project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Da sich ihre Mutter lieber um ihr Restaurant, als um ihre Tochter kümmert, wächst die junge Young-Goon in der Obhut ihrer Großmutter heran. Diese ist jedoch durchgeknallt und ist felsenfest davon überzeugt eine Maus zu sein. Dieses hat zur Folge, dass sie sich den ganzen Tag nur von eingelegten Rettich ernährt. Das hat wiederum zur Folge, dass auch Young-Goon nicht unbeschadet heranwächst. Sie ist überzeugt ein Cyborg zu sein und als sie eines Tages während ihrer täglichen Arbeit am Fliesband auf recht unkonventionelle Weise versucht, ihre körpereigenen Batterien aufzuladen, wird dieses leider als Selbstmordversuch gedeutet und Young-Goon in eine Nervenheilanstalt gesteckt. Dort ist sie tagsüber apathisch, abends jedoch quicklebendig. Dann spricht sie nicht nur mit Lampen und Getränkeautomaten, sondern hört mir ihrem selbstgebastelten Radio ihren eigenen, imaginären Bildungskanal, der hilfreiche Tipps für ihr Leben als Cyborg unter Menschen gibt.
Doch in der Nervenheilanstalt ist Young-Goon mit ihrer liebenswerten Psychose in bester Gesellschaft. Unter anderem trifft sie unter anderem auf den Einzelgänger Il-Sun, der davon überzeugt ist, dass er die Fähigkeiten anderen Menschen rauben kann. Und genau diese Fähigkeit will sich Young-Goon zu Nutze machen. Il-Sun soll sie ihres Mitgefühls berauben, sodass sie nach erfolgreicher Aufladung ihrer Batterien als seelenloser Cyborg ihre Großmutter befreien kann. Doch bis es soweit ist, beobachtet Il-Sun das seltsame Mädchen und verliebt sich in sie. Und obwohl es sich für einen Cyborg normalerweise nicht gehört, entsteht zwischen der zurückgezogenen Young-Goon und Il-Sun so etwas wie eine zwischenmenschliche Beziehung. Da Young-Goon jedoch keine feste Nahrung zu sich nimmt und anstelle dessen lieber an Batterien nuckelt, wird sie von Tag zu Tag schwächer und droht irgendwann zwangsläufig an Unterernährung zu sterben. Auch Zwangsernährung und Elektroschock-Therapie bringen wenig und selbst die Ärzte sind ratlos. Verzweifelt setzt Il-Sun nun alles daran mit seiner besonderen Gabe und gemeinsam mit den Fähigkeiten, die er den anderen Insassen stiehlt, startet er den Versuch, den Cyborg vor dem sicheren Hungertod zu retten.
Willkommen in der wirren Welt des Park Chan-Wook. Was der koreanische Ausnahmeregisseur mit „I´m a Cyborg, but that´s ok“ seiner Fangemeine und allen Anderen zumutet ist einfach unglaublich. Eine vollkommen abgedrehte Love-Story über zwei liebenswert-durchgeknallte Insassen einer Irrenanstalt, die so unglaublich ausgefallen ist, dass man sich das Teil wohl zweimal anschauen muss, um es auch nur einmal ansatzweise zu erfassen. Das Irrenhaus ist hier kein düsterer, sondern ein freundlicher Ort in Pastelltönen, der Zuflucht für Menschen bietet, die nicht länger mit der Leistungsgesellschaft unweigerlich vor die Hunde gehen wollen. Und eben dort prallen Realität und Fiktion und Erzählweisen und –ebenen so derartig aufeinander, dass der geneigte Zuschauer am Ende wohl überhaupt nicht mehr weiß, was da gerade am Bildschirm abgeht. Da werden menschliche Verhaltensweisen zu Todsünden erklärt, tiefgründige Wahrheiten treffen auf absoluten Nonsens, und die harte Realität auf verträumte Fiktion. Die Perspektive wechselt sprunghaft von real auf die teils naive und fiktive Sichtweise der Protagonisten hin- und her und so pendelt der Film ständig zwischen gemütlichen Irrenanstaltalltag, Elektroschock-Therapien, saftigen Alpenwiesen, Anti-Gravitationssocken, Jodeleinlage, sowie brutalen Amoklauf mit enorm hohen Bodycount hin und her, dass man entweder fassungslos mit heruntergeklappter Kinnlade oder nur noch kopfschüttelnd vor dem Bildschirm sitzt.
