project: equinoX Forum

Mino (Franco Nero) ist ein glücklicher Zeitgenosse: jung, attraktiv, Villa- und Großgrundbesitzer, glücklich verlobt und in seiner Freizeit stopft er gerne tote Tiere aus. Wäre er damit nicht voll und ganz ausgelastet, er wäre mit seinem Aussehen wohl Softpornostar geworden. Leider ist die Situation jedoch nicht so glücklich wie eigentlich angenommen. Nach dem tragischen Tod seines Vaters ist Mino zu einem Muttersöhnchen verkommen, das vollends unter der Fuchtel der herrischen Mutter (Olga Solbelli) steht und sogar bei ihr im Zimmer schläft. Das sich Mino nun in die attraktive Laura (Erika Blanc) verliebt hat, und sich eine Frau zwischen die intensive Mutter-Sohn-Beziehung drängt, ist der rüstigen Contessa daher ein riesiger Dorn im Auge. Das Verhältnis der Comtessa zu Laura ist daher alles andere als rosig, was wiederum den schüchternen Mino sehr belastet.

Aber noch einer Person kommt diese Beziehung alles andere als gelegen. Haushälterin Marta (Gioia Pascal), hat seit Jahren ein Auge auf Mino bzw. dem Reichtum seiner Familie geworfen. Diese ist zwar im selben Haus mit Mino aufgewachsen, konnte aber den Luxus der Familie immer nur neidvoll betrachten und nie selbst genießen. Ein Umstand, der Martha zu einer verbitterten und gewaltbereiten Person gemacht hat. Und während es zwischen der Comtessa und Laura wieder einmal zu einem Disput kommt, schneidet Martha kurzerhand die Bremsschläuche an Lauras Alfa Romeo durch. Bei der überstürzten Abreise kommt es dann auch zum tragischen Unglück und Laura stürzt vor den Augen des ihr folgenden Minos samt Karre den Abhang hinab und ertrinkt hilflos in einem See. Und auch in der Villa kommt es augrund Kompetenzüberschreitung des Dienstpersonals zu einem handfesten Streit. Die Comtessa feuert im Zorn die seit Jugendtagen zutiefst verbundene Haushälterin Martha, die undankbarer weise als Reaktion darauf, die betagte Dame unsanft mit dem Kopf voraus die Stiegen hinunterbefördert und die daraufhin wimmernde Dame mit bloßen Händen ins Jenseits befördert.

Zwei so wichtige Frauen am selben Tag zu verlieren ist für den sensiblen Mino natürlich zuviel des Guten und er gleitet von tiefer Traurigkeit zunehmend in die Unzurechnungsfähigkeit. Weiters entwickelt er eine seltsame Obsession für tote Dinge, mit denen er sich zunehmend umgibt. Kein Wunder daher, dass er auch den Leichnam von Laura entführt und ausgestopft in einem Flügel des geräumigen Hauses bunkert, das er mit Martha weiter bewohnt. Doch eine tote Braut ist natürlich zu wenig, sodass sich der gutaussehende Herr alsbald wieder ins Nachtleben stürzt. Flugs ist natürlich auch ein internationaler Tanzstar aufgezwickt, der mit nach Hause genommen wird. Im Zimmer, wo auch die tote Braut gelagert wird, soll es zum Akt kommen. Doch die Lust der Dame vergeht in dem Moment, als diese ihre fahle Nebenbuhlerin entdeckt. Doch der Schreck währt nur kurz, erwürgt Mino doch die gute Dame in sekundenschnelle.

Zwei Leichen sind eine zuviel und so wird die gute, aber etwas tote Tänzerin im hauseigenen Labor mittels Salzsäure entsorgt. Doch Mino verstrickt sich immer weiter in seinen Wahnvorstellungen und kurze Zeit später wiederholt sich das gleiche Spiel mit einer Dame vom Straßenstrich. Nun hängt der Haussegen entgültig schief und Martha will nur dann die Klappe halten, wenn Mino sie endlich ehelicht. Als dann kurze Zeit darauf auch noch die Daniella (abermals Erika Blanc), die kleine Schwester von Laura auftaucht, die ihr auch noch zum Verwechseln ähnlich sieht, ist sowieso Feuer am Dach. Daniella ist auf der Suche nach dem Leichnam ihrer Schwester, die nie gefunden wurde. Die Gastfreundschaft von Mino nimmt sie dankbar an. Doch Martha ist der hübsche Neuzugang natürlich alles andere als recht, da sie bereits ihre Felle davonschwimmen sieht. So kommt es in der Villa zu einer schicksalhaften Nacht voller Eifersucht, Mord und Wahnsinn...

