project: equinoX Forum

geschrieben von jogiwan am 06.10.05

Deutschland 1796: Die Schwester von Will/Wilhelm (Matt Damon) und Jake/Jacob Grimm(Heath Ledger) ist schwer erkrankt und liegt im Sterben. Jake wird losgeschickt um eine Kuh zu verkaufen um die notwendige Medizin für die todkranke Schwester kaufen zu können. Als Jake zurückkommt, hat er jedoch nicht die lebensrettende Medizin in seinen Händen, sondern Zauberbohnen, die der Träumer sich von einem Fremden andrehen hat lassen...

15 Jahre später zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die beiden Brüder ziehen durch die Dörfer um verschreckte Dorfbewohner gegen das entsprechende Kleingeld, Kost und Logie von bösen Geistern, Hexen und Kobolden zu befreien. Allerdings ist der ganze Spuk nur billiger Zauber, der von den beiden Brüdern mit zwei weitern Helfern sehr effektvoll inszeniert wird, um den unter der französischen Besatzung leidenden Menschen noch das letzte Geld aus der Tasche zu ergaunern. Als wenig später die beiden Helfer von den französischen Besatzern festgenommen werden und unter Folter die Betrügereien gestehen, werden die beiden Brüder von General Delatombe (Jonathan Pryce) zum Tode verurteilt bzw. vor eine Wahl gestellt. Entweder sie finden den jähen, grausamen Tod oder helfen gemeinsam mit dem foltererfahrenen und wenig kooperativen Cavaldi (Peter Stromare) hinter das Geheimnis der 10 Mädchen zu kommen, die in einem verwunschenen Wald in der Nähe des Dorfes Marbaden verschwunden sind.

Will und Jake willigen notgedrungen ein und machen sich gemeinsam mit Cavaldi auf, um den vermeintlichen Tricks in dem verwunschenen Wäldchen ein Ende zu bereiten. In Marbaden angekommen stösst der Trupp auf verängstigte und wenig gastfreundliche Dorfbewohner. Doch die Grimms lassen sich davon nicht abschrecken und machen sich mit der Fährtenleserin Angelika (Lena Headey) und mit bizarren Exorzismus-Gerätschaften auf, um dem Spuk im Wald ein für allemal den Garaus zu machen. In einer Lichtung entdecken sie einen verwucherten Turm, der einst von einer narzistischen Spiegelkönigin (Monica Belluci) gebaut wurde. Sie heiratete einst den König des Landes, als die Pest Einzug hielt und den König sowie die Bewohner des Landes dahinraffte. Im Turm wollte sie der Krankheit entfliehen und mittels Magie ihre ewige Schönheit und Jugend behalten. Doch auch sie fand den Tod. Der Wald entpuppt sich bei näheren Betrachtung als äusserst düster und feindseelig. Die Bäume scheinen zu leben und allerlei Mysteriöses und Unerklärliches geschieht und zwei Männer finden den grausamen Tod. Leider sind auch die Gebrüder Grimm nicht so mutig wie eigentlich angenommen und so flieht der Trupp völlig eingeschüchtert nach Marbaden zurück.

Noch in der selben Nacht wird ein 11. Mädchen auf mysteriöse Art und Weise entführt und selbst der Realist Will glaubt nun nicht mehr an rationale Erklärungen. Die Beiden machen sich gemeinsam mit Angelika auf um das Mädchen zu retten. Doch nächtens ist der Wald noch feindseeliger und die Bäume trachten ihnen nach dem Leben, und auch ein furchteinflössender Wolf stellt sich ihnen in den Weg. Der entpuppt sich jedoch als Angelikas Vater, der sich im Wald verirrte und sich in die Spiegelkönigin verliebte, ihr die Treue schwor und seitdem verwunschen in den Wäldern herumjagt. Die Spiegelkönigin ist jedoch eine böse Hexe und möchte mittels 12 Jungfrauen und bevorstehender Mondfinsternis die Unsterblickeit und ewige Jugend erlangen.  Angelika soll die 12. Jungfrau sein und Jake, der sich mittlerweile unsterblich in Angelika verliebt hat, Will und Cavaldi auf um der übermächtigen und unerbittlichen Spiegelkönigin das Handwerk zu legen. Doch auch der General Delatombe ist mittlerweile mit seinen Soldaten in Marbaden angekommen und den vermeintlichen Tricks der Brüder Grimm ein für alles mal das Handwerk zu legen. Das Chaos scheint perfekt....

