project: equinoX Forum

geschrieben von jogiwan am 11.10.05

An einem Bahnhof einer indischen Kleinstadt treffen nacheinander drei junge Menschen ein. Der zurückhaltend-sensible Sameer (Jugal Hansraj), der bodenständige Karan (Jimmy Shergill), sowie der sportliche Draufgänger Vikram (Uday Chopra). Alle drei sind hoffnungsvolle Studenten, die an der örtlichen Elite-Universität Gurukul angenommen worden sind und dort auch gemeinsam ein Zimmer beziehen. Doch schon die frostige Ankunft in Gurukul und die spartanische Zimmereinrichtung lassen erahnen, was die Jugendlichen in den bevorstehenden Semestern erwartet. Am Campus der Universität herrschen strenge Sitten und auch nur die besten Schüler ihres Jahrganges werden ausgesucht und angenommen. Narayan Shankar (Amitabh Bachchan), der Rektor der Universität wacht seit 25 Jahren mit ernster Miene über die Einhaltung der 3 Grundregeln von Gurukul: Tradition, Ehrgefühl und Disziplin! Shankar ist ein gefürchteter Mann, der keine Regelverstösse auf seiner Uni duldet und ebensolche mit gebührender Härte bestraft. Ein Gerücht besagt sogar, dass einst ein Schüler der Universität verwiesen wurde, weil er den Fehler beging, sich in Shankars Tochter Megha (Aishwarya Rai) zu verlieben. Ohne den betroffenen Stundenten auch nur anzuhören musste er Gurukul verlassen und auch seine berufliche Zukunft war dadurch zerstört. Als Megha kurz darauf wegen ihrem gebrochenen Herzen den Freitod wählte, erweichte dieses jedoch nicht das Herz des Vaters, sondern hat diesen nur noch strenger werden lassen. Herrn Shankar, der abends auch schon selbst die Tore zur Uni versperrt, ist es somit durchaus Ernst in der Umsetzung seiner Werte.

Es dauert jedoch auch nicht lange, bis sich die drei Studenten nacheinander verlieben. Sameer in seine Jugendliebe Sanjana (Kim Sharma), Karan die traurige Witwe Kiran (Preeti Jhangiani) und Vikram in die arrogant-burschikose Ishika (Shamita Shetty) vom Mädcheninternat nebenan. Doch leider beruht das Ganze nicht auf Gegenseitigkeit und die Liebesbekenntnis stellen sich als äusserst einseitig heraus. Sanjana hat bereits einen reichen Schnösel als Freund, Ishika ist alles andere als von aufdringlichen Vikram begeisterst und Kiran muss - obwohl ihr Gatte bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist - aufgrund ihres Schwiegervaters weiter die treusorgende Ehefrau mimen.

Kurz darauf erscheint ein Musiklehrer namens Raj Aryan Malhotra (Shah Rukh Khan) an der Universität und bittet darum, von Shankar eingestellt zu werden. Der ist einigermassen irritiert, da dieses Fach bis dato nicht an seiner Universität unterrichtet wurde und Malhotra ausserdem trotz weiterer Stellenangebote von drei weiteren Schulen ausgerechnet in Gurukul unterrichten möchte. Das Selbstbewusstsein Rajs imponiert Shankar jedoch und daher willigt er ein, Malhotra für ein Semester einzustellen, wenn es ihm gelingen sollte, die ausgelasteten Studenten für das soeben neu-eingeführte Unterrichtsfach zu begeistern... Doch dieses bleibt nicht die einzige Änderung. Bald gelingt es Raj weiter die Autorität von Shankar zu untergraben und noch weitere kleine Veränderungen durchzusetzen. So dürfen unsere drei Studenten entgegen der jahrelangen Tradition, ausserhalb vom Campus kleine Nebenjobs annehmen bzw. Hobbies nachgehen um ihren Schwärmereien näher zu sein. Doch eines Abends überreizt Raj die Geduld das Rektors, als er entgegen seiner Weisung eine Party veranstaltet, an der auch Schülerinnen von nahen Mädchen-Internat anwesend sind. Shankar beendet die Party und bezeichnet auch das Arbeitsverhältnis als aufgelöst.

