project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die Kriminelle Divine (Divine) lebt unter dem Pseudonym Babs Johnson zusammen mit ihrer geistig-zurückgebliebenen Mutter Edie (Edith Massey), ihrem perversen Sohn Cracker (Danny Mills) und ihrer voyeuristischen Weggefährtin Cotton (Mary Vivian Pearce) in einem heruntergekommenen Wohnwagen am Rande von Baltimore. Mutter Edie lebt in einem Laufstall und ist nach Eiern süchtig, während Cracker eine dubiose Vorliebe für Federvieh sein Eigen nennt. Mit seiner bizarren Neigung erschreckt er immer wieder unbedarfte Mädchen. Sehr zur Freude von Cotton, die es liebt, Cracker bei seinen bizarren Sex-Spielchen zu beobachten. Eines Tages wird Dvine von der örtlichen Regenbogenpresse zur dreckigsten und anrüchigsten Person des Planeten gewählt und mit einem großen Foto auf der Titelseite abgedruckt. Dieses erweckt jedoch den Neid von Conny (Mink Stole) und Raymond (David Lochary) Marbles, die ihrerseits den Titel der anrüchigsten Personen weltweit beanspruchen möchten. Und die ebenfalls durchgeknallten Marbles stehen Divine und ihrer Truppe auch nicht wirklich nach. Neben einem Heroinring für Grundschulkinder und einigen Sexshops führen die Marbles auch noch eine gutgehende „Adoptionsklinik“ für reiche Lesbenpaare. Zu diesem Zweck werden Schulmädchen entführt, unter Drogen gesetzt, von Butler Channing geschwängert, bis zur Entbindung in den dreckigen Keller gesperrt und danach einfach liegengelassen.
Die Marbles heuern eine Spionin namens Cookie (Cookie Mueller) an, die mit Cracker ins Bett steigt, um mehr über Divine und ihrem täglichen Tagesablauf herauszufinden. Als die beiden erfahren, dass eine große Geburtstagsparty ansteht, schicken die beiden Divine ein hübsch verpacktes Stück menschlichen Exkrements ins Haus. Divine ist im hochgradig erzürnt, hat aber bereits von dem Ablösungs-Plänen der Marbles als dreckigste und anrüchigste Person der Welt gehört. Selbstverständlich ist sie aber nicht bereit, ihren mühsam erworbenen Titel so einfach an zwei dahergelaufen „Teilzeit-Perverse“, wie den beiden Marbles abzugeben. Als die beiden auch noch ihren Wohnwagen in Schutt und Asche legen, zieht Divine mit ihrer Familie sämtliche Register an krimineller Energie um die Fronten zu klären und ihren Titel ein für alle Mal zu verteidigen...
"one of the most vile, stupid and repulsive films ever made" - daily variety
Um den Film „Pink Flamingos“ gebührend zu beschreiben, muss ich an dieser Stelle mal etwas weiter ausholen. Ende der Sechziger/Anfang der Siebziger, zu einer Zeit, als es noch keine Videokassetten und DVDs gab, fingen einige findige Kinobesitzer an, unkonventionelle und experimentelle Filme um Mitternacht in ihren Kinos zu zeigen. Und wider Erwarten zogen diese grellen, lauten, tabubrechenden und die Zensur-strapazierenden Filme auch die Massen an. Die gezeigten Filme avancierten zum Kult, den man einfach gesehen haben musste. Filme die abseits des Kino-Mainstreams gedreht wurden und nicht von findigen Marketig-Experten oder Studios, sondern von den Kinobesuchern selbst zum Kult erhoben wurden. Oftmals waren diese Filme, wie z.B. George A. Romeros „Night of the living dead“ auch durchaus politisch.