Als ich auf dieser Seite die ersten Berichte über "the Brothers Grimm" und die sehnsüchte Erwartung dessen von einigen Leuten (hallo flacmurry!) gelesen habe, wusste ich eingentlich mit dem Namen Terry Gilliam gar nicht soviel anzufangen. Ich wusste zwar, dass er mal Mitglied bei den Monty Pythons gewesen war und auch für einige in Fankreisen kultisch-veehrte Filme verantwortlich ist, allerdings hatte ich mich nie näher mit der Person bzw. seinen Filmen und anderen Talenten wissentlich beschäftigt. Und wenn ich jetzt auch noch schreibe, dass ich keinen ausser seinen Flmen mit Monty Python gesehen habe, werden mir wohl einige die Berechtigung für ein Review über "the Brothers Grimm" absprechen. Doch gerade diese Unwissenheit in Kombination mit einem Gratis-Kinoticket ermöglicht es mir, wohl so unbefangen wie nur möglich an diesen Film heranzugehen.

"Freuen Sie sich auf ein unglaubliches Filmabenteuer, das fantastischer, wundersamer und bildgewaltiger nicht sein könnte - ein oppulenter Bildrerausch voll skurrilem Humor und aufwändigen Effekten. Von Kultregisseur und Ex-Monty Python Terry Gilliam mit unverwechselbarer Handschrift als düsteres Schauermärchen [..] brillant und innovativ inszeniert."
Der obige Text ist ja leider nicht von mir, sondern entstammt dem Presseheft zum Film. Da kein Superlativ ausgelassen wurde, bin ich ja doch etwas skeptisch geworden. Ein wirklich guter Film hat es ja meiner Meinung nach auch nicht wirklich nötig mit solchen grossen Worten beworben zu werden. Und so auch der weitere Text mit Stellen wie "[...] kombiniert Gilliam Elemente von Komödie. Fantasy, Horror und Romanze und formt daraus ein Abenteuer, das von dem bekanntesten Geschichten, die jemals erzählt wurden, inspiriert ist". Nun ja, teilweise mag das schon stimmen, aber bekanntlich verderben viele Köchen bzw. Inhalte den Brei und die liebevollen Reminiszenen an die Geschichten der Gebrüder Grimm könnte man auch weniger wohlwollend als vollkommen aus dem Kontext gerissene Figuren von Märchen der Gebrüder Grimm" bezeichnen, die in einer unausgegoren Abenteuer-Fantasy-Was-weiss-ich-noch-alles-Mixtur verbraten wurde. Aber so schlimm wird es zum Glück ohnehin nicht!

Aber nun zur Gretchenfrage: Ist "the Brothers Grimm" jetzt ein empfehlenswerter Film? Nun ja, diese Frage kann eigentlich nicht uneingeschränkt mit "Ja" beantwortet werden, aber schlecht ist er dann auch wieder nicht. Ich würde am ehesten noch auf "fantasievoll-unterhaltsam aber schlussendlich etwas unausgegoren und doch auch eine Spur belanglos" plädieren. "Brothers Grimm" ist definitv gut gemacht und die Sets und Bilder, vor allem der verwunschene Wald und die Dörfer sind sehr stimmig und gut gemacht (die Entführung von Rotkäppchen ist der Hammer!), allerdings gibts es auch die ein- oder andere Szene aus dem Rechner, die wohl als nicht so gelungen zu bezeichnen ist. Gilliam wollte laut eigenen Worten die Realität des 19. Jahrhunderts mit der Welt des Fantastischen und Märchenhaften (wenn auch eher die dunklen Aspekte dessen) kombinieren. Dieses Vorhaben ist auch vollends gelungen, auch wenn die blendend-weissen Zahnkronen sämtlichen Hauptdarsteller wohl eher nicht so in die Zeit der Gebrüder Grimm passen dürften. Die Zeiten, wo ein Film jedoch allein aufgrund der Optik zu überzeugen wusste, sind auch schon vorbei und so ist es die Geschichte, die den Zusehen zu überzeugen hat. Und hier kommen wir auch zum grossen Schwachpunkt des Filmes.

