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Ich weiß es ist schon ewig her, dass ich den text zur Verfügung stellen wollte. Ich habe es einfach verrafft. Außerdem wollteich mal wieder ein Hallo in die Runde sagen und Sven ganz lieb grüßen, all die anderen natürlich auch.
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Rainer Maria Rilke "Der Panther" 1
Ein Panther dreht seine Kreise im engen Käfig eines Zoos. Wie betäubt blickt er durch die Gitterstäbe. Gleich dem Panther in Rilkes Gedicht scheint er nichts anderes mehr wahrnehmen zu können, als die Grenzen seines Gefängnisses. Die Kamera fährt langsam von der Nahaufnahme der Gitterstäbe und des Tieres in die Halbtotale2. Die Gestalt einer jungen Frau wird sichtbar. Sie trägt ein auf die Mode der dreißiger und vierziger Jahre verweisendes Kostüm und hält einen Zeichenblock in der Hand. Im Hintergrund tauchen eine schlichte Straßenlaterne im funktionalistischen Design, der kunstvoll gestaltete Eingang zur Raubtieranlage und in der Ferne ein modernes Gebäude auf. Zusammen mit der Kleidung der Zoobesucher reflektiert die Mise en Scene3 ein für das Entstehungsjahr des Films zeitgenössisches Alltagsbild im New Yorker Central Park. Der Blick der Frau schweift auf das eingesperrte Tier, welches sie zu skizzieren scheint. Diese Einstellung4 markiert den Beginn des Films CAT PEOPLE des Regisseurs Jacques Tourneur. Sie setzt den Panther im Käfig in Beziehung zu der allein und abseits stehenden Frau und deutet auf ihr gemeinsames Schicksal hin.
Die junge Frau heißt Irena und lebt als serbische Einwanderin in New York. Im Central Park lernt sie den jungen Amerikaner Oliver kennen und verliebt sich in ihn. Auf seinen Heiratswunsch geht sie ein, doch die Ehe wird nie vollzogen, denn Irena ist von dem Gedanken besessen, sich in einen Panther zu verwandeln, sobald die Lust von ihr Besitz ergreift.
In der letzten Einstellung der Eröffnungsszene5 ist eine der achtlos auf den Boden geworfenen und halbzerrissenen Zeichnungen in Großaufnahme zu sehen. Sie zeigt den von einem Dolch durchbohrten Panther, über den der Schatten der Gitterstäbe fällt. Das Bild erscheint als chiffrierte Prolepse, welche den Schluss des Films vorwegnimmt und als Metapher auf einen seiner Kernpunkte verweist.
Eines der zentralen Motive von CAT PEOPLE ist die Isolation des Individuums innerhalb einer fremden Umgebung. Dies findet in dem Bild des eingesperrten Tieres seine Entsprechung. "Einsamkeit ist Endlichkeit und Beschränktheit [...]".6 Ludwig Feuerbachs Grundsatz folgend kann das Ausgesperrtsein aus einer Gemeinschaft auch Eingesperrtsein bedeuten. Dieser nur scheinbare Widerspruch bestimmt Irenas Schicksal. In welcher Form diese Isolation und das Gefühl der Enge sich in Gestaltung und Thematik des Films niederschlägt, wird im Vordergrund der Analyse stehen.
Die Protagonistin steht zwischen zwei Welten, dem alten Europa, das sie verlassen hat und der Ordnung der neuen Welt, in der sie keinen Platz findet. Diese Zerrissenheit spiegelt sich im Film auf unterschiedlichen Ebenen wider. Irenas Wohnung ist angefüllt mit Kunstwerken, die als Zeichen der Kultur, der sie entstammt, fungieren sowie ihre Obsession widerspiegeln - die Angst, sich in eine mörderische Katze zu verwandeln. So hängt über ihrem Kamin ein berühmtes Gemälde von Goya, auf dem der Sohn eines spanischen Grafen mit drei Katzen abgebildet ist, im Raum steht eine spanische Wand, die ein stilvoller Art-Deco-Panther ziert und die Statue eines serbischen Königs, der eine Katze auf sein Schwert gespießt hat.
Als das junge Paar ein Museum besucht, tauchen die Symbole, die auf Irenas alte traditionsreiche Kultur verweisen, wieder auf. Am signifikantesten ist sicherlich die Statue des ägyptischen Gottes Anubis, der in der Mythologie die Rolle des Vermittlers zwischen Totenreich und der Welt der Lebenden übernimmt. So ist auch er, gleich der Protagonistin, hin und her gerissen zwischen zwei Sphären und in seiner Gestalt vereinen sich menschliche wie tierische Züge.