Und in eben dieser Zeit gab es einen jungen, wilden Regisseur aus Baltimore namens John Waters, der mit 5000 von seinem Vater geborgten Dollars einen trashigen S/W-Film namens „Multiple Maniacs“ gedreht hatte. Der war zwar ziemlich improvisiert und alles andere als professionell oder massentauglich, allerdings ließen die Verantwortlichen bei „New Line Cinema“ den Nachwuchs-Regisseur wissen, dass er sich wieder melden sollte, wenn er ein „fertigeres“ Werk vollendet hätte. Und weil „Multiple Manicas“ sein Geld wieder einspielte, zahlte Waters seinem Vater das ausgeliehene Geld wieder zurück, borgte sich kurze Zeit später den doppelten Betrag und machte sich an das Verfassen des Drehbuches zu „Pink Flamingos“. Gedreht wurde nur an den Wochenenden mit Freunden, die auch allesamt nochmals 600 Dollar beisteuerten. Für 100 Dollar wurde ein ausrangierter Wohnwagen vom Schrottplatz gekauft und der Spaß konnte beginnen.
Und eines muss man neidlos zugestehen. Die Darsteller agieren ohne Rücksicht auf Verluste bis an die Grenzen des schlechten Geschmackes und sogar noch weit darüber hinaus. Divine verkörpert hier nicht nur die anrüchigste Person des Planeten, sondern er ist es auch und zeigt es in diversen Szenen auch sehr eindrucksvoll. Edith Massey als Egg-Lady im Laufstall ist wohl einer der skurrilsten Charaktere, die jemals auf Zelluloid gebannt wurden. Und auch Mink Stole und David Lochary als Conny und Raymond Marbles sind als geschäftstüchtiges Pärchen mit seltsamen Frisuren eine wahre Augenweide. Für die Rolle soll David Lochary angeblich ja eigenhändig seine blondierten Haare mit einem blauen Marker gefärbt haben. Aber auch der Rest des Casts ist eine Best-of-Freakshow aus dem „Dreamland“-Umfeld aus der Untergrund-Szene von Baltimore, die man schon gesehen haben sollte.
Premiere hat der Film vor ausverkauften Haus bei irgendwelchen Filmfestspielen in Baltimore, wo das Werk beim Publikum auch gut ankam. Voller Enthusiasmus schickte Waters daher seinen Film an „New Line Cinema“, die aber erst einmal mit diesem tabu-brechenden, grellen und wenig-massentauglichen Film nicht so wirklich etwas anfangen konnten. Erst nach einem Jahr gab man dem Film die Chance, in den sogenannten Mitternachtsvorstellungen sein Publikum zu finden. In der ersten Vorstellung kam Waters noch mit seinem Freundeskreis, am nächsten Tag war der Film bereits ausverkauft. Der Rest ist Geschichte: der Film lief monatelang höchst erfolgreich in der Mitternachtsvorstellung, wurde später landesweit vertrieben und gilt seitdem als absoluter Kult, der seinen Hauptdarsteller Divine über Nacht zum Star machte und dem Regisseur ermöglichte, weitere seiner bissigen Satiren zu veröffentlichen.
Reporter: „Divine, are you a lesbian?“
Divine: “Yes, I´ve done everything!”
Was sich Roger Waters beim Verfassen des Drehbuches gedacht hat, kann man im Nachhinein wohl auch nicht so wirklich nachvollziehen. Laut eigenen Angaben war er jedenfalls ziemlich high, als er die Geschichte schrieb. Die Geschichte der mordenden Psychopathin ohne Gewissen samt Gefolge erinnert an den Prozess von Charles Manson, der zur gleichen Zeit stattfand und der von Waters auch mit großen Interesse verfolgt wurde. Die Freizügigkeit und die sexuellen Eskapaden hingegen können als Persiflage auf den Erfolg von „Deep Throat“ gesehen werden, der auch damals in gewissen Kreisen sehr beliebt war. Waters verband also die Sensationsgier des Publikums mit den Freizügigkeit eines Pornos und setzte dem noch eine abgeschmackte Krone auf. Ziel war es das Publikum zu Schockieren, zum Lachen zu bringen und Sachen zu zeigen, die nach damaligen Recht noch nicht verboten waren.