Hehe, die Wege des Herrn für seine Schäfchen sind ja oft unergründlich. Und so kann es dann schon mal passieren, dass einem nichtsahnenden Filmfreak auf der Suche nach einem ähm... geschmackvollen Geschenk für eine Wohnungseinweihungsfeier beim örtlichen Möbel-Disconter zwischen grauenvollen Wohnwänden in Gelsenkirchener Barock, Teppichen für Farbenblinde und Wohnaccessoires aus den Untiefen der Geschmacksunsicherheit unerhofft diese Perle des italienischen Films in die Hände fällt. Und „il terzo occhio“ von Mino (!!!) Guerrini aus dem Jahre 1966 ist ja auch nicht nur irgendein spannender S/W-Film, sondern das Original zu Joe D´Amatos sleazigem Necro-Schocker  „Buio Omega“. Zu dem muss ja eigentlich auch nicht viel gesagt werden – handelt es sich doch dabei um einen meiner absoluten Lieblingsfilme. Und als Fan ist es dann auch verzeihlich, dass ich  von meinem eigenen Ergüssen die Einleitungssätze zur Zweitverwertung ausgeborgt habe.

Die Geschichte ist dann natürlich auch sehr ähnlich, auch wenn man sich natürlich bei einem Film aus dem Jahre 1966 natürlich keine brutalen oder gar gorigen Sequenzen erwarten darf. Mino ist ein zurückhaltender Sohn aus guten Hause, dem irgendwann mal aufgrund traumatischer Erlebnisse die Zurechnungsfähigkeit abhanden kommt. Mit Zurückweisung kommt er nicht zurecht und so beschäftigt er sich lieber mit toten Dingen, als mit lebenden Menschen, die ihn nicht zu verstehen scheinen. Als sich sein Plan, Laura zu heiraten aufgrund des Unglücks nicht mehr realisieren lässt und er auch seine geliebte Mutter am selben Tag verliert, flüchtet er sich in eine Traumwelt, aus der er nicht mehr entfliehen kann. Aus Unsicherheit allem Lebenden gegenüber wird der gute Herr dann auch zum Mörder und da kommt ja selten was Gutes dabei raus.

Drehbuchautor und Regisseur Mino Guerrini hat sich bei seinem Film offensichtlich auch stark von Alfred Hitchcocks „Psycho“ inspirieren lassen. Die dominante Mutter und ihr zartbesaiteter Sohn, sowie die ausgestopften Tiere bzw. Menschen gibt es ja auch bei dem 1960 gedrehten Suspense-Klassiker. Der junge Franco Nero erinnert mich ja auch irgendwie stark an  Anthony Perkins. Trotzdem kopieren die sympathischen Menschen aus dem Land des Stiefel wie üblich nicht nur einfach die Grundstrukturen, sondern setzen natürlich wieder eines drauf. Dieses Mal mit der allseits beliebten Thematik Nekrophilie, die jedoch im Film nur ganz, ganz zart am Rande angedeutet wird. Das wäre wohl auf für damalige Verhältnisse mehr als gewagt gewesen und selbst Schmuddelfilmer D´Amato hat dieses in seinem Remake nur leicht gestreift. Was der Hauptdarsteller Mino daher mit seiner ausgestopften Laura des nächtens wohl so treibt, darüber lässt Herr Guerrini den Zuschauer daher auch dezent im Unklaren.