Irenas Außenseiterrolle wird durch die Heirat mit dem Amerikaner Oliver verstärkt und ihre verdrängten Ängste treten zu Tage. Sie geht weder eine sexuelle Beziehung noch eine andere Form der körperlichen Annäherung mit ihrem Mann ein, welche sie als Liebespaar auszeichnen würden.7 Ihre Identität und damit verbunden ihre Libido ist an die alte Welt geknüpft, im Besonderen versinnbildlicht durch die Geschichte des serbischen Königs, der gegen das gottlose Geschlecht der Panthermenschen kämpfte, in welchem Irena den Ursprung ihrer Herkunft vermutet. Hierin liegt der Grund ihrer Verweigerung. Mit dem Verlust der Kontrolle über ihr Begehren verbindet sich die Angst, die Kultur, die sie hinter sich gelassen hat, könne sie wieder einholen.
Als eigentliche Tragik der Situation erweist sich, dass ihr Umfeld den Identitätsverlust maßgeblich fördert und Irena in die Isolation treibt. Ihr Mann ist nicht in der Lage, Irenas Problematik angemessen zu begegnen. Ihren Befürchtungen schenkt der in seinem Rationalismus gefangene Oliver keine Beachtung, oder sie werden von ihm als Hirngespinste oder Märchen abgetan: "They're fairy tales, Irena. Fairy tales heard in your childhood. Nothing more than that. They've nothing to do with you, really." Der für ihn fremden Kultur seiner Frau bringt er kaum Interesse entgegen. Bereits bei seinem ersten Besuch in Irenas Wohnung tritt diese Ignoranz deutlich hervor. Eher kritisch und etwas verständnislos wird die Statue des serbischen Königs von ihm beäugt. Mit einem Lächeln fragt Irena: "Are you admiring my statue?" Seine Antwort ist leicht unhöflich: "Not exactly." Er erfährt von ihr, dass es sich dabei um König John handelt. Seine darauffolgende Bemerkung wirkt etwas einfältig und verweist auf seine geistigen Grenzen: "Oh, King John, the Magna Carta and all that stuff?" Irena erzählt ihm von dem serbischen König und den Ereignissen in ihrer Heimat. Auf die erneute Frage, warum sich die Statue in Irenas Wohnung befindet, betont die Antwort ihre kulturelle Identität: "Well, perhaps you have in your room a picture of George Washington or Abraham Lincoln." Der Dialog ist vorrangig in klassischen Schuss/Gegenschussaufnahmen8 aufgelöst. Als Irenas Stimme ernster wird und sie sichtlich innerlich bewegt scheint, geht die Kamera zu Großaufnahmen ihres Gesichtes über. Seine Antwort verrät das Bestreben, Irena von ihrem kulturellen Background zu lösen: "Well, I still don't see what it has to do with you.".
Irenas Faszination für die Modelle alter Schiffe im Museum, die ähnlich wie die Statue von Anubis oder die Kunstgegenständen in Irenas Wohnung die alte Welt symbolisieren, bleibt ihm fremd. Unfähig, sich in ihre Welt einzufinden, überträgt er seine eigenen Befindlichkeiten auf seine Frau. Er glaubt, sie würde sich langweilen und empfiehlt ihr, sich die modernen Schiffe anzusehen, die als Symbol für seinen Lebensbereich fungieren. Von Seiten Olivers findet keine Vermittlung oder Auseinandersetzung zwischen den beiden unterschiedlichen Kulturen und Bedürfnissen statt. Somit misslingt die Integration Irenas in Olivers festgefügte Welt. Zum Teil erklärt sich dieses Verhalten aus seiner fehlenden Erfahrung und einem bis dahin vollkommen reibungslos verlaufenen Leben, das vor allem von Gewohnheiten geprägt war und keine Rückschläge kannte.9 Sein Erfahrungsschatz reicht nicht einmal aus, um bestimmen zu können, was Liebe sei. Die Ehe mit Irena wird zum ersten Wagnis und Experiment.
Abseits der fehlenden Vermittlerrolle und der nicht stattfindenden Auseinandersetzung Olivers mit der kulturellen Identität seiner Frau, werden bereits in der Exposition Begriffe wie Schuld und Sünde eingeführt. "Let no one say, and say it to your shame, that all was beauty here, until you came." lautet die eingravierte Innschrift einer Steinplatte im New Yorker Zoo, welche die Besucher davon abhalten soll, den Park zu verunreinigen. Oliver weist Irena ermahnend daraufhin. Es gehört zu den beiläufigen, aber wohl schönsten Momenten des Films, wenn sich Irena mit einem Lächeln auf den Lippen der Ordnung widersetzt und die von ihr auf den Boden geworfene Zeichnung trotz Olivers leichtem Protest liegen lässt. Eine Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmtheit zeichnet auch ihr für die Zeit fast unschicklicher Vorschlag aus, den gerade kennen gelernten Mann mit in ihre Wohnung zu nehmen.