Herausgekommen ist eine subversive Underground-Komödie voller Freaks, ein Potpourri der abartigsten Geschmacklosigkeiten, Tabubrüche am laufenden Band und eine Abschlussszene, die selbst nach über 30 Jahren noch immer für Gelächter, angewidertes Kopfschütteln ein flaues Gefühl in der Magengegend sorgt. „Pink Flamingos“ ist wahrlich nichts für furchtsame und zart-besaitete Personen, sondern ein bitterböser Angriff auf die gutbürgerliche Moral und Anstand. Und im Gegensatz zu anderen satirischen und vergleichbaren Werken der Kinogeschichte ist hier auch fast nichts angedeutet, sondern alles sehr, sehr grafisch in Szene gesetzt. Eines muss man Waters ja neidlos zugestehen: ausgelassen hat er jedenfalls nicht wirklich viel. Mental gestörte Personen im Laufstall, so ziemlich alle sexuellen Perversionen von Zoophilie über Exhibitionismus bis hin zu Voyeurismus. Und weil das das alles nicht reicht gibt es auch Kannibalismus, Drogen, Selbstjustiz und Exekutionen, stilecht für die sensationsgeile Presse und Zuschauer in Szene gesetzt.
Divine: “Kill everyone now! Condone first degree murder! Advocate cannibalism! Eat shit! Filth is my politics! Filth is my life! “
Der ganze Film ist ja an und für sich schon sehr wild und bietet dem Zuschauer einiges an schwerverdaulichen Material. Aber die bekannteste Stelle ist sicherlich die Szene, in der Divine die frisch gekotete Pudel-Scheiße verspeist. Und das ganze natürlich in Echt, ohne Schnitt und doppelten Boden. Die ist wirklich so abartig, dass man echt nur noch Lachen kann. John Waters kann mit Recht von sich behaupten, die wohl berüchtigste Szene gedreht zu haben, die jemals in einem Film verwendet wurde. Angeblich vermochte „Pink Flamingos“ sogar Andy Warhol zu schockieren, in dessen Umfeld ja selbst einige tabubrechende Filmwerke entstanden. Hardcore-Fans verspeisen an dieser Stelle ja stilecht Schoko-Konfekt und angeblich gab es seinerzeit beim Kinobesuch die Kotztüte gleich zur Eintrittskarte dazu. Dass der Film trotzdem noch erträglich ist und auch noch den Zuschauer grandios zu unterhalten vermag, liegt aber daran, dass Waters in all seinen grotesken und morbiden Momenten seinen rabenschwarzen und zutiefst subversiven Humor eingebaut hat und auch auf eine große Portion Selbstironie nicht vergessen hat. Ernst nehmen sollte man den Film und seine haarsträubenden Entwicklungen wohl im eigenen Interesse zu keiner Sekunde.
Was allerdings doch etwas verwundert, ist die Tatsache, dass dieses anerkannte Werk des schlechten Geschmackes im europäischen Raum bis dato keine ungeschnittene bzw. würdige Veröffentlichung erhalten hat. „Pink Flamingos“ ist unbestritten ein kontroverses Dokument seiner Zeit, dass jedoch leider in vielen Ländern aufgrund expliziter Stellen verboten wurde. Selbst in Amerika wurde der Film ursprünglich mit einem Porno-Rating in die Kinos gebracht. Zum 25-Jahr-Jubiläum kam im Jahre 1997 eine NC-17-Version des Filmes neuerlich in die Kinos, der eine etwas bessere Ton-Abmischung und einen alternativen Soundtrack beinhaltete. Diese Version wurde später auch inklusive Deleted-Scenes samt Audiokommentar von John Waters auf einen schönen Silberling gepresst, der bei den üblichen Verdächtigen für RC1-Scheiben auch für schmales Geld erhältlich ist. Die Bildqualität ist bestenfalls mittelmäßig, was der guten Laune jedoch keinen Abbruch tut und hervorragend zum Charakter des Filmes passt. Und wenn ich an dieser Stelle einen frommen Wunsch äußern darf: ich für meinen Teil würde mir „Pink Flamingos“ natürlich ungekürzt als grandiose Nummer 100 der Trash-Collection aus dem Hause CMV-Laservision wünschen.
Reporter: “Do you believe in God?”
