartiger als in der Originalvorlage ist.
Vor allem die spuckende und fluchende Mole ging mir doch bei aller Liebe zu Waters obskuren Charakteren bald mal gehörig auf den Zeiger. Deren Darstellerin Susan Lowe war ja eigentlich zu damaligen Zeiten eine bildhübsche Frau, die für ihre Rolle jedoch auf extra-herb und männlich gestylt wurde. Angeblich so sehr, dass sogar die eigenen Kinder ihre Mutter nicht mehr erkannten. Susan Lowe rotzt und schimpft dann auch durch die Gegend, dass es nur so kracht und jeder italienischer Betonmischer vor Neid erblassen würde. Anscheinend wäre die Rolle der Mole eigentlich für Divine gedacht gewesen, der jedoch zu dieser Zeit gerade auf Tournee befand und somit verhindert war. Das verwundert eigentlich, da die Rolle der Grizelda doch eher an Divine erinnert. Leider sind beide Damen vom schauspielerischen Talent und vom Charisma her meilenweit von den Künsten eines Divine entfernt. Auch Langzeit-Weggefährte David Lochary stand nicht mehr zur Verfügung, da dieser kurz vor den Dreharbeiten im GHB-Rausch in ein Weinglas fiel und verblutete.
So bleibt auf der Haben-Seite nur noch Edith Massey als exzentrische Carlotta, die auch wieder einmal ordentlich aufdreht. Mary Vivian Pearce als Coo-Coo ist ja ohnehin immer gern gesehen, Cookie Mueller mag man auch. Herausragend und zu erwähnen ist aber auch noch die berüchtigte Liz Renay. Die gute Dame war zu Veröffentlichungszeiten ziemlich bekannt und konnte auf ein aufsehenerregendes Leben zurückblicken. Herangewachsen bei ultrakonservativen Eltern, riss sie in jungen Jahren von zuhause aus um einen Marylin-Monroe-Look-a-like-Contest zu gewinnen. Während des zweiten Weltkrieges wurde sie Stripperin und bekanntes Pin-up-Girl. Wenig später wurde sie verhaftet und schrieb im Gefängnis ihre Memoiren. Wieder auf freien Fuß initiierte die werte Damen den ersten Mutter-Tochter-Strip und wurde bekannte und freizügige Schauspielerin in seltsamen Filmen, ehe sie im Jahre 2007 an inneren Blutungen starb.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängerwerken wurde „Desperate Living“ jedoch nicht von Waters selbst, sondern von der Produktionsfirma „Charm City Productions“ finanziert. Mit 65.000,-- Euro stand erstmalig auch ein größeres Budget zur Verfügung, welches man dem Film dann auch ansieht. So gibt es für die Titelsequenz mit der gekochten (!!!) Ratte auch erstmalig ein eigenes Soundtrack-Stück und auch die Sets wirken teilweise wirklich schon sehr professionell. „Desperate Living“ war aber im Jahre 1977 auch John Waters Abschied vom undergroundigen Trash-Film. Die Werke, die danach folgten bieten zwar immer noch den subtilen Humor von John Waters, jedoch in weit abgeschwächter Form und wesentlich näher am Mainstream. „Polyester“ bietet nochmal einen tollen Divine als alkoholkranke und gläubige Frau eines Pornokinobesitzers, die sich mit allerlei Schicksalsschlägen abfinden muss. „Hairspray“ und „Cry Baby“ sind dann aber bereits gänzlich massentauglichere Werke mit Stars und großen Budget.
Wie schon die beiden anderen Teile der Trash-Trilogie, ist „Desperate Living“ aber nie im europäischen Raum erschienen. Die amerikanische DVD aus dem Hause New Line Cinema bietet den trashigen Film von John Waters in guter Bild und Tonqualität in Mono, sowie neuerlich mit englischen Untertiteln, die teilweise wieder recht hilfreich sind. Als Bonus gibt es neben dem Trailer allerdings nur einen abermals launigen Kommentar von John Waters und Liz Renay, der jedoch nicht gemeinsam aufgenommen wurde, sondern nachträglich zusammengeschnitten wurde. Und während John Waters sich mehr auf den Film bezieht, ist der Kommentar von Liz mehr auf ihr Leben und die damalige Zeit bezogen. Interessant ist er jedoch allemal.
Abschließend bleibt zu sagen, dass John Waters mit seiner Trash-Trilogie drei sehr unkonventionelle Filme gedreht hat, von denen 2 auch in meiner persönlichen Trash-Top-10 ganz vorne mitmischen. Der finale Teil „Desperate Living“ hält leider nicht das hohe Level seiner beiden Vorgänger und kann von meiner Seite daher auch nur eingeschränkt empfohlen werden. Die Ideen sind zwar wild, die Charaktere schräg, jedoch ist die Geschichte irgendwie nicht so der Bringer und auch die Leistungen der Darsteller sind nicht annähernd so hysterisch und eindrucksvoll, wie die einer Divine. Irgendwie will der Funke trotz interessantem Beginn während der ganzen Laufzeit nicht so richtig auf das Publikum überspringen. Trotzdem ein Werk, dass man in heutigen Zeit so nicht mehr drehen könnte, ohne das mehrere Vereinigungen auf die Barrikaden steigen würden. Und da es die Scheibe jedoch auch zum Sparbudget-Preis bei den üblichen Verdächtigen erhältlich ist, kann man dem Film schon eine Chance geben. Skurriler, humorvoller und kurzweiliger sind aber definitiv die anderen Beiden. Und daher gibt es an dieser Stelle für „Desperate Living“ schweren Herzens auch nur magere 5 von 10 Mülltonnen.
Beitrag geändert von jogiwan (15.August 2008 15:21:58)
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Coole Sache - Dank für das Review!!!
Geht heute Abend mit Online .
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@Jochen,
Danke nochmal für das Review - ist nun auch Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4081
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