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Fido
Den Namen der Hauptfigur bzw. einer für den Verlauf der Handlung besonders wichtigen Person bereits als Filmtitel zu präsentieren, ist langgehegte Tradition und reicht von Laura über Jules et Jim bis zu Yentl. Doch Fido ist weder verfilmte Biographie, Entwicklungs- oder Beziehungsdrama noch ein um eine geheimnisvolle Femme fatale zentrierter Noir, sondern soviel schon vorweg eine wunderbar leichte Zombiekomödie. Nun hat diese besondere Spezies ja eher ein Problem mit Name, Gesicht und Individualität (was sie immerhin mit Yentl eint). Doch scheinbar setzt Fido an, mit dieser Konzeption zu brechen.
Der Film führt uns in die 50er bzw. frühen 60er Jahre, in die idyllische Kleinstadt Willard mit ihren farbenfrohen Häuschen, blitzenden weißen Zäunen, riesigen Wohnküchen, in denen sich nie schmutziges Geschirr verirrt, und übertrieben gepflegten Kleingärten, eine Welt, die an die großen amerikanischen Melodramen oder an Filme wie Blue Velvet (1986), The Hours (2002)oder Edward Scissorhands (1990) erinnert und uns daraufhin weist, dass unter der allzu schmucken Oberfläche so einiges im Verborgenen liegt. Der "Idylle" voraus ging der Eintritt einer verstrahlten Wolke in die Erdatmosphäre, deren Partikel die Auferstehung der Toten aus ihren Gräbern bewirkte und sie mit einer ausgesprochenen Gier nach Menschenfleisch ausstattete. Der Film setzt also an Romeros Mythologie bzw. dessen Neukonzeption des Zombies an. Dem erfindungsreichen ZomCon-Konzern gelingt es nicht nur ein Verfahren zur Vernichtung der Zombies zu entwickeln (der klasssiche Schuss in die Stirnpartie) sowie die Städte gegen die Seuche weitgehend abzuriegeln, sondern auch die wildgewordenen Wiederkehrer zu domestizieren. Dr. Logan aus Romeros Day of the dead (1985) wäre begeistert gewesen. Mit Hilfe eines elektronischen Halsbandes wird der ungewollte Fresstrieb ausgeschaltet und darüberhinaus die Zombies als Haushaltshelfer und Fabrikarbeiter in den Produktionsprozess integriert. Nicht nur Romero auch die Halperin-Brüder mit ihrem White Zombie (1932) scheinen Pate gestanden zu haben.
Der geübte Genreliebhaber weiß natürlich, dass sich das Andere weder so einfach ausgrenzen noch so einfach einsperren und zähmen lässt. Hundertprozentigen Schutz versprechen weder die Zäune als Abgrenzung von den „wilden“, verseuchten Zonen, in denen die Untoten wüten, noch die Halsbänder, deren Technik allzu leicht versagt. Der Umgang mit den Handfeuerwaffen wird bereits in der Schule geübt und ohne Waffe traut sich selbst die biedere Hausfrau nicht vor die Tür. Gleichwohl hat man eine gewisse störrische Ruhe in Beseitigung und Handhabung der Zombies und damit auch der eigenen Nachbarn und Verwandten entwickelt. Die Integration der Wiederkehrer in die Struktur der Arbeitsverteilung erweist sich als ähnlich schwierig: die auszuliefernde Zeitung landet in der Hecke, die Milchflasche zerschellt an der Haustür und der Braten landet auf dem Fußboden. Herrlich absurd und amüsant zelebriert der Film seine Sicht auf eine industrialisierte Luxusgesellschaft, die sich in der Nähe der Industrie in kleinen Gemeinden sammelt, um sich dort an moralische Traditionen, gemeinschaftliche Rituale und einer kitschigen Vorstellung vom Einssein mit der Natur zu klammern.
Im Zentrum der Geschichte steht der kleine Junge Timmy Robinson (angenehm unnervig: K'Sun Ray), der sich mit Fido dem Hauszombie der Familie anfreundet. Fido gewinnt das Herz des Jungen und seiner attraktiven Mutter, die sich von ihrem Mann vernachlässigt fühlt. Dessen Beziehung zu Frau und Kind ist deutlich gestört und gekennzeichnet von einer tiefen Unsicherheit in der Ausübung der Vaterrolle. Zu seiner Angst vor Zombies sowie seinem Widerwillen gegenüber deren Integration in gesellschaftliche Strukturen gesellt sich bald die Furcht Fido könne seine Rolle besetzen.
Als sich herausstellt, dass Fido für eine erneute Zombieepidemie in der Stadt verantwortlich war, wird er von ZomCon abgeholt und wieder als Fabrikarbeiter eingesetzt. Der Junge will den gewonnen Freund nicht aufgeben und dringt in die Firma ein, um ihn zu befreien.