Zwischen Titelvorspann und der Eröffnungsszene wird eine Texttafel eingeblendet, die von Sünden uralter Zeit spricht, die sich in den Vertiefungen des Weltbewusstseins festsetzen würden.10 Irenas Welt wird von Beginn an belastet mit Begrifflichkeiten der Schuld und des Lasters, die in der Geschichte um König John und den vom Glauben abgefallenen Katzenmenschen ihre Entsprechung findet. Der Text wird dem Psychiater Dr. Louis Judd zugesprochen, der auch im Film auftritt. Er soll Irena helfen und sie von ihren Ängsten kurieren. Hilfe hat sie bei ihm jedoch nicht zu erwarten. Dr. Judd handelt aus eigener Motivation. Sein Begehren richtet sich auf Irena, deren Libido sich seinen Wünschen unterordnen soll.11 Um seine Macht über sie zu demonstrieren, droht er ihr sogar an, sie in eine Klinik einweisen zu lassen: "I can't help you. But I can warn you. These hallucinations approach insanity. [...] And it's dangerous. At this moment I could go before a board and have you put away for observation." Oliver schlägt er vor, er solle die Ehe annullieren. Seine moralische Integrität erscheint somit als äußerst fragwürdig. Der ihm zugeschriebene Text des Anfangs wird relativiert und die dahinterstehende Doppelmoral kenntlich gemacht. In Irenas Traum taucht Dr. Judd in der Gestalt des König John auf, der ihr das Schwert entgegenhält. Historische und reale Person überlagern sich und stellen die durch Irena positiv denotierte Persönlichkeit des serbischen Königs als Bekämpfer des Bösen und Verfechter christlicher Werte in Frage. Das vorgehaltene Schwert verwandelt sich in den Schlüssel zum Pantherkäfig, mit dem sie am Ende des Films den Käfig öffnen und ihren eigenen Untergang herbeiführen wird. Ihr Traum wirkt wie die Zeichnung des erdolchten Panthers als Prolepse, welche die Sukzession der Handlung durchbricht und den Übermittler des todbringenden Symbols in Irenas Umfeld ausmacht. Als Dr. Judds Leben durch den tödlichen Kuss Irenas ausgelöscht wird, fügt sie sich vollkommen stumm und passiv in die Situation. Sie nimmt hier keine klassische Täterposition ein, während Dr. Judd als aktiv Handelnder auftritt. Die Verwandlung in einen Panther gehört zu den vielen Ellipsen12, welche den Schnitt bzw. die Montage des Films bestimmen. Irenas Gesicht wird immer dunkler, verschwommener und bewegt sich aus dem Frame13. Die nächste Einstellung zeigt wie Dr. Judd zu einer Waffe greift. Nach einem weiteren Schnitt ist bereits der Kampf zwischen dem Panther und dem Psychiater als Schattenriss auf der Wand zu sehen. Die Bildkomposition ist in dieser Szene und auch im Großteil des gesamten Films sehr offen gestaltet.14 Konsequent wird der außerhalb des Frames liegende Raum miteinbezogen. Die bewusste Aussparung von bestimmten Handlungsteilen und die offene Form lassen Raum für unterschiedliche Deutungsansätze. "Ist die Frau zum Leoparden geworden [...] oder ist es eben nur der Leopard, der ausgebrochen ist [...]."15 So scheint nicht eindeutig geklärt, ob das Animalische in Irena wirklich zum Ausbruch gekommen ist. Und wenn doch stellt sich die Frage, ob die zerstörerische Auswirkung dieser Veranlagung an etwas Böses im Inneren der Protagonistin geknüpft ist oder eher der durch das Umfeld und die Ausgrenzung aufgestaute Druck eine derart zerstörerische Kraft haben entstehen lassen.
