project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Zwei in schwarzes Leder gekleidete Roboter mit futuristischen Helmen fahren mit einem schwarzen Ferrari durch die trostlose Wüstenlandschaft Kaliforniens. Einige Zeit später erreichen die beiden eine Kleinstadt, die ebenfalls von Robotern bevölkert wird. In einem High-Tech-Labor erhalten die beiden von schemenhaften Wissenschaftlern mittels Latex und Perücken ein menschliches Antlitz verpasst. Doch als die beiden die Einrichtung mit ihren neuen Aussehen verlassen reagieren die übrigen Stadtbewohner mit Unverständnis und Aggression. Kurzerhand verfolgen sie die beiden vermenschlichten Roboter und auch die grelle Wüstensonne sorgt dafür, dass die Gesichter zerschmelzen. Auf einer Toilette, in der sich die beiden verschanzen, müssen sich die beiden Roboter dann auch von ihren Kurzzeitausflug in die menschliche Optik verabschieden.
Nun irren beide scheinbar ziellos in der Wüste herum. Während Roboter #1 das Erlebte scheinbar gut wegsteckt, verliert Roboter #2 scheinbar die Lust an seinem Roboter-Dasein. Seine gescheiterten Versuche Mensch zu werden, haben ihn scheinbar zermürbt. In Wut reißt er sich seine Lederjacke vom Leib und lässt von Roboter #2 einen Selbstzerstörungsmechanismus aktivieren, der sich am Rücken befindet. Nach 60 Sekunden explodiert er und Roboter #1 macht sich alleine auf dem Weg durch die Wüste. Einige Zeit später will auch er nicht mehr. Doch allein kann er den Selbstzerstörungsmechanismus nicht aktivieren. Er nimmt seinen Helm ab und offenbart der Welt sein technisches Antlitz. Seinen Helm zerstört er im vertrockneten Wüstenboden und setzt sich mit einer Scherbe aus seinem verspiegelten Visier selbst im Brand...
Über Daft Punk, die wohl bekannteste und außergewöhnlichste House-Formation der zeitgenössischen, elektronischen Musik noch irgendwelche Worte zu verlieren, wäre wohl wie Eulen nach Athen zu tragen. Die beiden Franzosen haben seit 1995 nicht nur das House-Genre revolutioniert und ihrem Label immense Verkäufe beschert, sondern auch noch Underground mit dem Kommerz friedlich auf dem Dancefloor vereinigt, ohne jemals auch nur einen Furz auf die Erwartungshaltung ihres Publikums, des Marktes, ihrer Plattenfirma oder der Presse zu geben. Als ihnen z.B. der Rummel um ihre Person zuviel wurden, untersagten sie die Verbreitung von Fotos und gaben keine Interviews mehr. Skandale und Homestories sind sowieso Fehlanzeige und seit ihrem Album „human after all“ treten sie ohnehin nur noch als Roboter in Erscheinung. Egal wie man zu der kommerziellen Vermarktung der Marke „Daft Punk“ und auch zu von revolutionär bis unhörbaren Musik steht, die beiden sind immer für eine Überraschung gut. Man kann nur neidlos zugestehen, dass die Musiker mitsamt ihrer Verweigerungshaltung in jeglichen Belangen einfach einen Ausnahmestatus im moderen Pop- und Musikbusiness darstellen.
Wenn nun gerade die beiden Parade-Exzentriker Thomas Bangalter und Guy Manuel de Homem-Christo a.k.a. Daft Punk einen abendfüllenden Spielfilm abliefern, dann kann es sich auch nur entweder um einen Big-Budget-Blockbuster oder einen extrem unkonventionellen Film handeln. Und mit „Electroma“ haben die beiden auch einen Film abgeliefert, der wohl unter die Kategorie experimenteller Kunstfilm fällt und auch eher nur die aufgeschlossenen Filmfreunde bzw. Cineasten ansprechen wird. Über die gesamte Laufzeit von knapp 72 Minuten wird kein einziges Wort gesprochen. Eingebettet ist die spartanische Handlung in eindrucksvolle Bilder, Geräusche, sowie einem stimmigen Soundtrack. Dabei wurde auf aktuelle elektronische Musik aus eigenem Hause verzichtet und auf experimentelle Folk-Musik aus drei Jahrzehnten und klassischer Musik zurückgegriffen. Dieses lässt neben der seltsamen Optik den Film zusätzlich entrückt wirken und macht es dem Zuschauer schwer, das Geschehene zeitlich einzuordnen.