Leicht wird es dem geneigten Zuschauer jedenfalls nicht gemacht und auch ich muss gestehen, dass ich trotz all meiner Liebe zum koreanischen Kino, insbesondere den Werken von Park Chan-Wook mit diesem interessanten Film nicht restlos zufriedengestellt bin. „I´m a Cyborg, but that´s ok” ist einerseits ein unbeschwerter, luftiger Film mit zarter Farbgebung und kippt im nächsten Moment in einen brutalen Amoklauf voller Blut und Gewalt. Sicherlich hat der Gorehound in asiatischen Film schon weit Schlimmeres gesehen, aber irgendwie will der blutige Amoklauf auch wenn er phänomenal in Szene gesetzt ist, imho nicht so recht zum restlichen, doch eher unbeschwerten und unschuldigen Charakter des Films passen. Und auch wenn sich die brutalen Szenen letztlich als Traumsequenz entpuppen, so ist es – im Gegensatz zur FSK-Freigabe – wenig verwunderlich, dass sich laut Internet-Recherche zahlreiche Zuseher an diesen Szenen stoßen.
Eine geradlinige Story im herkömmlichen Sinne gibt es ja im Grunde gar nicht. Das stellt meiner Meinung nach auch das grösste Manko von „IAACBTOK“. Im Gegensatz zu „die fabelhafte Welt der Amelie“, an den man sich nicht nur aufgrund der Optik und der etwas seltsamen Frisur des Hauptdarstellers (!!!) permanent erinnert fühlt, fehlt bei „IAACBTOK“ einfach die herzerwärmende und vor allem die zusammenhängende Story der beiden Bezugspersonen, die alle Ideen des Regisseurs und Handlungsstränge zusammenführt. Außerdem ist die Thematik von Geisteskrankheiten meines Erachtens für ein Feel-Good-Movie bzw. leichtere Liebeskomödie auch einfach zu ernst. Und so scheint es nicht zufällig, dass nahezu alle Beteiligten der Gesprächstherapie aufgrund des Leistungsdrucks oder Schönheitswahns unserer Gesellschaft wahnsinnig geworden sind. Bei einigen Szenen hat man dann schon mal den Eindruck, dass sich Park Cahn-Wook doch schon etwas auf Kosten von Menschen mit speziellen Bedürfnissen lustig macht.
Woran es aber wieder einmal überhaupt nichts zu Meckern gibt, ist die optische Umsetzung dieses absolut-schrägen Filmes. Diese erinnert an der Art der Inszenierung sehr an die visuelle Einfälle eines Michel Gondry und dessen fantasievolles Werk „science of sleep“. Doch wo dieser seiner offensichtlichen Neigung zum Trash freien Lauf lässt und teils seine Effekte komplett auf low-budget inszeniert, wird bei Park Chan-Wook alles perfekt auf Hochglanz gebracht. Das Herr Park gerne westliche Filme guckt, weis man ja nicht erst seit dem genialen wie verstörenden „Oldboy“ Die Optik des ganzen Films ist einfach genial und jede Szene wirkt durchdacht und –konstruiert. So gibt es über die gesamte Laufzeit eine Vielzahl von Entdeckungen, die sich wohl erst bei mehrmaliger Sichtung komplett erschließen. Aber egal, ob sich ein Mädchen in einen todbringenden Cyborg verwandelt, ein Bett von einem Marienkäfer durch die Gegend befördert wird, oder das mechanische Innenleben eines Menschen sichtbar wird – diese Momente sind CGI-technisch einfach grandios in Szene gesetzt.
Auch bei den Darstellern hat man ein glückliches Händchen bewiesen. Lim Soo-Jung als hoffnungslos durchgeknallte Young-Goon spielt ihre Rolle als zerbrechliches, aber in Gedanken gar nicht so unschuldige Mädchen wirklich mit Bravour und Mut zur Hässlichkeit. Lim werden die meisten aus dem ebenfalls empfehlenswerten „a tale of two sisters“ kennen, wo ihre Rolle ebenfalls ähnlich angelegt war. Für Jung Ji-hoon hingegen war es die erste Rolle. Der ansonsten eher unter seinen Pseudonym „Rain“ als Popstar abgefeierte Koreaner spielt aber seine Rolle als anti-sozialer Il-Sun mit Mutterkomplex und Zahnputztick ebenfalls zu jeder Sekunde überzeugend. Sein musikalisches Output kann man u.a. auf „youtube“ bwundern, für seine Rolle als Il-Sun hat der gute Herr jedoch noch extra Jodelunterricht genommen. 2008 gibt er unter der Regie der Wachowski-Brüder sein Hollywood-Debüt in der Effekt-Orgie „Speed Racer“.