Die Empfehlung des moralisch unlauteren Psychiater geht von Alice aus, welche als Nebenbuhlerin und langjährige Freundin Olivers Irenas Ehe bedroht. Diese Empfehlung erfolgt, obgleich Alice ihn keineswegs als eine integere Persönlichkeit beschreibt: "The way he goes around kissing hands makes me want to spit cotton. But I guess he knows all there is to know about psychiatry." Die Bedrohung durch Alice wächst durch Irenas Unfähigkeit ihrem Mann körperlich näher zu kommen. Darüber hinaus entsteht ihre Eifersucht aus Olivers nachlassendem Interesse an ihr, dessen Höhepunkt in der Museumsszene erreicht ist. Alice und Oliver treten hier deutlich als Paar auf, während Irena nur noch ein kaum beachtetes Anhängsel darstellt. Trotz ihres Wunsches in der Nähe ihres Mannes zu sein, wenden sich die beiden von ihr ab. Am rechten Bildrand im Vordergrund stehen Alice und Oliver und unterhalten sich über das Bild eines Schiffes. Von ihrem Standpunkt aus führt eine diagonale Linie nach links in die Tiefe des Raumes. Die Richtungsbewegung wird bestimmt von einer Vitrine und dem darin ausgestellten Modellschiff dessen Bug auf Irena weist, die sich am linken Rand im Bildhintergrund befindet. Ihr Gesicht liegt im Halbschatten und sie verweilt an der Ausgangstür. Eine vertikale Linie, geformt durch den hölzernen Rand der Vitrine, teilt das Bild und trennt das Paar von der allein stehenden Frau. Die durch die Raumtiefe hervorgerufenen Größenunterschiede der Personen, die symbolische Nähe Irenas zur Ausgangstür, die Lichtsetzung oder die Teilung des Bildes - all das akzentuiert die unterlegene, isolierte Position der Protagonistin. Dies ist eines der eindrücklichsten Bilder der Ausgrenzung, die der Film entwirft.
Der farbliche Kontrast der Kleidung sticht ebenfalls stark heraus. Irena ist ihrer Panther-Natur entsprechend in einen schwarzen Pelzmantel gehüllt. Die Farbe "Schwarz" symbolisiert dabei nicht nur etwas Furchterregendes, Dunkles, sondern vor allem Würde, Trauer und die Unergründlichkeit und Tiefe von Irenas Charakter. Die hellere Kleidung von Oliver und Alice verweist dagegen eher auf ihr oberflächlicheres, nüchtern-rationales Wesen.
Einen Monat nach ihrer Hochzeit sucht Irena den Pantherkäfig, von dem sie geradezu magisch angezogen wird, erneut auf. Sie begegnet dem Tierpfleger, der behauptet, dass niemand der glücklich sei, das Raubtier sehen wolle. "But, he's beautiful" antwortet Irena. Energisch wendet der Pfleger ein, es handle sich um eine bösartige Bestie, vor dessen gefährlicher Natur bereits in der Bibel gewarnt wurde. Aufgrund ihrer Identifikation mit dem Tier, das von ihrer Umgebung mit derart negativen Assoziationen verknüpft wird, scheint es geradezu nachvollziehbar, dass sie schließlich etwas Böses in sich selbst vermutet.
In einer der eindrucksvollsten Szenen des Films tritt Irena ihre alte Heimat in der Gestalt einer jungen Frau entgegen. Bei dem Hochzeitsbankett des jungvermählten Paares in einem serbischen Restaurant sitzt die geheimnisvolle Frau an einem der Nebentische. Irena selbst scheint glücklich. Hingegen werden neben ihr bereits Stimmen laut, welche die serbische Einwanderin als eigenartig beschreiben und die Frage aufwerfen, ob sie überhaupt zu Oliver passe.16 Die Ehe wird von Beginn an von Außen überschattet. Während des Banketts nennt einer der Gäste aus Unkenntnis der Wortbedeutung den Restaurantführer auf serbisch einen Dieb oder Banditen. Ironisch werden so die Vorurteile der Einheimischen gegenüber den Emigranten kommentiert.
Als die geheimnisvolle Frau zu der Hochzeitsgesellschaft hinüberschaut, erscheint ihr Blick streng und abweisend, so als würde ihr das Benehmen der Hochzeitsgäste missfallen. Diese feindliche Regung könnte aus einer persönlichen Erfahrung von Ausgrenzung und Ablehnung in der Fremde herrühren. Sie erhebt sich von ihrem Platz und geht zu Irena hinüber. Mit ihrer schönen katzenhaften Gestalt, dem schwarzen Paillettenkleid und der kunstvoll drapierten Frisur ähnelt sie eher einer aristokratischen Fin de Siecle - Figur als dem klassisch-bedrohlichen Horrortopos des Tiermenschen, den Irena in ihr erblickt.17 Die Zentrierung des Lichtes auf ihr Gesicht verleiht ihr in Verbindung mit dem edlen schimmernden Kleid etwas Magisches, Unwirkliches. Der schwarze Schatten der im Hintergrund des Bildes auf sie fällt, verkörpert nicht nur die Ängste der Protagonistin, sondern betont auch die Unergründlichkeit der Figur, in welcher sich die Geheimnisse der alten Welt zu manifestieren scheinen. Die ängstliche Reaktion Irenas und die Bekreuzigung wirken angesichts der freundlichen Begrüßung durch die Frau übertrieben. Sie nennt die Braut Schwester, obwohl sie einander fremd sind. Ihr Versuch mit allein einem Wort Irena in ihren Lebensbereich zu integrieren, steht im starken Kontrast zu der spürbar werdenden Ausgrenzung in Irenas Umfeld. Wie den Panther im Käfig nimmt sie die geheimnisvolle Frau als Spiegelung ihrer selbst wahr, die sie an ihre Isolation und den Dualismus ihres gespaltenen Ichs erinnert.