Die Geschichte der beiden Brüder, die sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit ergänzen und lieben und schlussendlich aufgrund der vereinten Fähigkeiten natürlich schaffen, den Fluch der bösen Spiegelprinzessin zu brechen ist doch etwas vorhersehbar. Die Charaktere sind dabei auch bei weitem nicht so interessant ausgefallen, wie eigentlich erwartet. Der eine ein realitätsferner Träumer, der sich in eine Fantasiewelt aus Erzählungen flüchtet und der andere ein kühler Realist und Frauenschwarm, der für alles eine logische Erklärung sucht. Zum Schluss darf der geneigte Zuseher erkennen, dass wohl beide Seiten ihre Vor- und Nachteile besitzen und Zwei immer noch stärker als einer allein ist.
Bei dem überzeichneten Folterer Cavaldi, dessen Charakter gleichfalls wie General Delatombe doch bald mal etwas auf die Nerven ging, wird zuerst nichts unversucht gelassen um ihn unsympathisch wirken zu lassen, am Ende des Films darf er uns dann doch vom Gegenteil und seinem grossen Herz überzeugen. Warum der grosse Sinneswandel eintritt, ist allerdings nicht wirklich zu erahnen und bleibt ebenso im Dunkeln wie noch so vieles mehr.

Bis es allerdings mit dem "und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende" soweit ist, wird Genre-üblich ein grosses Feuerwerk an Special-Effects, Kawumm und Reizüberflutung im hohen Tempo abgeschossen um den Zuseher auch ja keine Zeit zum Nachdenken bzw. Luftholen zu lassen. Und auch wenn es sich durchaus um ein Märchen für Erwachsene handelt, so wurde für meinen Geschmack doch ein bisschen zuviel in der Gegend herumgeflogen, geflüchtet, gelaufen,  gekämpft, gestorben, wiederauferstanden und dergleichen. Irgendwie fühlte ich mich teilweise auch an so Filme wie "die Mumie" oder ähnliches erinnert, mit denen ich halt auch so absolut nichts anfangen kann. Sicherlich sind jedoch im Gegensatz zu dem ebengenannten Film noch viele zusätzliche skurrile Einfälle, schwarzer Humor und allerlei interessante Ideen, sowie imposante Bilderwelten enthalten, jedoch gehen diese in dem Effektfeuerwerk und all der Action doch unweigerlich etwas verloren. Meine Tageszeitung schrieb in der heutigen Kritik zum Film: "Nicht zuletzt darf das Werk, das zweifelsfrei kein Kinderfilm ist, als Hassliebeserklärung an das von Special Effects getriebene Kommerzkino gesehen werden" )*. Stimmt so wohl!

Doch wer waren die echten Gebrüder Grimm, die mit den Brüdern im Film ausser den gemeinsamen Namen nichts zu tun haben und die es mit ihren Geschichten zu weltweiten Ruhm gebracht - und es sogar bis auf die 1000 DM-Banknote (falls den jemals wer in Händen hatte) geschafft haben. Die beiden Brüder entstammen einer Grossfamilie aus Hessen. Die Vorfahren waren Geistliche und so sollten auch Jacob und Wihlem studieren, wobei sich diese jedoch für Rechtswissenschaften entschieden. Durch einen Lehrer der Universität wurden beide mit den Werken von Goethe und Schiller vertraut gemacht. Allerdings waren beide Realisten und sahen weniger die Romantik in deren Werken, sondern interessierten sich für die geschichtliche Entwicklung deutschsprachiger Literatur. Bald begannen die beiden für eine wissenschaftliche Abhandlung dieser Thematik, Geschichten und Sagen der einfachen Leute zu sammeln. Bis allerdings das erste illustrierte Märchenbuch erschien und auch erfolgreich wurde, war es ein langer Weg, der auch von einige Schicksalsschlägen begleitet wurde. Auch mussten zahlreiche Märchen immer wieder überarbeitet, bzw. komplett gestrichen werden und teils auch erotische Anspielungen (!!!) beseitigt werden. Allerdings sehr interessant, was die beiden Brüder, die 1819 für ihre Leistung mit einer Ehrdendoktorwürde ausgezeichnet wurden, im Laufe ihres Lebens sonst noch so alles geleistet haben. Wer sich hierfür interessiert, sollte wie üblich mal bei Wikipedia vorbeischauen. )**