Über Regisseur Park Chan-Wook muss dann wohl ohnehin nicht wirklich viel gesagt werden. Seinen Ruf als einer der bekanntesten, asiatischen Regisseure hat er wohl den ausufernden Gewaltorgien seiner wohl allseits bekannten Rache-Trilogie (Sympathy for Mr. Vengeance/Oldboy/Lady Vengeance) oder auch seinem Beitrag „cut“ zu dem Episodenwerk „three... extremes“ zu verdanken. Ganz hat sich Park aber mit „IAACBTOK“ wohl nicht von seinen Vorgängerfilmen lösen können, auch wenn er seinen Film selbst als „eine Art romantische Komödie“ bezeichnet. Bei der Berlinale 2007 lief der Film im Bewerb und erhielt schlussendlich eigentlich vollkommen verdient den „Alfred Bauer Preis“, der alljährlich für den Film vergeben wird, der neue „Perspektiven der Filmkunst eröffnet“. Inwieweit der Film autobiografische Züge hat, will ich an dieser Stelle ja gar nicht erahnen. Aber wer sich solche Geschichten ausdenkt und die dann auch noch derartig visuell in Szene setzt, dürfte wohl schon ein bisschen was an der Waffel haben. Und der Schriftzug des Regisseurs in den Anfang-Credits des Film am Schild mit den Name der Patienten dürfte wohl auch nicht von ungefähr kommen.
Die DVD aus dem Hause REM bietet den Film in sehr guter Ton- und Bildqualität in der koreanischen Originalversion, sowie einer deutsch-synchronisierten Fassung, die als sehr gelungen bezeichnet werden kann. Neben optionalen Untertiteln für Personen, die sich solche Werke lieber im Original anschauen, gibt es auch noch kiloweise Extras, so wie zahlreiche Interviews mit Regisseur und den beiden Hauptdarstellern, die sich teilweise seltsam distanziert über Herrn Park äußern. Dann gibt es erweiterte oder entfallene Szenen, eine kleinen Making-of, sowie einen kleinen Beitrag über den Film und seine Teilnahme bei der Berlinale. Alles verpackt in einem schönen Digipack mit Schuber, welches mir allerdings nicht vorlag.
So bleibt unterm Strich ein interessanter und absolut detailverliebter Film, der mit seiner perfektionistischen Inszenierung und visuellen Ideenreichtum den Zuschauer bei der ersten Sichtung wohl hoffnungslos überfordern wird. Ein bis zwei Durchgänge mehr sind da wohl eher empfehlenswert um die eigentlich herzerwärmende Story ganz zu erfassen. Die Geschichte um Liebe zweier Menschen in persönlichen Ausnahmesituationen geht imho in den überbordenden CGI-Effekten auch etwas unter und ist nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Das es schlussendlich nicht ganz zu einer Höchstwertung reicht liegt an der etwas seltsamen Geschichte und Art von Humor, die mich nicht so recht begeistern wusste. Eine Prise „Amelie“, viel Michel Gondry und eine versteckte tagische Liebesgeschichte zweier Außenseiter mit Beinahe-Happy-End, trickreich in Szene gesetzt von einem durchgeknallten Regisseurs, in der „Style“ dann leider doch etwas über „substance“ geht. Nett und interessant zwar alle Mal, fürs zeitlose Feelgood-Movie zum Immer-Wieder-Sehen reichts dann aber doch nicht und daher gibt’s an dieser Stelle dann auch „nur“ 7 von 10 Anti-Gravitationssocken.
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Cool - Danke für das Review!!!
Kann ich es Online stellen?
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jogiwan schrieb:
jupp, ich bin eh schon mit "frankenhooker" beschäftigt
Ok, super. Das passt gut, denn heute kommt die DVD offiziell in den Handel .
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So, Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=3644
Danke nochmals dafür!!!
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