Zu den herausragendsten Elementen des Films gehört die phantastische Lichtgestaltung im Low-Key-Stil18, die bereits auf die nachtschwarzen Film Noirs der Mitt-Endvierziger und Fünfziger verweist. Das starke Helldunkel zeugt auch hier von der "Duplizität und Brüchigkeit der menschlichen Existenz"19. Die Schatten in CAT PEOPLE öffnen darüber hinaus den Raum für Assoziationen, lassen ihn zum beständigen Geheimnis werden. Produzent Val Lewton antwortete auf die Frage, was den Erfolg seiner Filme ausmache, wie folgt: "I'll tell you a secret: if you make the screen dark enough, the mind's eye will read anything into it you want! We're great ones for dark patches."20.
Über die Zeichnung des erdolchten Panthers legt sich der Schatten der Gitterstäbe wie eine schicksalsbedingende Macht. Geradezu leitmotivisch durchzieht das Gittermuster den Film. Als Irena Oliver in ihr Appartement bittet, ist es der Schatten des Treppenhauses, der ihren Körper in das dunkle Gittermuster einschließt und auch ihre Wohnungstür damit überzieht. Der Raum, der mit all seinen Bildern und Utensilien Irena an das alte Europa bindet, erscheint so als Gefängnis und weiteres Indiz für Irenas Identifikation mit dem Panther. In Dr. Judds Praxis sind es die Verstrebungen der Fenster, die sich als gitterförmiger Schatten auf die Protagonistin legen und ihre Bedrängnis spürbar werden lassen. Nach dem Tode des Psychiaters versteckt sie sich hinter einer Pflanze, deren Blätter wie Gitterstäbe über ihr Gesicht fallen. Ein Gefühl der Enge, des Eingesperrtseins wird so beständig aufrecht erhalten. Die Größe der Stadt bleibt dem Auge der Kamera verborgen. Ganz nah ist sie bei den Figuren und dringt in Räume, deren Ausmaße von den Schatten verschluckt werden.
Sowohl Produzent Val Lewton als auch Regisseur Jacques Tourneur entstammten selbst Emigrantenfamilien. Hauptdarstellerin Simone Simon wechselte mehrfach zwischen Europa und Amerika. Die realistische, zeitgenössische Ausstattung des Films impliziert bereits, es könnte hier eine bestehende reale Situation reflektiert werden. Als der Film 1942 gedreht wurde, war durch die Machtübernahme Hitlers und den Beginn des Zweiten Weltkrieges ein ganzer Strom von Exilanten nach Amerika gekommen, die sich dem plötzlichen Verlust sprachlicher, sozialer und kultureller Wurzeln gegenübersahen. Wie Irena waren viele von ihnen in künstlerischen Berufen tätig. Der Konflikt mit dem politischen System hatte sie gezwungen, ihr Land zu verlassen. In dem krisengeschüttelten Amerika mit seiner bis in die vierziger Jahre hinein hohen Anzahl von Erwerbslosen fanden die Wenigsten eine neue Heimat. Das Gefühl der Ausgrenzung, der Isolation in der Fremde ließ Einige den Freitod wählen. Elemente einer Typologie des Exildaseins wie die Schande in der Heimat, der das Ausgestoßensein in der Fremde folgt, gehen bis auf die Antike zurück und bestimmen auch die Lage der Protagonistin in CAT PEOPLE. Der Ausgrenzung in der neuen Welt geht die Angst voraus, in der Alten tiefe Schuld auf sich geladen zu haben. Irena ist eine Verlorene zwischen den Welten oder wie Hans Schifferle sie so treffend zu charakterisieren verstand, eine Exilantin für immer.
Wie ein letzter Versuch der Selbstbefreiung mutet das Ende des Films an. Irena öffnet den Pantherkäfig und lässt das Tier frei. In dem zutiefst pessimistischen Schluss wird ihre Entscheidung das Ende für beide bedeuten. "But black sin hath betrayed to endless night My world, both parts, and both parts must die." Dieses Sonett von John Donne legt sich über den toten Körper von Irena, deren duale Natur nun endgültig ausgelöscht ist. Vor dem Pantherkäfig im Zoo, wo die Geschichte ihren Anfang nahm, endet Tourneurs dunkles Kinopoem. Das fahle Licht der Laternen durchdringt die letzte Einstellung dieses erstaunlichen Schwarz, das so viele von Lewtons produzierten Filmen auszeichnet. Ein Schwarz, das ebenso suggestiv, triumphierend und unfassbar scheint wie das Weiß bei Dreyer, von dem Truffaut in seinem Buch "Die Filme meines Lebens" schwärmte.
