project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der amerikanische Fotograf David (David Wissak) und seine russische Freundin Katia (Katia Golubeva) fahren im geländegängigen Hummer von Los Angeles in das kleine Kaff 29 Palms. Dort möchte David in den unendlichen und kargen Weiten der Mojave-Wüste nach geeigneten Motiven für zukünftige Aufträge Ausschau halten. Doch das Pärchen ist nicht glücklich und schon bei der Hinfahrt entwickelt sich aus einer scheinbar belangslosen Frage ein handfester Streit. Das ist allerdings erst der Auftakt einer Reihe von unterschwelligen Konflikten zwischen dem rasend eifersüchtigen Modell und Besitz ergreifenden David
Am Tag unternehmen die beiden Ausflüge in die unwirtliche und beinahe surrealistische Gegend und haben dort heftigen Sex. Sie streiten sich und versöhnen sich anschließend wieder. Sie machen gemeinsame Unternehmung, sie flüchten von einander und finden doch wieder zurück und am nächsten Tag beginnt alles von Vorne. Doch mit zunehmender Laufzeit werden die Emotionen immer intensiver. Der Sex, sowie die Streitereien werden immer heftiger und entladen sich in Handgreiflichkeiten. Doch dann geschieht etwas Grauenvolles. Bei einem seiner Ausflüge wird das Paar überfallen und David vor den Augen seiner Freundin zusammengeschlagen und vergewaltigt. Mit Mühe schaffen es die beiden zurück ins Motel, doch dort geschieht eine weitere, grausame Tat…
Leicht macht es einem Bruno Dumont mit seinem dritten, abendfüllenden Werk ja wirklich niemanden. Weder dem Zusehern, noch seinen Darstellern, oder gar dem Review-Schreiber. Das Werk mit seiner bruchstückhaft erzählten Story entzieht sich ja komplett den gängigen Kino-Konventionen. Weder die Dialoge, noch die Geschichte ist in „twentynine palms“ ausschlaggebend. Viel mehr erzählt sich der Film durch Bilder einer beinah abstrakten Vegetation und den Blicken, Berührungen und Gesten der beiden Hauptdarsteller, die außer beim gemeinsamen Sex keinen Zugang zueinander finden können und deren Beziehung schlussendlich auch daran scheitert, dass sich keiner dem anderen in gewünschter Form mitteilen kann.
Womit wir auch schon beim nächsten – viel schwerwiegenderen – Problem einer objektiven Beurteilung sind. Denn durch die deutsche Synchronisation geht so dermaßen viel von der Atmosphäre der Original-Version verloren, dass es meiner Meinung nach besser gewesen wäre, auf eine gänzlich-deutsche Synchronisation zu verzichten. Daher auch gleich meine dringende Empfehlung sich den Film lieber im Original mit deutschen Untertiteln anzusehen. In dieser Version spricht der amerikanische Fotograf natürlich Englisch, während seine russische Begleitung nur bruchstückhaft Französisch spricht. Die Dialoge sind somit zwei- bis dreisprachig ausgefallen. Die Kommunikationsschwierigkeiten sind somit hier zwischen dem Paar nicht nur im sprichwörtlichen -, sondern im wahrsten Sinne des Wortes existent.
Das wiederum erklärt auch, warum die Dialoge über die gesamte Laufzeit so reduziert, einfach und belanglos gehalten sind. Denn während man in der deutschen Version vermutet, dass sich das Pärchen einfach nur sehr wenig zu sagen hat, so bemerkt man in der Originalversion sehr schnell, dass sich das Paar sehr wohl austauschen möchte, dieses aber oftmals an der unterschiedlichen Sprache scheitert. Dieses Unvermögen, sich mit dem Partner auszutauschen führt dann gegen Ende des Films auch maßgeblich zur Eskalation der ganzen Szenerie.
Was weiters erschwerend dazu kommt, ist die Tatsache, dass Regisseur Dumont wie bereits kurz erwähnt, seine Geschichte zwar linear erzählt, jedoch wichtige Elemente der Handlung aus dem Film gestrichen worden sind. „twentynine palms“ reiht Szene an Szene lückenhaft aneinander und lässt somit wichtige Aspekte der Geschichte unberücksichtigt. So erfährt man nicht, warum das Paar in 29 Palms auf offener Strasse beschimpft wird, auch nicht, warum Katia zunehmend paranoid reagiert und auch nicht, warum die beiden letztendlich mitten in der Wüste von den Männern auf so drastische Art überfallen werden. Man kann nur vermuten, dass wohl so einiges mehr passiert sein muss und sich das Paar mit zunehmender Laufzeit bedroht fühlt. Was jedoch tatsächlich im Vorfeld geschehen ist, erfährt der Zuschauer ebenso wenig, wie das tatsächliche Ende der Geschichte bzw. die Beweggründe der Darsteller.
Im Grund erinnert die Geschichte an einen konventionellen Thriller in dem ein unschuldiges Paar an ein paar übel gelaunte Hinterwäldler gerät. Allerdings liegt das Hauptaugenmerk nicht wie üblicherweise auf der zunehmenden Bedrohung. Hier gibt es keine dunklen Autos, keine anonymen Beobachter und eigentlich auch keine Anzeichen auf irgendeine Bedrohung. Und wenn, dann wird das nicht in das Blickfeld des Zusehers gerückt. Katia und David sind ja eigentlich auch viel zu sehr mit der eigenen Gefühlswelt beschäftigt, um diese zu bemerken. Das Stimmungsbarometer schwankt permanent von hoch-emotional über harmonisch-friedlich bis hin zu Momenten intensiver Leidenschaft. Trotzdem spürt der Zuseher instinktiv, dass es unweigerlich etwas geschehen wird. Regisseur Dumont schafft es gegen Ende durch sehr einfache Mittel und den unendlichen Weiten der Wüste und der Beengtheit eines Motel-Zimmers eine derartige Spannung zu erzeugen, die ich in der Form von einem eher sperrigen Werk sicher nicht erwartet hätte.
