project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Eine Woche vor Schulschluss träumt die sechzehnjährige Oshare bereits von dem gemeinsamen Sommerurlaub mit ihrem Vater in Kuruizawa. Dieser ist erfolgreicher Filmmusik-Komponist und befindet sich gerade auf Geschäftsreise, um Ennio Morricone ordentlich Konkurrenz zu machen. Als der Vater jedoch zurückkommt hat er für die vollkommen perplexe Oshare eine neue Mutti im Gepäck. Ryoko ist nicht nur engelsgleich, sondern auch noch Schmuckdesignerin und kulinarisch begabt. Doch trotz aller Vorzüge ist das für die sensible Oshare aber eindeutig zuviel, liegt der Tod der leiblichen Mutter ja auch gerade mal läppische 8 Jahre zurück. Traurig und enttäuscht schließt sie sich in ihrem Zimmer ein und in Erinnerungen an ihre Mutter zu schwelgen und entschließt sich spontan, von zuhause wegzulaufen und zu ihrer Tante in das Elternhaus ihrer Mutter aufs Land zu fahren.
Doch Oshare ist nicht die Einzige, die nach dem stressigen Schuljahr mit einer herben Enttäuschung zurechtkommen muss. Auch das geplante Ferienlager ihrer Schulfreundinnen Sweet, Fanta, Mac, Kung-Fu, Gari und Melody muss kurzfristig abgesagt werden. Doch Oshare weiß auch in dieser bitteren Stunde Rat und lädt den Trupp spontan ein, sie auf ihrem Ausflug aufs Land zu begleiten. Die Mädchen sind von dieser Alternative natürlich mehr als angetan und willigen gerne ein. Die im Elternhaus wohnende Tante, die Oshare bereits seit einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen hat, wird zu guter letzt auch noch über die drohende Girlie-Invasion informiert und so kann es auch schon losgehen.
Nach einen bunt-poppigen Bahnfahrt inklusive Flashback finden sich die Schülerinnen bald inmitten einer üppigen Bilderbuchlandschaft. Der Weg in das entlegene Haus ist zwar beschwerlich, tut der guten Stimmung jedoch keinen Abbruch. Im Landhaus angekommen freut sich das auf den Rollstuhl angewiesene Tantchen samt Kater Schneeflocke riesig über den jugendlichen Besuch und heißt die 7 Schülerinnen herzlich willkommen. Die ist so richtig schrullig und spricht unter anderem auch mit den Einrichtungsgegenständen. Aber als Gastgeberin kann man sich ja auch ohne weiteres ein paar Extravaganzen leisten. Die Jugendlichen sind jedenfalls angesichts der Gastfreundlichkeit sehr angetan und beschließen, sich erst einmal im Haushalt nützlich zu machen und dem Tantchen zur Hand zu gehen. Gemeinsam wird geputzt, gekocht, Holz gehackt und musiziert.
Wenig später häufen sich jedoch mysteriösen Vorfälle im Haus. Türen und Fester öffnen sich von Geisterhand und die Einrichtung des Hauses entwickelt ein seltsames Eigenleben. Mac ist schließlich die Erste, die auf unerklärliche Weise verschwindet während das Tantchen erstaunlicherweise neue Kräfte erlangt. Als Fanta sich auf Suche nach Mac macht, findet sie diese auch am Brunnen – zumindest zum Teil. Fanta mit dem schwachen Nervenkostüm ist außer sich und die anderen haben alle Mühe, sie wieder zu beruhigen. Zum Glück verfügt Fanta jedoch über eine ausgeprägte Fantasie, sodass sie ohnehin niemand sonderlich Ernst nimmt. Doch die seltsamen Vorgänge häufen sich und ein weiteres Mädchen verschwindet spurlos. Selbst die freundliche Tante und auch Oshare verhalten sich zunehmend sonderlich.
