project: equinoX Forum

geschrieben von jogiwan am 30.10.05

Im ruhigen Orbit Nationalpark in Indien gehen mysteriöse Dinge vor sich. Tierexperten und Touristen geben sich beim munteren Sterben eifrig gegenseitig die Klinke in die Hand. Der Schuldige scheint auch bald gefunden: ein menschenfressender Tiger, der in dem 1300 m2 großen Areal sein Zuhause gefunden hat und neuerdings die menschliche Rasse in sein Beuteschema aufgenommen hat.
Raubtierexperte Krish (John Abraham) wird von "National Geographic" in den Park beordert um Licht in die mysteriöse Geschichte zu bringen. Er glaubt nicht, dass ein einzelner Tiger für die Morde verantwortlich ist und vermutet eindeutig mehr hinter der ganzen Sache. Gemeinsam mit seiner attraktiven Frau Riya (Esha Deol), einer Fotografin, macht er sich auf den Weg in das ominöse Kerngebiet, Strecke 5, in dem alle Todesfälle geschehen sind.

Etwas zur gleichen Zeit machen sich 4 befreundete Jugendliche auf Delhi auf, um ein paar entspannende Tage auf einer Farm am Lande zu verbringen. Das Pärchen Dev (Vivek Oberoi) und Ishika (Lara Dutta), sowie der draufgängerische Sajid (Kushaal Paunjabi) und der etwas ängstliche und ständig mit einer Videokamera bewaffnete Vishal (Vishal Malhotra).
Doch die Reise steht unter keinem guten Stern und die bösen Omen mehren sich. Als dann auch noch an einem Freitag der 13. eine schwarze Katze ihren Weg kreuzt ist es auch Schluss mit lustig. Der fabrikneue Wagen gibt den Geist auf und die Jugendlichen müssen in der Einöde den etwas zwielichtigen Bagga (Vinit Kumar) als Fahrer anheuern. Der überredet die Jugendlichen zu einem Trip in das Reservat, in dem er den jungen Menschen einen einzigartigen Abenteuerurlaub verspricht. Sajid ist sofort Feuer und Flamme und auch Ishika ist angesichts des versprochenen Nervenkitzels mehr als begeistert. So willigen schlussendlich auch die anderen beiden ein.

Unterwegs macht der illustere Trupp unfreiwillig Bekanntschaft mit dem ebenfalls liegengebliebenen Autos von Krish, Riya, sowie ihrem Fahrer und nehmen die beiden Erstgenannten mit. Gemeinsam fahren alle zum nächsten Lagerplatz, wo auch alle herzliche Aufnahme finden. Gemeinsam sitzen abends die jungen Leute beim Lagerfeuer und hören den gruseligen Geschichten des Fremdenführers Pandey. Doch als dieser am nächsten Tag tot als Geierfutter gefunden wird, liegen die Nerven bei den Mädels blank und sie wollen den Park verlassen. Auch der Parkaufseher rät den jungen Menschen angesichts dem drohenden Monsuns das Reservat so schnell wie möglich zu verlassen. Doch Sajid hat sich bereits frühmorgens aufgemacht um seiner geheimen Jagdleidenschaft zu frönen. Gemeinsam machen sich alle auf den Weg um Sajid zu suchen.
Als Bruchpilot Bagga jedoch über einen Stein (der angesichts seiner Größe wahrlich schwer zu entdecken gewesen wäre) fährt und sich auch noch die Heckklappe im hohen Bogen verabschiedet, müssen Krish und Dev den Wagen, trotz aller vorhergehenden Warnungen verlassen. So ein leichtsinniges Verhalten wird natürlich flugs bestraft und die beiden sehen sich auf einmal von 3 hungrigen Tigern umzingelt. Doch Rettung naht in Form des mysteriösen, finster-dreinblickenden Kali Pratap Singh (Ajay Devgan), der wie aus dem Nichts auftaucht, die Tiger vertreibt und somit das Schlimmste verhindern kann.

Wenig später findet der Trupp auch den Sajid, der wohl kopflos agierte und nun ebenso und tot am Fluss kauert. Tief verängstigt beschließen alle den Park zu verlassen, doch ein Aufgrund der anherrschenden schlechten Wetterlage sind die Strassen unpassierbar. Als die Situation ausweglos erscheint, treffen sie neuerlich den mysteriösen Kali, der ihnen anbietet, sie aus dem Nationalpark zu begleiten. Doch bald fordert die Reise weitere Todesopfer und die Jugendlichen sehen sich einer weit größeren Gefahr ausgeliefert, als zunächst gedacht... Ein nervenzerfetzender Kampf und das Überleben beginnt...

Hier ist er nun: "Kaal", der erste Geisterfilm aus Bollywood, der auch nahezu auf die allseits-beliebten Tanzszenen verzichtet, für die sich normalerweise Bollywood-Filme auszeichnen. Nur in der knapp 6-minütigen Anfangssequenz mit einem Gastauftritt von Shah Rukh Khan (mit aufgemalten Tribal) und Malaika Arora, sowie im Abspann sind die typischen Elemente eines indischen Filmes sichtbar. Leider muss man ja fast sagen, denn ein paar flotte Gesangseinlagen und Tanzszenen hätten dem Film sicherlich nicht geschadet - ganz im Gegenteil.