1 Rainer Maria Rilke: Der Panther. In: ders.: Sämtliche Werke. Hg. v. Rilke-Archiv. [u.a.] Bd. 1. Wiesbaden / Frankfurt. 1955-1966, S. 505.
2 In der mit "Halbtotale" bezeichneten Einstellungsgröße wird eine Person (bei der Bestimmung des Verhältnisses zwischen Kamera und abgebildeten Objekt wird der menschliche Körper als Bezugspunkt gesehen) in ihrer unmittelbaren Umgebung gezeigt. Dabei sind Begrifflichkeiten wie "Halbtotale", "Amerikanisch" oder "Halbnah" nur Annäherungswerte und keine genau festgelegten Größen, da es potentiell gesehen unendlich viele Einstellungsgrößen gibt. Vgl. hierzu: Werner Kamp / Manfred Rüsel: Vom Umgang mit Film. Berlin. 1998, S. 14.
3 Der Begriff "Mise en Scene" stammt aus dem französischen und bedeutet "in Szene setzen". Sämtliche Elemente der bildlichen Gesamtkonzeption werden mit diesem Begriff erfasst. Dazu gehören die räumlichen Beziehungen und Größenverhältnisse zwischen Personen und Objekten, die Ausstattung des Films, Kostüme, die farbliche Abstimmung oder die Setzung von Licht und Schatten. Vgl. hierzu: "A French theatrical term [...] used in film studies to refer to all the elements of a movie scene that are organized [...] to be filmed and that are later visible on screen. They include the scene elements [...] of the image that exist independently of the camera and the processes of filming and editing." Timothy Corrigan / Patricia White: The Film Experience. An Introduction. Boston / New York. 2004, S. 521.
4 Die Einstellung (Shot) wird definiert als kontinuierlich belichtetes, ungeschnittenes Stück Film. Vgl. hierzu: "A continuous point of view [...] that may move foreward or backward, up or down, but not change, break, or cut to another point of view or image." Ebd., S. 524.
5 Eine Szene kann aus einer oder mehreren Einstellungen bestehen, die durch Ort und Handlung miteinander verbunden sind. Die Eröffnungsszene die nach dem Vorspann oder Prolog des Films einsetzt, ließe sich auch als erstes Kapitel eines Films definieren. Sie hat in der Regel die Aufgabe das Publikum ins Geschehen einzuführen. Vgl. hierzu: Werner Kamp / Manfred Rüsel: Vom Umgang mit Film, S. 114.
6 Ludwig Feuerbach: Grundsätze der Philosophie der Zukunft. In: Kleine philosophische Schriften. Hg. v. Max Gustav Lange. Leipzig. 1950, S. 169.
7 Nachdem Oliver Irena seine Liebe gesteht, spricht er sie auf ihr ungewöhnliches Verhalten an: "I've never kissed you. [...] When people in America are in love, or even think they're in love they' ve usually kissed long ago."
8 Beim Schuss / Gegenschuss (Shot Reverse Shot) handelt es sich um eine klassische Form des Editing um z.B. Gesprächssituationen darzustellen. Dabei werden beide Gesprächspartner abwechselnd im Bild gezeigt.
9 In einem Gespräch bringt Oliver gegenüber Alice seine Eheprobleme zur Sprache. Daran lässt sich deutlich seine Unerfahrenheit ablesen. Besonders markant erscheint dies durch den ersten und letzten Satz der folgenden Rede: "I've never been unhappy before. Things have always gone swell for me. I had a grand time as a kid. Lots of fun at school and here at the office with you and the commodore and doc. That's why I don't know what to do about all this. I've just never been unhappy."
10 Orginallaut der Schrifttafel: "Even as fog continues to lie in the valleys, so does ancient sin cling to the low places, the depressions in the world consciousness." The Anatomy of Atavism - Dr. Louis Judd
11 Dr. Judd hält Irena in seinen Armen und spricht zu ihr: "I kept my appointment. You see, I've never believed your story. I'm not afraid of you. I take you in my arms. So little, so soft. This warm perfume in your hair. Your body. Don't be afraid of me, Irena."
12 Die elliptische Montage zeichnet sich dadurch aus, dass bestimmte Teile der Handlung ausgelassen werden und nicht zu sehen sind. Vgl. hierzu: "ellipsis: An abridgment in time in the narrative implied by editing." Timothy Corrigan / Patricia White: The Film Experience, S. 519.