Doch Raj beharrt auf seinem Dienstvertrag, der ihm zusichert ein Semester unterrichten zu dürfen, weiters outet er sich auch noch als ehemaliger Freund seiner Tochter und als der Schüler, der vor vielen Jahren Gurukul verlassen musste. Shankar sieht sich neuerlich mit der dunkelsten und schmerzhaftestesten Episode seines Lebens konfrontiert. Es kommt zur offenen Konfrontation zwischen Shankar und Raj. Shankar als Hüter der traditionellen Werte ("im Kampf zwischen Liebe und Angst gewinnt immer die Angst") und Raj ("nur Liebe erzeugt Achtung"), der unbeirrbar an die Kraft der Liebe glaubt. Ein Kampf auf den Rücken der Studenten beginnt, bei dem es wohl nur einen Sieger geben kann...

Was haben ein englisches Schloss, ein bunter indischer Marktplatz und die Schweizer Alpen gemeinsam? Nicht viel auf den ersten Blick und doch sind sie alles Schauplätze für den Film "Mohabbatein". Der bietet neben den absoluten indischen Top-Stars Amitabh Bachchan und Shah Rukh Khan in Hauptrollen, auch noch eine Horde von vielversprechenden Nachwuchs-Stars und -Sternchen, die in dem 2000 gedrehten Film ihr fulminantes Leinwand-Debüt feiern durften. Alles geben in dem Film ihr Bestes um über die 216 (!!!) Minuten Laufzeit keine Langeweile aufkommen zu lassen. Das Schicksal der drei Studenten und ihre Liebe zu drei sehr unterschiedlichen Mädchen, sowie der Kampf zwischen Tradition und Emotion ist sehr mitreissend, gefühl- und humorvoll inszeniert. Ab der Hälfte wird der Film dann ernster und bis zum obligatorischen Happyend rinnt noch viel Wasser den Ganges bzw. die Backen der geneigten Zuschauer hinab. Aber was für ein Film: "Mohabattein" bietet wohl alles, was einen Bollywood-Film so ausmacht. Dutzende Handlungsstränge, grossartige Liebesgeschichten voller Emotionen, ein flotter Soundtrack, Gesangseinlagen und Massentanzszenen hunderter Menschen vor grandiosen Kulissen.

Die indische Filmindustrie ist die produktivste der Welt und so erscheinen jährlich an die 800 Filme, von denen ca. 200 in Bollywood, der sogenannten Filmindustrie der Millionenstadt Mumbai  - vormals Bombay genannt - enstehen. Obwohl es so etwas wie einen typischen Bollywood-Film wohl nicht gibt, so hat sich im Westen doch ein bestimmtes Bild von Filmen eingeprägt. Dabei handelt es sich um Filme, mit meist mindestens 3 Stunden Laufzeit, deren Handlung von einigen Gesangs- und Tanznummern - sowie einer Pause - unterbrochen sind. Dabei sollte jede Produktion auch die sogenannten 9 "Rasas" enthalten. Dabei handelt es sich um Bestandteile der traditionell-überlieferten indischen Kunst und Kultur: Liebe, Heldentum, Ekel, Komik, Schrecken, Wundersames, Wut, Pathos und Friedvolles. Da Bollywood-Produktionen meist sehr kostspielig sind, kommen die meisten Filme auch sehr familientauglich daher um ein möglichst breites Zielpublikum anzusprechen. Jeder Einwohner sollte sich die Filme - am Besten gleich mehrmals hintereinander mit seiner Familie anschauen können

