project: equinoX Forum

Die übergewichtige Dawn Davenport ist eine übergewichtige Schülerin an einer High-School in Baltimore. Doch anstatt für Geschichte und Geografie interessieren sich Dawn und ihre beiden besten Freundinnen Concetta und Chicklette lieber für Mode und Kosmetik. In der Freizeit geht sie auf den Strich um ihr Taschengeld ein wenig aufzubessern und die Schule würde sie ohnehin am liebsten abfackeln. Als sich Dawn von ihren Eltern zu Weihnachten ein paar hochhakige Schuhe wünscht und anstelle dessen flache Treter geschenkt bekommt, läuft sie Amok, schmeißt Mutter mitsamt Weihnachtsbaum durch die Gegend, beschimpft den Vater, reißt von zuhause aus und lässt sich auf ihrer Flucht vom erstbesten Typen (ebenfalls Divine) schwängern. Neun Monate später bringt Dawn in einer miesen Absteige ihre Tochter Taffy auf die Welt.Die folgenden Jahre versucht Dawn mehr oder weniger erfolglos als Kellnerin und Tänzerin ihr Geld zu verdienen. Taffy ist mittlerweile herangewachsen, ist jedoch geistig zurückgeblieben und entpuppt sich als wahre Nervensäge. Die überforderte Dawn weiss sich nicht anders zu helfen, als die ungehorsame Tochter zu schlagen und ans Bett zu fesseln.

Dawn Davenport: “I've done everything a mother can do: I've locked her in her room, I've beat her with the car aerial. Nothing changes her. It's hard being a loving mother!”

Durch ihre Freundinnen Concetta und Chicklette erfährt sie von einem exklusiven Schönheits-Salon namens „The Lipstick-Beauty-Salon“, in dem die beiden Stammkundinnen sind. In diesem, von den beiden exzentrischen Besitzern Donna und Donald Dasher geführten Etablissement finden nur die außergewöhnlichsten Kundinnen Einlass um dort von den männlichen Angestellten nach allen Regeln der Kunst verschönert zu werden. Dawn besteht den Aufnahmetest gegen drei Konkurrentinnen und verliebt sich prompt in den Friseur Gater, der in der Nachbarschaft zusammen mit seiner extravaganten Tante Ida (Edith Massey) wohnt. Wenig später heiraten die Beiden, sehr zu Missfallen von Tante Ida, die ihren geliebten Gater lieben in den Armen eines homosexuellen Jünglings sehen würde.

Tante Ida: „The world of the heterosexual is a sick and boring life. Queers are just better. I'd be so proud if you was a fag.”

Doch das Familienleben entpuppt sich alles andere als harmonisch. Die geistig-zurückgebliebene Tochter ist nach wie vor eine Nervensäge, Gater ist dem Alkohol und anderen Frauen zugeneigt und Tante Ida sorgt für zusätzlichen Stress und Terror. Nur im Beauty-Salon kann Dawn noch abschalten, denkt mittlerweile jedoch laut über eine Scheidung nach. Wenig später erhält Dawn von den beiden Dashers ein sensationelles Angebot. Die beiden haben eine Theorie, in der Schönheit und Kriminalität untrennbar miteinander verbunden sind und möchten nun Dawn als Modell für ihre morbiden Fotos. Dawn willigt ein, verlangt aber im Gegenzug, dass Gater als Beauty-Stylist gefeuert wird, was auch prompt erfolgt. Als dieser von seiner Kündigung erfährt, beschließt er spontan nach Detroit zu gehen um bei der dortigen Autoindustrie am Fließband zu arbeiten. Vorher schaut er noch schnell bei Dawn vorbei und verpasst ihr ein Veilchen. Wenig später stehen die Dasher vor der Tür um mit Dawn über ihre Pläne zu sprechen. Als die beiden das blaue Auge von Dawn sehen, sind die beiden hoch erfreut und machen eifrig Fotos. Taffy randaliert und wird von ihrer Mutter mit einem Stuhl niedergeschlagen. Als dann auch noch die erzürnte Tante Ida auf der Matte steht und Dawn auch noch einen Becher Säure ins Gesicht schüttet, sind die Dashers hellauf begeistert.

Tante Ida: „You made Gater leave! I got somethin for your face, motherfucker!”

Als Dawn im Krankenhaus das erste Mal ihre Verätzungen sieht, ist sie zwar schockiert, doch die Dashers sind fasziniert von Dawns entstellten Gesicht und planen für ihr Modell eine internationale Karriere. Das Zuhause von Dawn haben die beiden Exzentriker komplett umdekoriert und auch noch Ida entführt und in einen Käfig gesperrt. Dawn nimmt Rache an Ida und hackt ihr die Hand ab. Donald macht eifrig Fotos und setzt Dawn unter Drogen. Einige Tage darauf soll in einem schmierigen Theater bereits eine große Show mit Dawn stattfinden. Doch als kurz vor der Show Ida von der mittlerweile zu den Hare Krishas konvertierte Taffy befreit wird und auch die Show in einer gröberen Katastrophe endet, läuft für Dawn entgültig alles vollkommen aus dem Ruder...