13 Als Frame wird der Rahmen bezeichnet, der den Kameraausschnitt begrenzt. Die Bezeichnung bezieht sich auf jeden einzelnen Bildkader des Filmstreifens. Vgl. hierzu: James Monaco: Film verstehen. Reinbek. 1987, S. 386.
14 In der offenen Form der Bildkomposition bleibt der abgebildete Raum offen für neue Elemente und das was außerhalb des Frames liegt (offscreen space), wird spürbar. "Die Kamera scheint hier nur einen Ausschnitt einer viel größeren Wirklichkeit einzufangen [...]". Werner Kamp / Manfred Rüsel: Vom Umgang mit Film, S. 48.
15 Zitat von Gilles Deleuze. Zitiert nach: Hans Schifferle: Die 100 besten Horrorfilme. München. 1994, S. 86. Das Zitat bezieht sich auf die Schwimmbadszene in "Cat People", die aber ebenso von der selben offenen Form der Bildkomposition und den Ellipsen geprägt ist. Auch in dieser Szene ist die Transformation nicht eindeutig geklärt.
16 Der Commodore zu Alice: "Olivers bride seems to be a very nice girl, and a very pretty one too. Carver tells me she's a bit odd. He's worried about the marriage." Alice Verneinung dieser Vermutung nimmt eher Olivers Entscheidung Irena zu heiraten in Schutz, als Irena selbst.
17 Der beschriebene Frauentypus zeichnet sich im Fin de Siecle und im Symbolismus besonders durch den Aspekt des Rätselhaften, Geheimnisvollen und Unergründlichen aus. Er erscheint meist ambivalent und selbst wenn er deutliche Züge von Dämonie trägt, ist das keineswegs rein negativ belegt. Motive wie die Sphinx, die Katze oder die Katzenfrau tauchen in der Literatur und Malerei dieser Zeit verstärkt auf z.B. bei Charles Baudelaire, Oscar Wilde, Franz von Stuck oder Fernand Khnopff. (Nach Wissen gierig und nach tiefen Lüsten Sind ihnen lieb das Schweigen und die Nacht; Zu Rennern hätte Hades sie gemacht, Wenn sie der Knechtschaft sich zu beugen wüssten. [...]Von Zauberfunken sprüht die trächtige Lende, Und goldener Splitter Spreu, wie feiner Sand, Besternt das Weltgeheimnis der Pupillen. Charles Baudelaire: Die Katzen. In: Charles Baudelaire: Die Blumen des Bösen. Ins Deutsche übertragen von Carlo Schmid. Frankfurt. 1986, S. 101.)
18 Zu den Kennzeichen dieses Stils "gehören vereinzelte Lichtquellen, die ausgedehnte Schattenflächen produzieren, starke Kontraste, kaum Grauwerte und extreme Übergänge zwischen hellen und dunklen Bildpartien." Barbara Steinbauer-Grötsch: Die lange Nacht der Schatten. Film Noir und Filmexil. Berlin. 2000, S. 134.
19 Ebd., S. 138.
20 Edmund G. Bansak: Fearing the Dark. The Val Lewton Career. Jefferson. 1995, S. 140.
Bilderindex:
Wie gesagt, kann ich leider selbst nicht machen
"Screenshots" folgen dem Text
Wobei die bezeichnungen nicht als Bildunterschrift sondern lediglich als Orientierung dienen. (aber wahrscheinlich eh klar)
(!!!) bedeutet fände ich besonders wichtig
1:22/23 Simone Simon mit Panther
3:08 zeichnung von Panther mit Dolch (!!!)
6:45/46 S.S. mit King John
49:15 S.S. mit Anubis (!!!)
6:27 Oliver beäugt King John
56:10 Dr. Judd / S.S.
47:51 Dr. Judd als King John
1:08:14 Irenas gesicht wird dunkler
1:08:35 Schattenriss der Kämpfenden auf der Wand
49:05 Museumsszene (Bildkomposition wird im text beschreiben, deswegen !!!)
17:36 Fremde Frau (!!!)
27:55 o. 28:06 S.S. mit Gitter
1:12:13 Tote S.S. vorm Käfig (!!!)
Unbedingt muss mein Name angegeben werden, also: Andreas Scholz mit Emailadresse: andreas-Scholz1@gmx.net
Ich muss mich wenigstens ein bisschen absichern, weil der Text eine Prüfungsleistung war, auch wenn ich nicht annehme, dass es da Probleme gibt.
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die Fußnoten sind jetzt dick und groß geworden, durch die Formatierung im Forum. (die gehören eigentlich klein nach oben gestellt)
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CVeidt schrieb:
die Fußnoten sind jetzt dick und groß geworden, durch die Formatierung im Forum. (die gehören eigentlich klein nach oben gestellt)
Wow, vielen vielen Dank. Damit hab ich nun wirklich nicht mehr gerechnet .