Zu spät entdecken die verbliebenen Mädchen, dass es sich bei dem Haus und der Tante um menschenfressende Dämonen handelt. Zu diesem Zeitpunkt ist die muntere Jagdsaison auf frische Mädchen nämlich auch schon längst eröffnet. Verzweifelt versuchen die Mädchen aus dem Haus zu fliehen und hinter das Geheimnis der sonderlichen Begebenheiten zu kommen. Doch da hilft dann auch kein Kreischen und auch kein Karate mehr und ein grellbunter Alptraum für die Mädchen und dem aufgeschlossenen Zuschauer nimmt seinen Lauf…
Frage an den Genrefan: welcher Film beginnt als zuckersüßes Teenie-Drama vor gemalten Kulissen, entwickelt dann eine gruselige Haunted-House-Thematik und endet dann als surrealen Alptraum und ist dabei die ganze Zeit so quietschbunt, grell-psychedelisch, brutal-blutig und comichaft-überdreht, dass man ihn keine Sekunde lang Ernst nehmen kann? Keine Ahnung? Dieses cineastische Kinderüberraschungsei von Nobuhiko Obayashi aus dem Jahre 1977 lautet auf den Namen „Hausu“ und topt wohl alles, was ihr bisher gesehen mit Leichtigkeit. Vergesst wirklich alles, was ihr bisher über weirdes Asia-Kino gesehen, gelesen oder gehört habt und holt euch am besten diese – nebenbei erwähnt von mir bereits sehnsüchtigst herbeigesehnte – DVD aus dem Hause REM und ihr werdet – versprochen - aus dem Staunen echt nicht mehr rauskommen.
„Hausu“ wirkt zu Beginn wie bereits erwähnt wie ein kitschiges Teenie-Drama mit viel Pathos und Zuckerguss, doch wenn sich die sieben unterschiedlichen Mädels auf die Reise machen, ist das schon wieder vergessen und spätestens bei Betreten des Hauses bleibt dem Zuschauer ohnehin nicht mehr viel Zeit zum Durchatmen. Dann greift Obayashi nämliche in die Vollen und auf die Erfahrungswerte von 1000 Jahren (asiatischer) Filmkunst zurück und lässt dabei wohl kein Stilmittel und auch keinen filmtechnischen Trick aus um seinen Werk einen außergewöhnlichen und einzigartigen Look zu verpassen: Splitscreen, Weichzeichner, Slow-Mo, veränderte Farben, collagenartige Montagen und hunderttausend andere Sachen, die es auf technischer und erzählerischer Ebene zu entdecken gilt. Die Effekte waren im Jahre 1977 sicher auf der Höhe ihrer Zeit, wirken aber im Zeitalter von CGI mittlerweile herrlich oldskoolig. Am tollsten finde ich persönlich immer noch die gezeichneten Landschaftskulissen die ich auch schon in „Kwaidan“ extrem beeindruckend fand.
Wer sich allerdings einen gruseligen Horrorfilm erwartet, wird aber trotz einiger blutigen Szenen wohl eher enttäuscht werden. Zuviele humorvolle und groteske Elemente in den Film eingebaut, sodass eher Spaß denn irgendeine Spannung aufkommt. Zeitweise fühlt man sich ohnehin auch eher in einen grellen Videoclip als in einem ernsthaften Film. Außerdem muss auch erwähnt werden, dass der Film eher auf der optischen Ebene, als durch seine Story überzeugen mag, auch wenn diese vielseitig interpretierbar ist. Wie man die Story jetzt deuten mag, ist wohl auch jedem Zuschauer selbst überlassen. Ich tendiere ja zu einer latenten Todessehnsucht Oshares, die im Film versinnbildlicht wird.
Aber an unkonventionellen Einfällen mangelt es trotzdem auf keinen Fall und so werden die armen Schulmädchen wahlweise entweder von Klavieren gefressen, von Lampen verschluckt oder aber auch von Bettzeug, Brennholz und diversen anderen Haushaltsartikeln attackiert. Zuviel möchte man da ja gar nicht verraten. Jedenfalls ein herrlich überdrehter Spaß für den aufgeschlossenen Zuseher. Man sollte sich jedoch schon vorbehaltslos auf den Film einlassen. Mainstream-Gucker würden ohnehin spätestens nach 15 Minuten entnervt das Handtusch schmeißen.
Der Film selbst ist das erste abendfüllende Werk von Regisseur Nobuhiko Obayashi, der zuvor Kurzfilme und Werbespots gedreht hatte. Wie er allerdings Geldgeber für seinen superschrägen Film auftreiben konnte, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Außerdem wäre es sehr interessant zu erfahren, wie viel der Produktionskosten für den Konsum bewusstseinserweiternder Drogen investiert werden musste. An der Regie gibt’s trotzdem wenig auszusetzen, auch wenn das Drehbuch doch einige Fragen offen lässt. Das Ende wirkt doch etwas seltsam und muss wohl nicht ganz verstanden werden. Und auch der Verbleib von Lehrer Togo unter einem Haufen Chiquita-Bananen wird nicht gänzlich geklärt. Ist aber vermutlich ebenfalls wie, der krähende Papagei und das Pony beim Schuster, sowie der kochende Bär in der Nudelbar nicht gänzlich Ernst zu nehmen.