Gemeinsamkeiten hin- oder her, „das dritte Auge“ ist ein gelungener Film, der durchaus sehr gut zu unterhalten weis. Der Zuschauer wird von der ersten Sekunde an mit den zerrütteten und etwas seltsamen Familienverhältnissen im Hause Alberti konfrontiert. Reichtum treffen auf Missgunst, Liebe auf Hass und Unschuld auf Mord. Die Optik und das Tempo des Filmes ist sehr stimmig und wird auch beinahe bis zum Schluss gehalten. Das Ende ist jetzt imho vielleicht nicht ganz gelungen und etwas offen gestaltet, passt aber trotzdem zum Gesamtbild eines gelungenen Gothic-Schockers Was ich mir jedoch mehr gewünscht hätte, wäre die tiefergehende Charakterisierung von Mino gewesen. Allerdings scheint die deutsche DVD auch in Handlungssequenzen etwas gekürzt zu sein, was ich jetzt allerdings nicht genau belegen kann. Laut IMDB dauert der Film jedenfalls 98 Minuten, auf der DVD allerdings ohne Abspann nur knappe 78 Minuten. Und wer in Kopfrechen bewandert ist, der merkt gleich, dass da eine gehörige Menge an Filmmetern abhanden gekommen sind. Das sogenannte und titelgebende „dritte Auge“ wird ja dann auch von Mino nur kurz in einer Dialogszene erwähnt. Was es aber damit auf sich hat, bwz. was damit gemeint ist, entzieht sich daher meiner Kenntnis.

Franco Nero, der vielbeschäftigte italienische Darsteller spielt den schüchterne Mino mit großen Hang zur Theatralik. Teils sensibel, teils irre - den toughen Cowboy lässt er jedenfalls in „il terzo occhio“ nicht raushängen. Trotzdem ist er für mein Empfinden einen Tick zu durchgeknallt und nicht ganz glaubwürdig, was jedoch auch an den geschnittenen Szenen liegen kann. Erika Blanc hingegen hat eher zwei kleinere Rollen, in denen sie recht hübsch anzusehen ist. Sie spielt die unschuldige Blondine(n) im Wechselbad der Gefühle dann auch ganz passabel und glaubwürdig. Ganz großes Kino hingegen sind Gioia Pascal als durchtriebene und raffgierige Haushälterin Marta und Olga Solbelli als dominante Comtessa. Beide spielen wirklich ganz grandios und übertreffen sich gegenseitig in Punkto Bösartigkeit. Ganz toll!

Den Film selbst gibt es von Anolis und von Carol Media, die anscheinend bis auf die Verpackung auch identisch sein dürften. Welche jetzt geschmackvoller ausgefallen ist, ist wohl schwer zu sagen. Während die Leutchen von Carol-Media das Original-Plakat mit einer schlecht-eingefügten Leiche aufgepeppt haben, bietet die Scheibe von Anolis ein brechreizförderndes Cover in Babyblau, dass dem Film dann auch so was von absolut nicht gerecht wird. Aber auch egal, beide VÖ´s haben jeweils eine Laufzeit von knapp 78 Minuten mit gutem Bild und einer mehr als ungerechtfertigten Altersfreigabe. Das S/W-Bild ist für einen 40 Jahre alten Film dann wirklich mehr als ok und bietet, sowie der Ton auch keinerlei Anlass zur Beanstandung. Allerdings bietet die Scheibe auch nur die deutsche Synchronfassung. Originalfassung, Untertitel, Trailer oder gar Bonusmaterial sucht man jedoch vergeblich. Die kleine Slideshow ist ja auch eher ein Witz. Meine EUR 2,90 für die Carol-Media-Scheibe hätte ich trotzdem nicht besser investieren können.

So bleibt unterm Strich ein interessanter und kurzweiliger Schwarzweiss-Gothic-Grusler im Stile von Hitchcocks „Psycho“ mit bekannten Gesichtern und grandiosen Darstellern, der über weite Strecken sehr gut zu unterhalten weis. Eine züchtige Psychostudie über einen verwirrten jungen Menschen, der im Grunde nichts anderes als lieben und sich geborgen fühlen  möchte. Das ganze eingefangen in schicken, schönen Bildern im gediegener Atmosphäre und flotter Musik. Das Tempo ist dabei eher gemächlich und hat mit dem reißerischen und weichzeichnerischen „Sado“ wenig gemeinsam. „Tore zur Hölle“ werden jedenfalls auch keine aufgestoßen und die Gewaltszenen wirken allesamt etwas altbacken und so wie die Tanzdarbietung der Stripperin – pardon – des internationalen Tanzstars Maria Margot teils beinahe erheiternd.. Weil aber auch das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt, Erika Blanc mit von der Partie ist und das Teil auch noch der Vorläufer eines meiner Alltime-Fave-Filme ist, gibt es natürlich zusätzlich Bonus-Punkte. Somit gibt’s an dieser Stelle für diesen absoluten Zufalls-Glückskauf auch 8 von 10 über die Klippen gejagte Alfa Romeros. Cool!

Beitrag geändert von jogiwan (12.December 2007 17:49:22)