Die Geschichte der beiden Roboter und ihr Versuch menschlich zu werden, sowie ihr Scheitern ist schnell erzählt und bietet doch so viel Raum für Interpretation. Roboter #1 und #2 leben offensichtlich in einer technisierten, aber seelenlosen Welt. Das menschliche Individuum ist einem gleichförmigen Erscheinungsbild gewichen. Wann sich das Geschehen abspielt bleibt ebenso im Dunkeln wie die Tatsache, ob die beiden das Menschschein bloß imitieren, oder sich daran erinnern möchten. Durch scheinbar-körperlose Wissenschaftler erhalten sie kurzfristig ein menschliches Antlitz, sehen sich jedoch auch auf einmal mit der Feindseeligkeit ihrer Umgebung konfrontiert. Als sie wenig später erkennen müssen, dass ihr Traum „Mensch zu werden“ gescheitert ist, wollen oder können beide nicht mehr in ihr altes, „funktionierendes“ Dasein zurück und ziehend daraus ihre Konsequenz.
Roboter und Gefühle bzw. die Angst der Menschheit davor, wird ja schon seit Jahrzehnten immer wieder in Filmen thematisiert. Roboter haben zu funktionieren und ein nicht unerheblicher Anteil der Menschheit fürchtet sich vor dem Tag, an dem diese Wesen ein eigenes Gefühlsleben entwickeln könnte. Doch in „Electroma“ geht es nicht um die Bedrohung der Menschheit, sondern schlicht und ergreifend um zwei Wesen die nach Veränderung streben und daran scheitern.
Die filmische Umsetzung ihrer Musik war und ist immer ein zentraler Punkt in der medialen Präsenz der französischen Musiker gewesen. Schon die diversen Videoclips der Band hat immer wieder für Aufsehen gesorgt. So wurde für den Clip zur ersten Major-Single-Auskoppelung hat die Clipwelt aufhorchen lassen. Spike Jonze hat für die erste Single „da funk“ ja bereits mehr Kurzfilm als konventionellen Videoclip abgeliefert in dem ein (vermenschlichter) melancholischer Hund (!!!) mit Gipsfuß durch die nächtlichen Strassen von New York irrt und auf allerlei Menschen trifft. Auch den nachfolgenden Singles wurden von Michel Gondry („around the world“) und Roman Coppola („revolution 909“) entsprechende Bilder auf den Beat gezimmert, die mit sprühender Kreativität den krassen Gegenpol zu den sonstigen Hupfdohlen-Danceclips darstellen.
2001 gingen die beiden mit der Kooperation mit Anime-Legende Leiji Matsumoto noch einen Schritt weiter. Jeder der 14 Titel des Albums „Discovery“ wurde mit Bildern versehen und bildete so in der Gesamtheit ein spannendes Anime-Musical über eine Band, die von einem skrupellosen und gierigen Musikproduzenten eines anderen Planeten entführt und als seelenlose Marionetten für kommerzielle Zwecke benutzt wird. Schlussendlich wird die Band jedoch von einem treuen Fan gerettet. Die Story dieses fesselnden Spektakels kann durchaus als ironischer Blick auf das Musikbusiness gesehen werden. Trotzdem toller Story und allseits bekanntem Soundtrack lief der sehr empfehlenswerte Film außerhalb von Japan nur in wenigen Kinos, wurde aber auf DVD veröffentlicht und sollte ohne Schwierigkeiten im Handel zu erwerben sein.
Was jedoch den geneigten Fan bei „Electroma“ wohl am meisten wundert ist die Tatsache, dass sich auf dem Soundtrack zum Film kein einziger Titel der Gruppe befindet. Vielmehr finden sich hierbei sehr ungewöhnliche und spezielle Titeln aus den Siebziger-Jahren, die man wohl eher weniger von den Beiden erwartet hätte. So gibt es neben Titeln von Curtis Mayfield und Brian Eno auch Titel von nahezu unbekannten, amerikanischen Folkmusikern wie Jackson C. Frank oder auch Linda Perhacs, die wohl nur eingefleischten Musikfreaks ein Begriff sein dürften. Aber auch ein Titel des französischen Musiker Sebastien Tellier, dessen neuestes Album von Thomas Bangalter produziert wurde, hat es auf den Soundtrack geschafft. Abgerundet wird das mehr als positive Gesamtbild mit Stücken von Joseph Haydn und Chopin. Leider gibt es allerdings meines Wissens keine offizielle Veröffentlichung des Soundtracks, was dringend zu ändern wäre.