Die hohe Kunst der Abstraktion kennt man ja mittlerweile aus den verschiedensten Bereichen. Ziel ist es dabei, den ganzen unnötigen Ballast abzuwerfen und aus den restlichen Dingern eine konzentrierte Essenz des Ganzen herzustellen, die dadurch intensiver wirkt. Das kann funktionieren, aber auch soweit führen, dass irgendwann mal sämtlicher Wiedererkennungswert flöten geht. Ein Problem, dass man ja auch von der elektronischen Musik her kennt. Und so ist dieses Mal auch die Inhaltsangabe mehr als kurz ausgefallen, weil auch nicht wirklich viel passiert. Dumont selber meinte in einem Interview, dass er Lust verspürt hatte, den Zuschauer „aufzurütteln“, ohne dabei eine Geschichte oder Botschaft vermitteln zu wollen. Und ich wette ja, dass sich Dumont ja insgeheim ins Fäustchen lacht, wenn er die zahlreichen, teils doch sehr blumigen Interpretationen seines Werkes liest. Da müssen ja (mit Dank an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung) sogar Adam und Eva samt religiösen Motiven herhalten. Ein Vergleich, den ich persönlich ja schon für etwas arg überzogen halte. Den wenn den Protagonisten etwas fehlt, dass ist das Reinheit oder Unschuld und auch wenn die Gegend der Mohave-Wüste doch wunderschön wirkt, etwas Paradiesisches kann ich daran nicht erkennen.
Die Dreharbeiten zu „twentynine palms“ waren wohl für alle Beteiligten nicht sonderlich einfach. Dumont verzichtete wie schon bei dem Großteil seiner Filme auf professionelle Schauspieler. „Echte“ Emotionen lassen sich nicht spielen und so ist die physische Gewalt zwischen den Darstellern auch nicht gespielt. Man kann sich vorstellen, welche Überwindung es die semi-professionellen Schauspieler gekostet hat, auch tatsächlich aufeinander loszugehen. Ein Unterfangen das auch mit blauen Flecken, Wut und Tränen verbunden war. Geschont wurde jedenfalls niemand, wie man anhand des Making-Of´s auch sehr schön ersehen kann. Eine Zusammenarbeit mit Herrn Dumont würde ich mir als angehender Jungschauspieler ja zweimal überlegen…
Legend bringt diese deutsch-französisch-amerikanische Co-Produktion als Nr. 10 der Kino-Kontrovers-Reihe. Die Bild- und Tonqualität sind sehr gut und geben keinen Grund zur Kritik. Schade finde ich, dass durch die deutsche Synchronisation ein Großteil der Atmosphäre verloren geht. Hier hätte man sicherlich eine bessere Lösung finden können. Zum Glück gibt es aber die Möglichkeit, sich den Film in der Originalversion inklusive deutscher Untertitel anzusehen. Neben einen erschreckend-ehrlichen Making-Of gibt es noch eine interssante Dokumentation namens „Das Schöne ist mein Dämon“, die den Regisseur doch etwas seltsam und nicht sonderlich sympathisch darstellt. Dann noch zwei Trailer eine Postergalerie, sowie ein interessantes Booklet mit einem ausführlichen Text von Dr. Marcus Stiglegger, der den Regisseur und seine Werke näher beleuchten. Unterm Strich also eine sehr schöne VÖ eines interessanten, aber sicherlich nicht einfachen Filmes.
„Twentynine Palms“ ist ein reduziertes Drama, ein Road-Movie über zwei unglückliche Darsteller, die sich in immer wiederholenden Handlungen den Abgründen der menschlichen Seele nähern und schlussendlich darüber hinausgehen. Ein Film, der alle Extreme der menschlichen Gefühlsregung beleuchtet, ohne diese jedoch dem Zuschauer vordergründig zu präsentieren. Kontrovers ist hier im Gegensatz zu den Vorgängerwerken der Serie jedoch nicht die hemmungslos-düsteren Gewaltausuferungen eines Noe oder die freizügige Bestandsaufnahme einer sinnentfremdeten und Werte-losen Gesellschaft eines Larry Clark, sondern der radikal reduzierte Ansatz des Regisseurs, bei seinem Zuseher Emotionen hervorzurufen, ohne eine Geschichte im herkömmlichen Sinn, eine Botschaft zu erzählen oder eine tiefgehende Charakterisierung zu betreiben. Trotzdem schafft es Dumont, den Zuseher inklusive meiner Wenigkeit nachhaltig mit seinem Werk zu beschäftigen. Insofern sind die Vergleiche mit „Irreversible“ dann auch durchaus angebracht. Beides sind Filme, die man sich zumindest zweimal ansehen sollte und das ganze irritierende Ausmaß an Grausamkeit zu verstehen.
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Wow, wieder mal ein 1A Review - Danke Dir !!!
Ist auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=3170
Bin selbst sehr gespannt auf den Film, bzw. auch auf die anderen Sachen von Dumont. Hatte mir dazu die letzten Tage bei play.com mal sein <b>L' Humanité"</b> bestellt - klingt auch sehr übel: http://german.imdb.com/title/tt0197569/
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Danke, danke
Bin ja schon sehr gespannt, wie dir "l´humanité" gefällt. In der Doku sind ja einige Szenen von dem Film zu sehen. Sicher keine leichte Kost.
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