Dawn Davenport: „Davenport. Dawn Davenport! I'm a thief and a shitkicker, and, uh… I'd like to be famous…”

Haha, auf so etwas muss man erst mal kommen. Eigentlich wünscht sich der modebewusste Teenager Dawn Davenport ja nur hochhakige Schuhe von ihren Eltern zu Weihnachten. Doch als sie flache Treter bekommt, läuft das besinnliche Weihnachtsfest vollkommen aus  der Bahn. Was dann folgt ist der eindrucksvolle Leidensweg einer von der glitzernden Modewelt verblendeten Frau von der geschwängerten Schülerin bis hin zur entstellten Massenmörderin am elektrischen Stuhl. Mitunter hält das Leben ja einige unliebsame Überraschungen parat und Dawn trifft es mit zurückgebliebener Tochter, ihrer Arbeitslos- und unwilligkeit, sowie untreuem Ehemann auch ziemlich hart. Als sie dann von den exzentrischen Schönheitssalon-Besitzern ein zweifelhaftes Angebot erhält, sieht Dawn ihre große Chance gekommen, schlittert aber noch weiter in kriminelle Sphären, verliert aufgrund der Dasher-ischen Gehirnwäsche schlussendlich vollkommen den Verstand und landet als verurteilte Massenmörderin am Elektrogrill.

Aber keine Sorge, natürlich ist die Verfilmung von Dawn Davenports Leben alles andere als ein handfestes Drama, sondern viel mehr eine absolut groteske Komödie über den Schönheitswahn unserer Gesellschaft, in der man sich vor allem in der ersten Halbzeit vor Lachen gar nicht mehr halten kann. Den im Gegensatz zu Film, Funk und Fernsehen, die uns schon seit Jahrzehnten ein vermeintliches Schönheitsideal aufs Auge drücken möchten, wählt John Waters einen anderen Weg. In „Female Trouble“ ist das Hässliche, das Groteske und die Gewalt in den Augen der extravaganten Dashers etwas Schönes und Erstrebenswertes und Dawn das willige Opfer. Und wieder einmal wurden unglaubliche Geschmacklosigkeiten und abartigste Dinge in den Film gepackt. Da wird mal Zeuge einer grotesken Geburt in einem heruntergekommenen Hotelzimmer, diversen ungewöhnlichen Sexszenen, körperliche und psychische Gewalt gegen aufmüpfige und pubertierende Kinder, Säureattacken und höchst-zweifelhafte, künstlerischen Darbietungen mit toten Fischen. Allerdings halten sich die plakativen Schockeffekte im Gegensatz zum „Pink Flamingos“ doch etwas  zurück und machen Platz für jede Menge haarsträubender Dialoge und Derbheiten zwischen den Darstellern, in der einige Zitate zu Recht absoluten Kultstatus haben.

Taffy: „I´m not retarded“
Dawn: “Oh yes you are, Miss Taffy. I had you tested when you were a little girl. A staff of doctors examined you and maybe the reason you don't remember is that you are most definitely retarded."

„Female Trouble“ ist ein Film, der wie schon sein Vorgänger vollkommen auf die grandiosen Künste von Divine zugeschneidert wurde. Der verkörpert die tragischen Figur der ähm... bemitleidenswerten Dawn auch mit einer solchen Inbrunst, dass man nur noch staunen kann. Egal ob als lernunwilliger Teenager, gelangweilte Ehefrau oder durchgeknallte Gefängnis-Lesbe. Divine nimmt man einfach alles ab. Der US-amerikanische Künstler kam ja ursprünglich mal unter den Namen Harris Glen Milstead in einem Vorort von Baltimore zur Welt und lernte während seiner Schulzeit den angehenden Filmemacher John Waters kennen und wurde zu seiner Muse. Über die Jahre entstand im Umfeld des Regisseurs, David Lochary und dem Travestiten Divine ein aufstrebendes Künstlerkollektiv namens „the Dreamlanders“, welches sich aus künstlerisch-ambitionierten Personen aus der Underground-Szene von Baltimore zusammensetzte und die auch ab dem Jahre 1964 erste Kurzfilme realisierte, die mit dem Trash-Klassiker „Pink Flamingos“ auch ihren geschmacklosen Höhepunkt fand. Divine verkörperte in mehreren Filmen die Hauptrolle, ging auf zahlreiche Tourneen und wurde ab 1980 auch ein umjubelter Disco-Star mit so bekannten Hits wie „Shoot your shoot. Legendär auch seine Aussage: „All my life I wanted to look like Elizabeth Taylor. Now Elizabeth Taylor looks like me." Im Jahre 1988 forderten Drogen, Alkohol und das Übergewicht jedoch seinen Tribut. Divine verstarb an Herzversagen und Atemstillstand in einem Hotelzimmer in Los Angeles.