Divine: “I AM GOD!!! ”
„Pink Flamingos“ ist ein grandioser und unbestrittener Klassiker des schlechten Geschmacks und nicht wenige Stimme meinen, es handle sich um den wohl wichtigsten Underground-Film, der jemals gedreht wurde. Ein Trash-Film, der mit billigsten Mitteln unter absoluten Einsatz aller Beteiligten verwirklicht wurde und mit tabu-brechenden und anderen abartigen Szenen den Zuschauer auch noch 35 Jahre nach seinem Erscheinen den Zuschauer schockieren und gleichzeitig unterhalten vermag. Ein abartig-grotesker Film mit einem absolut-göttlichen Divine in der Rolle seines Lebens und weiteren Darstellern, die weit über das normale Maß der Schauspielerei hinaus agieren. Der Kultstatus ist jedenfalls mehr als gerechtfertigt und als aufgeschlossener Filmfreund muss man „Pink Flamingos“ einfach gesehen haben. Und auch wenn man heutzutage wohl nicht mehr alle Geschmacklosigkeiten gutheißen kann und vieles auch unter dem Einfluss von diversen Drogen entstanden ist, so kann es für diesen Schlag in die Magengrube der gutbürgerlichen Gesellschaft bzw. deren Moralvorstellungen einfach nur die absolute Höchstwertung geben. Aber selbst 11 von 10 Mülltonnen auf der Trash-Skala werden diesem unglaublichen Werk eigentlich noch immer nicht gerecht. „Pink Flamingo“ ist kein Film, sondern eine 90-minütige Achterbahnfahrt in die Abgründe menschlicher Perversionen. „Pink Flamingos“ polarisiert Generationen seit Jahrzehnten, machte Freaks zu Stars und seinen Regisseur und Hauptdarsteller unsterblich. Für Trashfans absolut essentiell!
Beitrag geändert von jogiwan (12.August 2008 09:40:14)
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Uiihhh, der Film klingt ja super schräg. Schon bei der Inhaltsangabe kam mir der Gedanke, dass der Film definitiv etwas für CMV wäre . Wenn das Review Online geht, schicke ich Andreas mal einen Link .
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Ich wollt schon fragen, ob Du mir den mal ausleihen würdest - aber nun sehe ich, dass der bei DVDPacific nur 6,31 € kostet - dann wäre der Versand zwischen Österreich // Deutschland // Österreich teurer als die DVD gleich direkt zu bestellen . Werde sie mir auf jeden Fall mal auf meine Whishlist setzen *grins*.
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Mich wundert ja, dass die Filme ja eher unbekannt sind. Die DVDs sind ja selber wirklich recht günstig. Auf jeden Fall würde ich neben "pink flamingos" auch "female trouble" empfehlen - der ist zwar nicht so arg, aber fast noch eine Spur unterhaltsamer. Aber "pink flamingos" ist ja außer arg nur mehr arg - so super!
(Harmlosere) Bilder folgen dann am Abend!
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sodele, Review ist nun auch Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4079
Danke nochmals !!!
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jogiwan schrieb:
coole Sache - ich sag danke! Teil 2 folgt dann in Kürze
Ich bin mal gespannt .
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Gosh, es ist passiert:
"Was sich Roger Waters beim Verfassen des Drehbuches gedacht hat, kann man im Nachhinein wohl auch nicht so wirklich nachvollziehen..."
Ich hab Roger geschrieben... Scham und Schande über mein Haupt. Pink Flamingos, Pink Floyd - es ich ja wirklich zum verrückt werden... Kannst du das bitte ausbessern? Danke!
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jogiwan schrieb:
Gosh, es ist passiert:
"Was sich Roger Waters beim Verfassen des Drehbuches gedacht hat, kann man im Nachhinein wohl auch nicht so wirklich nachvollziehen..."
Ich hab Roger geschrieben... Scham und Schande über mein Haupt. Pink Flamingos, Pink Floyd - es ich ja wirklich zum verrückt werden... Kannst du das bitte ausbessern? Danke!
Japp, wir gemacht. Beim schreiben der News und auch der Überrschrift habe ich auch mehrmals "Roger Waters" geschrieben - irgendwie steckt Pink Floyd doch zu sehr in mir .
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