Die Darsteller überzeugen durch das übliche, asiatische Overacting inklusive dem obligatorischen Gekreische, das doch für den ungeeichten Zuseher etwas gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Die Mädchen wirken sehr sympathisch, wenn auch nicht ganz authentisch. Jedes der Mädchen verfügt ja über eine jeweils sehr ausgeprägte Charaktereigenschaft. Oshare ist eitel und selbstverliebt und kann an keiner reflektierenden Fläche vorbeigehen, ohne sich darin zu betrachten. Mac liebt das Essen und lässt keine Gelegenheit aus, irgendwelche Dinge in sich hinein zu stopfen. Gari ist intelligent und rational, während Fanta über eine überdrehte Fantasie verfügt. Melody ist musisch begabt, während Sweet eher praktisch veranlagt ist. Zum Schluss haben sie allerdings eines gemeinsam – das ich jedoch nicht verrate…
Der Soundtrack ist ebenfalls sehr stimmig, teils locker flockig und besticht sogar durch die ein- oder andere eingängige Pop-Perle. Visuelle Effekte und Special-Effects gibt es tonnenweise von albern-verspielt, über (bewusst) „komplett in den Sand gesetzt“ bis hin zu „absolut genial“ und bieten somit wirklich die ganze Bandbreite künstlerischen Schaffens.
Die Scheibe aus dem Hausu Rapid Eye Movies bietet dieses japanische Schmankerl, der meines Wissens nach bisher nicht auf Silberling erhältlich war, in der japanischen Originalfassung mit (ausblendbaren) deutschen Untertiteln. Die Bildqualität ist meines Erachtens mittelmäßig bis gut, geht aber wie auch der Ton durchwegs ok. Die animierten Menüs sind sehr liebevoll gestaltet, allerdings hätte man sich neben dem Trailer zum Film, weiteren aus der Serie „Nippon Classics“ und der Bildergalerie halt doch noch weiteres Bonusmaterial gewünscht. Ein Making of und ein Audiokommentar wäre schon sehr, sehr interessant gewesen, aber angesichts des Produktionsjahres wohl nicht mehr so ohne Weiteres aufzutreiben.
Aber nun zur Gretchenfrage: Ist „Hausu“ auch empfehlenswert? Tja, was soll ich sagen… meiner bescheidenen Meinung nach absolut! Der Film ist definitiv Kult und bietet ein einzigartiges Filmvergnügen, dass sich selbst und den Zuseher keine Sekunde lang Ernst nimmt. Mir fiele jetzt auch spontan kein ähnliches oder gar vergleichbares Werk ein. Ein absurder Trip auf Zelluloid, der absolut keine Rücksicht auf irgendwelche Konventionen, Richtlinien, geschweige denn irgendwelche Sehgewohnheiten nimmt. „Hausu“ überfordert den Zuseher mit all seinen Einfällen und optischen Raffinesen und lässt ihn doch begeistert zurück. Ein bisserl irre sollte man schon sein... aber sind wir nicht alle ein bisschen Bluna?
Beitrag geändert von jogiwan (04.November 2006 18:41:08)
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@ chili: die Bilder müssten ja auch schon bei dir angekommen sein!
Ich finde "hausu" klasse, auch wenn ich mir doch im Vorfeld schon was anderes erwartet habe. Mehrmals ansehen kommt dem Film aber definitiv zugute...
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Alles klar, Danke für das Review. Ich mache es morgen (Montag) mit fertig, habe ja noch zwei Tage Urlaub.
Pics sind auch schon da, dieses mal halt ohne Bildunterschriften, aber das macht ja nix.
jogiwan schrieb:
@ chili: die Bilder müssten ja auch schon bei dir angekommen sein!
Ich finde "hausu" klasse, auch wenn ich mir doch im Vorfeld schon was anderes erwartet habe. Mehrmals ansehen kommt dem Film aber definitiv zugute...
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Ich fand da Bildunterschriften ja nicht so passend, da die es von Hausu aus schon ziemlich irre sind. Da soll sich der Leser selber seine Gedanken dazu machen...
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@jogiwan
Review ist seit gestern Abend Online - hast du ja sicher schon gesehen .
http://chilidog.project-equinox.de/inde … ge_id=1817
Vielen Dank nochmals!
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