Indien ist - von der Einwohnerzahl betrachtet - der zweitgrösste Staat der Erde. Im Jahr 2000 hat die Bevölkerungszahl offiziell die Milliardengrenze überschritten. Nach wie vor hat Indien den höchsten Bevölkerungszuwachs weltweit. Allerdings muss auch gesagt werden, dass Indien ein sehr armes Land ist. Weniger als 16 % Bevölkerung haben Zugang zu sanitären Einrichtungen und fast die Hälfte der Bevölkerung hat am Tag weniger als 1 US-$ zur Verfügung und auch nur 50 % verfügen über Stromanschluss. Weiters senken die politische Instabilität, extremistische Gruppen und durch verschmutztes Trinkwasser verursachte Infektionskrankheiten die Lebensqualität der Bewohner. Auch hat Indien ein grosses Problem mit HIV - laut Prognosen der WHO werden 2010 vermutlich 10 Millionen Personen an der Immunschwäche leiden. Doch von all den wirtschaftlichen und sozialen Problemen ist in den bekannten Bollywood-Filmen nicht viel zu sehen. In Indien dienen diese Blockbuster auch eher der Realitätsflucht und vermitteln ein Bild der Heimat, wie es so wohl nur der Fantasie engagierter Drehbuchschreiben entspringen kann. Und so handeln die Geschichten auch nicht von dein einfachen Leuten auf der Strasse und ihren alltäglichen Problemen, sondern von reichen Geschäftsmännern und ihren schönen Frauen, adeligen Familien und priveligierten Kindern.

Ich selbst wurde vor ca. zwei Jahren mit dem Bollywood-Virus infiziert, als ich im Sommer 2003 zufällig "sometimes happy - sometimes sad" in einem kleinen Programmkino sehen durfte. Seitdem laboriere ich schwer an diesen quietschbunten Filmen, mit all ihren Pathos und schwülstigen Liebesgeschichten und es ist auch noch immer keine Heilung in Sicht... wozu auch? Zugegeben, die Geschichten sind kitschig und das Happy-End obligatorisch und auch wenn böse Zungen meinen, dass im Grunde nur immer die gleiche Geschichte erzählt wird, so sind doch Bollywood-Filme doch einfach grandios. Das Gleiche gibt’s zwar auch von Frau Pilcher, allerdings ist diese Geschichten hier um Längen besser verpackt. Die Produktionen sind fröhlich - sowie tieftraurig zugleich, immer extrem bunt und mit ihren Geschichten über Schicksal, Tradition und tief-empfundener Liebe angesichts des täglichen Weltgeschehens herrlich antiquiert und beinahe exotisch. Realitätsflucht funktioniert also nicht nur in den östlichen Breitengraden, sondern durchaus auch in unseren Regionen. Zugegeben, einen gewissen Hang zum Kitsch und ordentlich Sitzfleisch sollte man jedoch schon mitbringen, dann steht jedoch einem uneingeschränkten Filmgenuss nichts mehr im Wege.

Zu Shah Rukh Khan muss auch nicht mehr viel gesagt werden. Er ist das derzeit wohl bekannteste Gesicht des indischen Films und nicht nur in seiner Heimat der absolute Topstar. Ursprünglich begann er seine Karriere als Theaterschauspieler, bevor er seinen Durchbruch einer TV-Serie verdankte. Sein Spielfilmdebüt, dass natürlich aufgrund des Erfolges im Fernsehen nur noch eine Frage der Zeit war, brachte ihm auch gleich auf Anhieb einen der begehrten Fimfare-Awards ein. In seiner Filmografie sind wohl alle Rollenfächer vom Anti-Helden, Bösewicht bis hin zum romantisch-veranlagten Liebhaber vertreten. Kein Wunder, dass dem charismatischen Schauspieler die Frauenwelt zu Füssen liegt. Doch der gute Herr ist glücklich verheiratet und stolzer Vater von zwei Kindern und auch noch Besitzer einer Produktionsfirma.