Zu den darstellerischen Leistungen kann jedoch nicht viel gesagt werden. Da die Gesichter sämtlicher Darsteller durch Masken bedeckt sind, kann natürlich schwer so etwas wie schauspielerisches Talent bewertet werden. Mit den stylischen Leder-Klamotten, den retro-futuristischen Helmen, der Ausstattung des Labors und den fahrbaren Untersätzen im Film wurde neuerlich ein gutes Händchen für zeitlose Coolness bewiesen. Die Optik des gesamten Filmes ist von Anfang bis Ende jedenfalls mehr als gelungen und beweißt, dass Herr Bangalter seine 200 Ausgaben von „American Cinematographer“ nicht umsonst gelesen hat.
Premiere hatte Daft Punks „Electroma“ im Zuge des Filmfestivals in Cannes und wurde auch auf anderen Festivals gezeigt. Er lief ausserdem auch in zahlreichen größeren Städten im Kino, vorwiegend in kleinen Programmkinos und zu späterer Stunde. Wer allerdings nicht das Glück hat, in einer größeren Stadt zu wohnen, muss auch nicht verzweifeln. Mittlerweile ist der Film bereits über England und Australien in den Handel gekommen. Die englische DVD ist vielleicht nicht ganz billig, bringt den Film jedoch mit einer schicken Buch-Verbackung und einem 44-seitigen Booklet mit Bildern aus dem Film. Anscheinend ist diese Veröffentlichung auch noch limitiert, was sich jedoch nicht auf die Schnelle bestätigen lies. Wer etwas weniger Geld ausgeben möchte und einen codefree-Player besitzt, kann jedoch auch auf die australische VÖ zurückgreifen und anscheinend steht Mitte des Jahres auch eine RC1-DVD mit Metal-Case ins Haus. Die Qualität der englischen DVD ist sehr gut, allerdings gibt es keinerlei (!!!) Bonusmaterial. Der Film startet unmittelbar nach dem Einlegen der DVD und stoppt nach den End-Credits. Kein DVD-Menü, kein Trailer, kein Irgendwas... Ein Making-Of mit den Regisseuren ist angesichts der allseits bekannten und bereits erwähnten Verweigerungshaltung zur gelungenen Mythenbildung des Duos aber ohnehin unwahrscheinlich.
„Electroma“ ist ein extrem-runtergestutzes Road-Movie mit einer minimalistischen Story, die dennoch zum Nachdenken anregt und den Zuschauer nach 72 Filmminuten mit einem seltsam-melancholischen Gefühl zurücklässt. Ein stylisches Sci-Fi-Drama über unerfüllte bzw. unerfüllbare Träume, mit grandiosen Bildern und einem unerwarteten, aber extrem stimmigen Soundtrack. Und wenn am Ende des Filmes minutenlang ein brennender Roboter in Slow-Motion durch die Dunkelheit rennt und der Abspann beginnt, dann weis man, dass man definitiv etwas Besonderes gesehen hat . Die beiden Franzosen haben eben nicht nur ein untrügliches Gespür für musikalische Trends, sondern auch für ungewöhnliche Bilder und Geschichten. Trotz meiner Begeisterung will ich mich dieses Mal nicht zu einer Bewertung hinreißen lassen. Ich finde „Electroma“ trotz aller Unkonventionalität extrem gelungen und hoffe inständig, dass dieses tolle Midnight-Movie mit der Extraportion Kultpotential und grandiosem Soundtrack nicht der letzte Ausflug der Beiden in filmische Gefilde ist. Ganz anders, ganz groß!
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Japp, sind angekommen und ich mache die gleich morgen früh mit fertig .
Danke nochmal!!!
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Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=3588
Danke nochmals!!!
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coole Sache - ich sag danke
und dann noch der nette Text dazu.... *rotwerd* auf die nächsten Hundert!!!
Beitrag geändert von jogiwan (27.March 2008 13:11:09)
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jogiwan schrieb:
coole Sache - ich sag danke
und dann noch der nette Text dazu.... *rotwerd* auf die nächsten Hundert!!!
Klar .
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flacmurry schrieb:
Hey Jogi. Klasse Arbeit. Herzlichen Glückwunsch zum 100sten!
Dem schließe ich mich an .
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