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Tokyo Godfathers:
Der Alkoholiker Gin, Travestit Hana und die Ausreißerin Miyuki sind drei Obdachlose, die in den Strassen Tokyos umherziehen, im Müll nach Essen suchen und in einer notdürftig zusammengezimmerten Baracke vor der kalten Winternächten Zuflucht suchen. Alle drei wurden aus unterschiedlichen Gründen aus der Gesellschaft ausgegrenzt oder haben sich selbst einem bürgerlichen Leben entsagt. Am Weihnachtsabend finden das ungleiche Gespann zwischen Müllsäcken ein Baby, welches offensichtlich von seinen Eltern weggelegt wurde. Der homosexuelle Hana sieht sich sofort an die Geschichte von Jesus erinnert und entwickelt spontan Muttergefühle für das kleine Mädchen, welches Kiyoko getauft wird. Hana überredet Gin und Miyuki, das kleine Baby eine Nacht zu behalten und am nächsten Tag der Polizei zu übergeben. Miyuki ist zwar wenig begeistert, doch der raue Alkoholiker Gin kümmert sich rührend um den kleinen Findling.
Doch in der Nacht verschwindet Hana mit dem Kind um dessen Eltern auf eigene Faust zu suchen. Hana war selbst Waise und wuchs bei einer Pflegemutter heran. Nun möchte er Kiyoko einen besseren Start ins ihr Leben ermöglichen. Als Gin und Miyuki das Verschwinden der beiden entdecken, heften sie sich an die Fersen und finden die beiden auch bald in den verschneiten Strassen Tokyos. Auf Drängen von Hana wird beschlossen, das Kind nicht der Polizei zu übergeben, sondern auf eigene Faust nach den Eltern zu suchen. Aufgrund eines Schlüssels, welcher mit dem Kind gefunden werden, finden die drei auch die ersten Hinweise auf die Eltern des Findelkindes. Und so machen sich die drei Obdachlosen samt Kind auf den Weg, um in den kalten Winternächten zwischen Weihnachten und Neujahr nach den Eltern der kleine Kiyoko zu suchen. Doch bis es soweit ist, müssen die 3 unterschiedlichen Obdachlosen noch zahlreiche Abenteuer in der Großstadt überstehen.
Den Namen Satoshi Kon verbindet man ja als Anime-Fan eher mit sehr außergewöhnlichen Filmen, die den Zuseher ziemlich (über)fordern. Filme, die sich im Gegensatz zu anderen Werken aus der Animations-Ecke auch eher an den anspruchsvolleren Filmfreund wenden. Das Satoshi Kon auch anders kann, stellt er mit dem 2003 entstandenen „Tokyo Godfathers“ sehr eindrucksvoll unter Beweis. Dieser wunderbare Film erzählt eine herzerwärmende Geschichte über Freundschaft, Loyalität und Familie in einem doch mehr als ungewöhnlichen Ambiente der Obdachlosenszene Tokyos. Doch anstatt eine tieftraurigen Film über die Außenseiter der japanischen Gesellschaft zu machen, zaubert Kon einen überraschend humorvollen und optimistischen Film, in dem die traurigen Elemente zwar angedeutet werden, jedoch nie Überhand nehmen und tragische Begebenheiten der Protagonisten zugunsten einer märchenhaften Erzählweise etwas in den Hintergrund gedrängt werden. Herausgekommen ist ein warmherziges (Weihnachts-)Märchen, dass mit außergewöhnlichen Charakteren und skurrilen Handlungswendungen das erwachsene Publikum begeistert.
Das ungleiche Trio wirkt ja auf den ersten Blick mehr als außergewöhnlich. Da wäre einmal Hana, der/die feminine Obdachlose, der sich selbst als „Missgeschick Gottes“ bezeichnet und sich eher der holden Weiblichkeit zugehörig fühlt. Als Waisenkind ist er zu seiner Pflegemutter gekommen, die eine Bar für Nutten und Transen führte und in der er als Travestiekünstler aufgetreten ist. Doch eines Tages gab es eine Konfrontation mit einem Gast und Hana verließ die Bar gemeinsam mit seinem/ihrem Partner. Als dieser verstarb, verlor er/sie den Lebensmut und landetet in der Gosse. Als Hana das Kind zwischen den Müllsäcken findet, erwachen in ihm/ihr ungeahnte Mutterinstinkte und er/sie fasst neuen Mut, sein/ihr Leben in den Griff zu bekommen.
Gin hingegen hat aufgrund seiner Spiel- und Alkoholsucht Frau, Kind und Arbeit verloren. Sein Geld hat er auf der Rennbahn verspielt, seinen Frust im Alkohol ertränkt. Als er sich von den falschen Leuten Geld ausborgt, gerät sein Leben vollends aus den Fugen. Er lässt seine Frau in Stich und Kind in Stich und lebt fortan zwischen Müll und Dreck. Den Kontakt zur Familie hat er aus Scham auch nie wieder gesucht. Doch als das Kind auf einmal da ist, entdeckt er, wie sehr er seine Familie und vor allem seine Tochter vermisst. Er muss sich schlussendlich eingestehen, dass er alle belogen hat und für seine Lage selbst verantwortlich ist. So schafft er sich eine Grundlage, sein Leben positiv zu verändern.