Ganz groß aber auch wieder einmal Edith Massey als unkonventionelle Tante Ida, deren sehnlichster Wunsch es wäre, dass ihr Neffe Gater doch nur homosexuelle Neigungen hätte. Die heterosexuelle Welt ist in ihren Augen vor allem eines: abartig und zutiefst langweilig. Ein bemitleidenswertes Schicksal mit Familie und Kindern, sowie einem langweiligen Job würde er sich so ersparen. Und das sie selbst dann auch noch in sehr freizügigen und viel zu engen Klamotten durch die Gegend rennt war im prüden Amerika der 70er-Jahre sicher alles andere als alltäglich. Ihre Sprüche über die Vorteile der homosexuellen Lebensweisen sind ja mittlerweile legendär. Als ihr geliebter Neffe aufgrund von Dawn seinen Job verliert und nach Detroit gehen möchte, bricht für sie eine Welt zusammen und sie entschließt sich zu einem Säureattentat mit schwerwiegenden Folgen.

Für die Dreharbeiten zu diesem politisch hoffnungslos unkorrekten Streifen stand John Waters nach dem Erfolg von „Pink Flamingos“ auch erstmalig ein größeres Budget zur Verfügung. Die Sets wirken zwar immer noch etwas improvisiert, aber größtenteils sind sie sehr gelungen. Ein Großteil der Entstehungskosten ging dann ja auch für die extravaganten Frisuren und Outfits der Darsteller drauf. Und die sind wie der Rest des Filmes natürlich komplett übertrieben. Genauso wie die psychische und physische Gewalt gegenüber Kinder, die hier mehrfach angedeutet und auch gezeigt wird. Waters selbst findet das in seinem launigen Audiokommentar natürlich selber komplett inkorrekt. Das Kind, das Dawn Davenport im Hotelzimmer zur Welt bringt, ist übrigens das von Susan Lowe, die auch hochschwanger in einer Szene als Rezeptionistin des Beauty-Salons zu sehen ist. Das ganze Drehteam wartete schon heiss auf die Niederkunft um diese Szene mit dem Neugeborenen drehen zu können, das nachträglich nochmals mit Kunstblut (!!!) eingeschmiert wurde. Heutzutage natürlich komplett undenkbar.

Was mich aber am meisten verwundert, ist die Tatsache, dass dieser schwer unterhaltsame Streifen in unseren Breiten leider beinahe gänzlich unbekannt ist. Während „Pink Flamingos“ zumindest vielen vom Titel her noch ein Begriff ist, ist „Female Trouble“ den meisten weitgehend wohl kein Begriff. Eigentlich ein Frevel, denn der Streifen rockt, macht Laune und ist vor allem in der ersten Halbzeit schwer unterhaltsam. Aber selbst, wenn er gegen Ende die eine oder andere Länge hat, so ist gesamt gesehen „Female Trouble“ meiner Meinung der Streifen, der die darstellerischen Leistungen der Dreamland-Crew, trashige Sets und Outfits, sowie die unkonventionellen Ideen von John Waters am Besten und Kurzweiligsten miteinander verknüpft.
Eine europäische DVD gibt es natürlich wieder einmal nicht und Fans und solche die es noch werden wollen, müssen neuerlich auf eine RC1-DVD aus den Staaten zurückgreifen. Diese bringt den Film mit NC-17-Rating in annehmbarer Bild- und Tonqualität und dankenswerterweise auch mit englischen Untertiteln, die viele der zotigen Derbheiten („filthy hetero-stink-shit“) erst so richtig verständlich machen. Als Extra gibt es den Original-Trailer, sowie einen unterhaltsamen, teils sehr witzigen aber auch leicht melancholischen Audiokommentar von John Waters. Da auch „Female Troubles“ für kleines Geld erhältlich ist, kann die Scheibe eigentlich nur empfohlen werden.

„Female Trouble“ ist eine bitterböse und bissige Komödie über Schönheitswahn und neuerlich ein Schlag ins Gesicht von prüden Mitmenschen und ihren veralteten Moralvorstellungen, der auch noch 30 Jahre nach seinem Erscheinen den Zuschauer erheitern vermag. Ein absolut grandioser Divine, ein halbwegs durchdachtes Drehbuch, ultraskurrile Charaktere am laufenden Band und legendäre Zitate machen aus dem Film ein trashiges Kunstwerk, das „Pink Flamingo“ um nichts nachsteht. Filmhistorisch gesehen vielleicht nicht so wichtig wie sein Vorgänger, vom Unterhaltungswert gesehen toppt „Female Troubles“ jedoch meiner bescheidenen Meinung jeden anderen John Waters Film um Längen und daher gibt es an dieser Stelle auf mit 10 von 10 Mülltonnen neuerlich die Höchstwertung für dieses kontroverse Teil. Und nie vergessen: nice girls don´t wear cha-cha-heels!

Beitrag geändert von jogiwan (13.August 2008 12:53:03)