Amitabh Bachchan hingegen ist der indische Superstar der etwas älteren Generation. Seine Medienpräsenz in Indien ist beinahe unglaublich und angesichts 164 gelisteter Film (laut Imdb) auch wenig überraschend. Bachchan war übrigens auch der erste indisch/asiatische Schauspieler, der bei Madame Tussouts als Wachsfigur ausgestellt wurde. Wenig verwunderlich, wurde Amitabh Bachchan ja auch bei einer Online-Umfrage der BBC noch vor Charlie Chaplin und Marlon Brando zum beliebtesten Schauspieler des Jahrtausends gekürt. Naja, da hat wohl auch ein bisschen Subjektivität und weibliche Hand eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Die Frage die sich mir am Meisten aufdrängte, ob seine Haarpracht jetzt natürlichen oder synthetischen Ursprungs ist, hat sich leider trotz ausgedehnter Internet-Recherche nicht auf die Schnelle beantworten lassen. Zweckdienliche Hinweise diesbezüglich nehme ich gerne entgegen.

Aishwarya Rai, die ehemalige Miss World, sollte in "Mohabbatein" eigentlich ursprünglich nur eine kleine Rolle spielen, die aufgrund der steigenden Beliebtheit des hübschen Models und Schauspielerin jedoch ordentlich ausgebaut wurde. Madame Rai, 1973 in Mangalore geboren, zählt mittlerweile zu den bekanntesten Schauspielern Indiens und ist auch nebenher als Model weltweit noch sehr erfolgreich. Weiters zählt sie zu den wenigen indischen Schauspielern, die es in westliche Film- und Fernsehproduktionen geschafft hat. Dieses Jahr ist Rai auch noch in dem von Gurinder Chadha ("kick it like Beckham) inszenierten "Liebe lieber Indisch" in den deutschen Kinos zu bewundern. Und wer von der hübschen Dame nicht genug kriegen kann, der sollte mal nach dem aktuellen L´Oreal-Mascara-Werbespot Ausschau halten - da ist die Gute nämlich auch zu sehen.

Nun zur DVD aus dem Hause "Rapid Eye Movies", die bietet den Film im Gegensatz zur deutschen TV-Ausstrahlung in absolut ungekürzter Form inklusive aller Tanz- und Gesangseinlagen im ausgesprochen schmucken 2er-DVD-Digipack inklusive Postkarte und Poster. Ausserdem kann zwischen der indischen Sprachversion (selbstverständlich mit deutschen Untertiteln) sowie einer synchronisierten Version gewählt werden. Wobei natürlich erstere Variante eindeutig vorzuziehen ist. Ausserdem sind alle Songs des flotten Soundtracks, der sich doch erstaunlicherweise manchmal auch sehr an westlicher Musik orientiert, einzeln anwählbar.

Auf der zweiten Scheibe gibt es massig Bonusmaterial zum Film. Von 44-minütigen "Making-Of", das ausführlich über die Entstehung der Kostüme, Choreografien, der Sets, Temperaturprobleme in England etc. berichtet, über "deleted scenes", die den Film nochmal um 16 Minuten verlängert hätten, bis hin zu zahlreichen Interviews bleibt kein Wunsch des interessierten Zusehers offen. Witziges Highlight der zweiten Scheibe ist sicherlich, die neu erworbenen Fremdsprachenkenntnisse gleich bei den dazugehörigen Karaoke-Nummern auszuprobieren. Und wer wie ich von Bollywood-Filmen nicht genug kriegen kann, der kann sich dank der Trailershow schon mal über die Anschaffung weiterer Filme Gedanken machen. Aber bitte auch nicht auf den dazugehörigen Vorrat an Taschentüchern vergessen. Und so beschliesse ich meinen kleinen Text mit abgewandelten Worten aus dem Film: Selbst wenn ich einmal sterben sollte und von dieser Erde verstossen werden - die Liebesgeschichten Bollywoods währen ewig... Und bis es soweit ist hab ich sicherlich noch viel Spass und Freunde mit diesen Filmen...