Miyuki hingegen ist die Einzige, die sich ihre Lage selbst ausgesucht hat. Von eigenen Vater und der strenggläubigen Mutter hat sie sich nie verstanden gefühlt und ihre einzige Bezugsperson war eine kleine Katze, die jedoch eines Tages verschwand. Als die pausbäckige Miyuki dieses entdeckt entlädt sich ihr ganzer Hass und sie geht mit einem Messer auf den Vater los. Und obwohl sie diesen nur leicht verletzt, reißt sie von zu Hause aus und lässt ihr altes Leben hinter sich, verliert zahlreiche Kilos und findet in Gin und Hana so etwas wie eine Ersatzfamilie. Doch durch die kleine Kiyoko entdeckt Miyuki, dass die eigene Familie durch nichts zu ersetzen ist.
Durch die Begegnung mit dem unschuldigen Kind an dem Weihnachtsabend verändert sich das Leben aller drei Verlierer und am Ende wartet auf alle die Aussicht auf ein schöneres Leben jenseits der Gosse. Und so entlässt Satoshi Kon nach turbulenten und kurzweiligen 88 Minuten den Zuseher mit einem guten Gefühl. Doch auch, wenn man während der Laufzeit mehrfach Zeuge von diversen Weihnachtswundern wird und auch die Geschichte bei aller Liebe doch so einige unlogische Wendungen zu bieten hat, so verzeiht man dieses jedoch gerne. Im Gegensatz zu westlichen Kollegen und Filmen vermeidet es Satoshi Kon außerdem, seinen Film gänzlich in Kitsch, oberflächlichen Humor und Sentimentalitäten zu ertränken.
Die Idee zu diesem Film basiert auf dem Buch „3 Godfathers“ von dem amerikanischen Schriftsteller Peter B. Kyne, dessen Geschichte bislang bereits viermal verfilmt wurde. Die bekannteste Version ist dabei zweifelsfrei unter Regie-Legende John Ford entstanden. In dem Western mit dem deutschen Titel „Spuren im Sand“ finden John Wayne, Pedro Armendáriz und Harry Carey Jr. auf ihrer Flucht durch die Wüste eine sterbende Frau mitsamt ihrem frischgeborenen Kind und versprechen daraufhin, sich um das Kind zu kümmern. Und diese an sich sehr tragische Geschichte wurde kurzerhand von Satoshi Kon und der berühmten Drehbuchautorin Keiko Nobumotot in die Obdachlosenszene der Millionenmetropole Tokyo verlegt.
So ein wunderbarer Film verdient dann natürlich auch eine entsprechende Veröffentlichung und Columbia TriStar hat diesem auch voll und ganz entsprochen. Denn neben der 1-Disc-Veröffentlichung ohne jeglichen Extras, gibt es auch noch eine Supa-Dupa-Deluxe-Doppel-Edtion, die neben einer prallvoll gefüllten Zusatz-Disc mit einem ausführlichen Making-Ofs, Bildergalerie, weiteren Dokus, Interviews mit dem Komponisten des Soundtracks und ausführlichen Trailern, gibt es noch ein exklusives Postkarten-Set und als besonderes Highlight ein 650 Seiten (!!!) starkes Storyboard zum Film. Und das alles gibt es mittlerweile auch noch zu einem mehr als fairen Preis, der nur einige Euros über der Single-Disc liegt. Wer sich für den Film interessiert, sollte sich daher im eigenen Interesse für die schöne Exklusiv-Edition entscheiden.
„Tokyo Godfathers“ ist ein herzerwärmendes Weihnachtsmärchen für Erwachsene bzw. das ganze Jahr. Ein Film, der im Gegensatz zu Kons anderen Werken eine überraschend geradlinige Geschichte erzählt, und in dem sich Humor und Tragik gekonnt die Waage halten. Wäre „Tokyo Godfathers“ als Realfilm inszeniert worden, er würde vermutlich von Pedro Almodovar und dessen früherer Schaffensphase stammen. Und das ist wohl das beste Kompliment, das man diesem ungewöhnlichen Anime machen kann. „Tokyo Godfathers“ ist ein Film, der den Zuschauer grandios unterhält und nebenher auch noch schafft, auf soziale und gesellschaftliche Missstände aufmerksam zu machen, ohne diese jedoch dem Zuschauer mit dem moralischen Zeigefinger aufzudrücken. „Tokyo Godfathers“ macht Laune und überzeugt auch bei weiteren Sichtungen durch die gelungene Charakterisierung und den detailreichen Zeichnungen. Und die zahlreichen Wendungen lassen die knapp 90 Minuten auch wie im Fluge vergehen. Und so bleibt mir wieder einmal an dieser Stelle keine andere Möglichkeit, als für Satoshi Kon und sein Werk mit 9 von 10 Punkten nahezu die Höchstwertung zu vergeben.
Beitrag geändert von jogiwan (01.August 2008 09:28:30)
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Cool - Du bist ja mächtig fix. Danke Dir!!!
Ich mach es heute Abend noch mit fertig .
jogiwan schrieb:
Bilder sind auch schon unterwegs
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jogiwan schrieb:
das zu "Paprika" wird aber noch ein bissl dauern... da bin ich noch nicht so zufrieden mit
Klar, kein Thema, lass Dir ruhig Zeit. Auf das bin ich gespannt, vielleicht finde ich anschließend auch nochmal Zugang zu dem Film .
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Sodele, Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4005
Danke nochmals!!!
PS: Hatte letztens vergessen noch folgenden Anime Dir zu empfehlen:
* Memories
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