Es läst sich beileibe nicht nur vermuten, dass die Drehbuchschreiber Rober Chomiak und Andrew Currie, der auch die Regie übernommen hat, leidenschaftliche Romerofans sind. Überaus konsequent nimmt der Film Romeros Motive wieder auf. Currie hat seine Liebeserklärung an dessen Debut bereits als Kurzfilm unter dem hübsch abstrusen Titel Night of the living (1997) vorgelegt, dessen Material auch in Fido Verwendung findet. Und nun liefert er als grandiose Sommerkomödie den wahren Land of the dead (2005) ab. Zumindest übernimmt er dessen Konzeption einer Neuformierung der Gesellschaft innerhalb von abgegrenzten Zonen sowie die Idee der Ausbeutung der Untoten durch eine höhergestellte Elite. Romeros Umsetzung des Themas ließ Dennis Hopper als offensichtlichen Bushclone und Leiter von Fiddler’s Green auf afroamerikanische Zombieanführer treffen, dessen proletarisch, fröhlich vor sich hin grunzende Menge den Aufstand zelebriert. Sicherlich nicht das erste Mal im Kino, dass die Sympathie auf Seiten der Ungeheuer wechselte. Welche Grenzen Romeros Untoten auch immer überwinden mögen, der einstige Erneuerer des Subgenres traf jedenfalls auf die eigenen. Das Gespür für Bildaufbau, Montage und Figurenzeichnung war dem Meister abhanden gekommen. Alles Dinge, die Currie in seinem Film mit Bravour meistert. Bub, der Melancholiker unter den Untoten aus Day of the Dead, findet mit Fido endlich einen würdigen Nachfolger. Ein Zombie mit Seele, der Gefühle, der Freundschaft kennt und der (die Überspitzung der Komödie macht es möglich) auch an Sexualität Interesse zeigt. Seine aggressive Zombienatur kann er selbst kontrollieren, sie bricht nur gegenüber Personen aus, welche sich als regressiv erweisen bzw. die Dichotomie Zombie / Mensch stützen, worunter sowohl großmäulige Kinder als auch ältere Damen mit Gehhilfe fallen.
Der große Pate ist dabei fast weniger Romero als der Altmeister des Melodrams Douglas Sirk, dessen All that heaven allows (1955) hier eine schöne Persiflage zur Seite gestellt bekommt. Von Sirk wird sich nicht nur das Setting geborgt. Fido ist vor allem eine Geschichte über die Liebe, die von gesellschaftlichen Strukturen als auch den individuellen Schranken bedroht wird. Timmy wehrt sich gegen das Gebot, keine Freundschaft mit einem Zombie zu schließen, seine Mutter, die zwischen dem beziehungsunfähigen Ehemann und dem „Hausdiener“ hin und hergerissen ist, beginnt darüber hinaus körperliches Interesse an dem Ausgestoßenen zu entwickeln und so scheint es, ihn gar als möglichen Partner in Betracht zu ziehen. Das Andere dringt also erfolgreich in die Institution Familie ein. Ob es wie bei Sirk zu einem Happy End reicht oder wir eher wie in Todd Haynes grandiosem Sirk-Revival Far from heaven (2002) die Taschentücher ziehen müssen, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Dafür wird eine dringende Empfehlung für Fido ausgesprochen, der nach der gesammelten Mannschaft von 28 Days later, Shaun of the dead & Co nun endgültig jene Lügen straft, die dem Subgenre des Zombiefilms keine sonnige Zukunft prophezeiten.
Die mir vorliegende DVD von Ascot Elite präsentiert den Film in sehr guter Bild- und Tonqualität sowie im korrekten Bildformat (2.35:1, Anamorphic Widescreen). Leider gibt es außer kaum mehr erwähnenswerten Standards wie dem Original-Trailer und einer Trailershow keine Extras. Es ist allerdings bereits eine Kauf-DVD angekündigt mit umfangreichen Zusatzmaterial.
Beitrag geändert von CVeidt (19.February 2008 14:06:52)
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Ich muss nochmal über den Text gehen. Allerdings kann ich dir auch die Bilder erst morgen schicken.
Ich versuche das Review zur Sirk-Collection (das ja prima zu Fido past ) noch vor Donnerstag hinzukriegen, kann es aber nicht ganz versprechen!
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Ich denke jetzt geht es soweit in Ordnung. Gleich mach ich noch die Screenshots und schicke sie dir rüber!
Du müsstest mir lediglich nochmal kurz sagen, wann das Sirk-Review fertig sein muss, um es noch zu veröffentlichen, bevor du erstmal für 3 Wochen außer Gefecht gesetzt bist.
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CVeidt schrieb:
Ich denke jetzt geht es soweit in Ordnung. Gleich mach ich noch die Screenshots und schicke sie dir rüber!
Danke ist angekommen!
Du müsstest mir lediglich nochmal kurz sagen, wann das Sirk-Review fertig sein muss, um es noch zu veröffentlichen, bevor du erstmal für 3 Wochen außer Gefecht gesetzt bist.
Musste das ganze verschieben, da ich derzeit mit einer fiebrigen Grippe außer Gefecht bin. Der neue Termin ist der 4. März. Also am besten bis spätestens zu dem Wochenende davor, sollte es fertig sein, damit ich es noch Online stellen kann.
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@ CVeidt,
ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=3453 - Danke nochmal!!!
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