"Kaal", das Regiedebüt des jungen Regisseurs Soham Shah, der sich nebenbei auch noch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet ist ein nahezu spannungsfreies, unlogisches und zusammengeklautes Machwerk, für das man einen westlichen Regisseur wohl sofort die Lizenz zum Filmemachen entziehen würde.  Doch immerhin handelt es sich um einen indischen Film, sodass man mit normalen Bewertungsrichtlinien nicht an diesen Film herangehen kann. Bollywood ist ja nicht gerade als Entstehungsstätte für nervenzerfetzende und innovative Horrorstreifen bekannt und so verwundert es auch nicht, dass sich die ganze Inszenierung äußerst blutarm und auch etwas langatmig präsentiert. Blutige Sequenzen werden angedeutet bzw. durch Farbumkehr entschärft. Für indische Kinobesucher mag "Kaal" ja spannend und gruselig erscheinen, einem westlicher Zuseher wird der ganze Film trotz kleiner Fulci-Reminiszenz gegen Ende wohl nur ein müdes Lächeln abgewinnen.

Zugegeben, auf der Spannungsebene versagt der Film auf der ganzen Linie, dafür macht er aber auf der anderen Seite trotzdem Spaß. Und zwar als solide-gefilmtes, herrlich antiquiert-anmutendes Big-Budget-Trash-Abenteuer-Irgendwas, in dem die wenigen Schrecksekunden so vorhersehbar kommen, dass man einfach nur noch mit einem Schmunzeln vor dem Bildschirm darauf warten kann bzw. welchen Nebendarsteller es als Nächstes erwischt. Die Story ist eine krude Mischung aus "der Geist und die Dunkelheit" und "final destination" und kann sich nie so recht entscheiden, in welche Richtung er letztendlich tendieren soll und versagt so auf jeder Linie. Andauernd wird (un)geschickt versucht, den Verdacht von einer Person auf die andere zu schieben, bis es dem Zuschauer letztendlich vermutlich dann auch egal ist. Zusätzlich wird alles noch mit Traumsequenzen und Zeitlupeneinstellungen ordentlich in die Länge gezogen. Die eigentliche Auflösung ist dann so banal wie unlogisch. Wie bbc.co.uk auf "...will scare you to death!" gekommen ist bleibt wohl das größere Rätsel... Daher ist es auch wenig verwunderlich, dass "Kaal" überall auch gnadenlos in der Luft zerfetzt wird und sich (westliche) Filmfreunde rund um den Globus wenig wohlwollend über diesen Film äußern.

Trotzdem macht "Kaal" jedoch irrsinnig Spaß, da die Charaktere sich so herrlich unlogisch verhalten dürfen. So was ist ja eigentlich bei uns seit Mitte der Achtziger ziemlich verpönt. Da ist einmal der Tierexperte Krish, der wie frisch vom Laufsteg gecastet zu sein scheint und uns permanent seinen hübsch-trainierten Oberkörper präsentiert. Wie Ernst es ihm mit der Forschung ist, zeigt sich schon bei der etwas unorthodoxen Art, eine entlaufene (haha!) Schlange wieder in ihr Terrarium zu befördern. Dann Riya, seine nicht minder-attraktive Fotografen-Frau, die ernsthaft an permanenter Dehydration zu leiden scheint, und immer im knappen, dafür wenig-dschungeltauglichen Outfits durch die Gegend hoppelt. Dann die vier Knallchargen aus Delhi, die so eindimensional ausgefallen sind, dass es eine wahre Freude ist, den Vieren zuzusehen. Dann dürfen die auch noch permanent so doofe Sprüche aufsagen, die leider in der deutschen Synchronisation etwas entschärft wurden. Meine geheime Favoritin ist jedoch eindeutig Ishika, die sich mit einem Auftritt im Film sofort in die Top 3 der Scream-Queen-Charts befördert hat. So was nennt man wohl Overacting...Hammer!

Bis Juni 2005 hat "Kaal" laut IMDB in Indien knapp 200 Millionen indische Rupien eingespielt, was 3,7 Millionen Euro entspricht. Zum Vergleich dazu: "sometimes happy - sometimes sad" hatte das doppelte Einspielergebnis. Somit kann "kaal" wohl trotzdem als kommerziell sehr erfolgreich eingestuft werden. In England und den US, traditionelle Länder in denen indische Filme auch mehr oder minder erfolgreich im Kino zu sehen sind, war der Start jedoch eher etwas mau. Auch die Reaktionen der Zuseher vom Fantasy Filmfest in München, wo der Film seine Deutschlandpremiere hatte, möchte ich ja lieber an dieser Stelle nicht erahnen.
Leider bleibt doch zu sagen, dass es anscheinend auch in Indien langsam zum Trend wird, westliche Filme bzw. deren Machart und Geschichten zu kopieren. Eine Tatsache, die ich mehr als schade finde, da die ganze Exotik, die ich an Bollywood-Filmen so toll und einzigartig finde, langsam aber sicher flöten gehen wird.