Habe dieses Woche noch Urlaub und werde ganz sicher Zeit finden das ganze komplett Online zu stellen - und das ganze natürlich unter deinem Real-Namen zu veröffentlichen - wie gewünscht .
Kurze Frage noch, im welchen Rahmen war diese Prüfungsleistung nochmal und was genau studierst du und in welchem Semester war das - wäre interessant und könnte ich in der News zu diesem Review / dieser Analyse mit angeben.
Vielen Dank nochmals!!!
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chilidog schrieb:
Kurze Frage noch, im welchen Rahmen war diese Prüfungsleistung nochmal und was genau studierst du und in welchem Semester war das - wäre interessant und könnte ich in der News zu diesem Review / dieser Analyse mit angeben.
Ich studiere Filmwissenschaft. Es ist eine Erstsemesterarbeit gewesen (Basismodul Filmanalyse), deswegen sind in den Fußnoten auch die ganzen verwendeten begrifflichkeiten erklärt worden. Hierbei ging es erstmal ganz basal darum, zu zeigen, dass man mit einem bestimmten wissenschaftlichen Vokabular umgehen kann und im Stande ist, dieses Vokabular im Dienst einer Analyse bzw. Interpretation anzuwenden. Über ein Motiv eines Filmes sollte geschrieben werden und dabei auf Mise en scene, Narration, Montage eingegangen werden usw.
Ja ich weiß, ich habe ewig von mir nichts mehr hören lassen. Aber irgendwie hatte ich auch nicht so richtig was zu sagen. Zwar war ich schon ein paarmal im Kino (Pans Labyrinth, Inland Empire), aber mir fiel nix ein, was ich dazu hätte schreiben können.
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CVeidt schrieb:
Ich studiere Filmwissenschaft. Es ist eine Erstsemesterarbeit gewesen (Basismodul Filmanalyse), deswegen sind in den Fußnoten auch die ganzen verwendeten begrifflichkeiten erklärt worden. Hierbei ging es erstmal ganz basal darum, zu zeigen, dass man mit einem bestimmten wissenschaftlichen Vokabular umgehen kann und im Stande ist, dieses Vokabular im Dienst einer Analyse bzw. Interpretation anzuwenden. Über ein Motiv eines Filmes sollte geschrieben werden und dabei auf Mise en scene, Narration, Montage eingegangen werden usw.
Danke für die Info, dann kann ich das richtig ankündigen .
Ja ich weiß, ich habe ewig von mir nichts mehr hören lassen. Aber irgendwie hatte ich auch nicht so richtig was zu sagen. Zwar war ich schon ein paarmal im Kino (Pans Labyrinth, Inland Empire), aber mir fiel nix ein, was ich dazu hätte schreiben können.
Ja, im Kino war ich auch sehr oft, wenn auch vor ca. 4 Wochen das letzte mal. David Lynchs "Inland Empire" fehlt mir aber noch, der läuft leider nur im Arthaus-Kino in der City - vielleicht krieg ich das ja diese Woche auf die Reihe - interessieren würde er mich natürlich brennend .
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@CVeidt
Sodele, kurzer Zwischenstand. Habe mal alle Screenshots gemacht - gleich mehrere pro Szene, dann kann ich in Ruhe die besten aussuchen.
Werde nun mal die obligatorischen Filminfos machen und später setze ich mich mit dem Text und den Fußnoten auseinander.
Bevor es Online geht schicke ich dir den Link entweder per e-mail oder poste ihn ins Interne Forum - dann kannst du es dir anschauen ob es ok ist oder nicht. Erst wenn du dein endgültiges Ok gibst geht das ganze offiziell Online .
Kurze Frage noch, geht es in Ordnung wenn ich den Text wie bei mir üblich formatieren? Also Namen werden in dem blau und vor jedem Filmtitel gibts ein Movie-Symbol zu sehen.
Kleines Problem. Das mit den Fussnoten kann man in HTML leider sehr schwer realisieren. Es geht halt nur hoch1 bis hoch3 - danach wird es nicht mehr so dargestellt.
Muss mal schauen wie ich das nun so darstellen kann, dass man es als Fussnote auch erkennt *seufz*.
Ok, streiche das Problem mit den Fussnoten, habe ein interessantes PlugIn gefunden, dass erzeugt automatisch unter dem ganzen Text die Fußnote und setzt oben auch noch einen Anker zur jeweiligen Erklärung .
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@ CVeidt,
eine e-mail mit Link ist an Deine obengenannte e-mail Adresse raus - bitte mal checken .
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