Nun zu den Darstellern: Ajay Devgan als Kali ist einer der bekanntesten Bollywood-Stars und ist auch der Star des Filmes, auch wenn er erst knapp nach einer Stunde Laufzeit seinen ersten Auftritt hat. Der wandlungsfähige Schauspieler wurde als Sohn eines der bekanntesten Stunt-Koordinaten Indiens geboren und ist mit dem weiblichen Superstar Kajol ("sometimes happy -sometimes sad") verheiratet. Im Gegensatz zu anderen Darstellern hat Devgan jedoch keine Scheu auch einmal den Bösewicht zu verkörpern und gilt daher als "Bad Boy" des Business.
Vivek Oberoi (Dev) versuchte sich, bevor er als Schauspieler Fuß fasste, zuerst als Drehbuchautor und zählt trotz seiner 38 Jahre noch immer zu den hoffungsvollen Nachwuchsdarstellern Bollywoods. In seiner ersten Rolle erhielt Oberoi gleich zwei Filmfare Awards als "best debut" sowie als "best actor in a supporting role". Seine weitern Filme erwiesen sich als Kassenschlager.
John Abrahams (Krish) wurde 1972 in Bombay geboren und ist eines der bekanntesten Models in Indien. Auch mir kommt der gute Herr mehr als bekannt vor und ich grübel´ schon seit Tagen, wo mir dieses Gesicht schon einmal untergekommen wäre. Wie üblich ist es vom Model-Business nur ein Katzensprung ins Filmgeschäft. Doch seine ersten beiden Filme waren nicht sonderlich erfolgreich. Mit dem Action-Kracher "dhoom" klappte es dann 2004 auch endlich mit dem Durchbruch und auch sein nächster Film, der einige Superstars des indischen Kinos vereint, wird wohl ein Kassenschlager werden.
Lara Dutta (Ishika) kann auf eine lange Karriere als Model und Werbeträger zurückblicken und hat natürlich wie zahlreiche ihrer Kolleginnen auch einen Miss World-Titel in der Tasche. Nur ihr Agent sollte mit der Dame mal ein ernstes Wörtchen reden: ein Rollenangebot aus Hollywood für die beiden Nachfolgeteile von "Matrix" hat Dutta abgelehnt, weil ihr die Drehbücher nicht gefielen.   

Die DVD von "Rapid Eye Movies/Universum Film" kommt wie üblich im hübschen Digipack als Single-Disc mit doppelseitigen Filmposter und bietet den Film in hindi-/englischsprachigen Original mit ausblendbaren, deutschen Untertiteln - sowie in einer synchronisierten Fassung, die zwar gelungen ist, abermals aber gegen die Originalversion keine Chance hat. Weiters gibt’s es als Extras die beiden im Film verwendeten Songs und einen Bonus-Song als einzeln-anwählbare Clips, den Trailer und ein knapp 22 minütiges Making-Of zum Film, dass sich jedoch als Filmwerbungs-Aufsage-Filmchen der 5 Hauptdarsteller entpuppt und daher nicht sonderlich informativ daher kommt. Darin dürfen sich - wie üblich - alle Hauptdarsteller über das innovative Drehbuch, die einzigartige Machart des Filmes und die bahnbrechend-spannende Geschichte äußern, und natürlich auch darüber, wie sehr sich doch jeder Einzelne mit seiner Filmrolle, die nebenbei noch die Wunschrolle des jeweiligen Schauspielers darstellt, identifizieren konnte. Anscheinend lernt man bestimmte englische Sätze obligatorisch in den indischen Schauspielschulen...

Abschließend bleibt zu sagen, dass "Kaal" doch wohl nur für Freunde von (grossbudgetierten) Trashfilmen zu empfehlen sind. Er ist handwerklich gut gemacht und bietet auch jede Menge schöner Bilder, allerdings verliert er sich zunehmends in seiner unoriginellen Story und Unentschlossenheit und ist dadurch im Gesamten auch nur mäßig unterhaltsam. Mir hat er allerdings aufgrund dieser beinahe naiven Herangehensweise an das Horror-Genre und unter Zurechnung des indischen Exotenbonusses eigentlich recht gut gefallen. Beim zweiten Mal hat er mir auf jeden Fall schon mehr Spaß gemacht. Als Partyfilm taugt er allemal und mit erhöhtem Alkoholspiegel ist "Kaal" vermutlich sogar ein richtiger Kracher. Hübsche Jungs und Mädels im knappen Outfit, die auch nach Tagen Dschungelcamp noch immer herrlich frisch aussehen, als wären sie soeben der Dusche entsprungen... ein Mädel dass zuerst auf einer Bahre transportiert werden muss, anschließend aber als wäre nichts gewesen um ihr Leben rennt. Staubtrockene Strassen in der Regenzeit... die Liste ließe sich jetzt beliebig fortsetzen, aber den Spaß will ich euch an dieser Stelle nicht nehmen, all die Kleinigkeiten selber zu entdecken.