Aber wieder zurück zum Film und seinem Regisseur. Terry Gilliam, der am 22. November 1940 in Minnesota zur Welt kam und wurde als Mitglied der legendären, englischen Comedy-Truppe "Monty Python" weltberühmt. Ursprünglich studierte er Politikwissenschaft, ehe er 1962 als Zeichner eines Satire-Magazins seine kreative Laufbahn begann. Durch seine Arbeit bei dem Magazin lernte er John Cleese kennen, der ihm nach seinem Umzug nach England einen Job bei dem Sender BBC vermittelte. Hier traff er auf weitere Komiker und sie gründetetn die kultisch-verehrte Comedy-Truppe, für deren skurrile Trickfilme er verantwortlich war. Doch es blieb nicht nur bei Animationen, im Jahre 1975 folgte seine erste Regiearbeit bei einem Realfilm "die Ritter der Kokosnuss". Danach folgte "Jabberwocky", der (wie auch von mir im Vorfeld) fälschlicherweise oft den Pythons zugeordnet wird, jedoch Gilliams erster eigener Film war. Nach seinem kommerziell grössten Erfolg mit der englischen Satirkern "das Leben des Brian" kümmerte sich Gilliam vollständig um eine eigenständige Karriere als Regisseur. Seine Karriere ist von Höhen ("Brazil", "König der Fischer" und "12 Monkeys") und Tiefen ("die Abenteuer Baron Münchhausens" und der bis dato unvollendente und finanziell desaströse "the man who killed Don Quixote") begleitet. "The Brothers Grimm" kam am 25. August in die amerikanischen Kinos und wurde trotz der gelobten Bilderwelten, beinahe von allen Kritikern einhellig zerissen. Ob er sein Budget von 80 Mio $ einspielen wird ist fraglich, bis dato (Stand: 25. September 2005) hat der Film zumindest in den USA lediglich 37 Mio $ wieder eigespielt. Ob der Film in Europa (wo auch eindeutig mehr Gilliam-Fans zu finden sind) erfolgreicher wird, bleibt abzuwarten.

Nun zu den schaupielerischen Leistungen: die sind allesamt sehr, sehr gut. Egal ob es sich jetzt um Matt Damon oder Heath Ledger handelt, beide spielen ihre Rollen mit Bravour, vor allem Ledger überrascht als sensibler Träumer. Eine Rolle, die man ihm ja nicht so unbedingt zutrauen würde. Matt Damon kann man jetzt mögen oder nicht, ich fand ich auf jeden Fall gut. Die englische Schauspielerin Lena Headey (die mich doch sehr an Natalie Portman erinnert) spielt die toughe Fallenstellerin sehr gut und musste für ihre Rolle auch einige körperliche Strapazen in Kauf nehmen. Und auch wenn mir der Charakter des Generals Delatombe nicht so gefallen hat, so bleibt das Schauspiel von Jonathan Pryce doch grandios und  Peter Stormare ("Fargo", "Dancer in the Dark" etc.), der vielbeschäftigte Schwede spielt sowieso wieder ausser Konkurrenz. Monica Belluci, deren Rolle als böse Hexe leider minimal ausgefallen ist, betört durch ihre Schönheit sicherlich nicht nur die beiden Brüder Grimm, sondern auch vorwiegend die männlichen Kinobesucher. Besonders positiv stechen auch die zahlreichen Kinderdarsteller ins Auge, die für den Film eindeutig ihr Bestes gaben.

Und zum Schluss noch mein kleines, persönliches Fazit: mir hat "the Brothers Grimm" recht gut gefallen, auch wenn mich etwas gestört hat, dass die Begleiter meiner Kindheit doch etwas aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Da hätte ich mir schon etwas mehr erwartet. Auch hätte ich an Stelle des Regisseurs bei einigen Dialogen und Szenen eindeutig die Schere angesetzt. Man mag dieses jedoch Gilliam angesichts der gezeigten, tollen Bilderwelten verzeihen. Dass Drehbuch hat seine Schwächen aber ich bin auf jeden Fall knapp 2 Stunden lang (trotz anschliessenden Nachos-Tinitus) recht gut unterhalten worden, auch wenn dieses effektüberladene Kommerzkino normalerweise überhaupt nicht mein Bier ist. Sicherlich kein Film, den ich mir ein ...sagen wir... drittes Mal ansehen würde, aber trotzdem noch um Längen besser ist, als das sonstige Big-Budget-Zeug was sonst so derzeit im Multiplexx um die Ecke läuft. Ein Film, wo mich das Making-Of auch sehr interessieren würde. Und auch wenn sich die deutsche Kritik vermutlich in Verrissen überbieten wird, so wünsch auf jeden Fall viel Spass bei einem Film, dem man durchaus auch als Nicht-Gilliam-Fan seine Change geben sollte.

)* Kleine Zeitung, 06.10.2005, Autor: Walter Titz
)** http://de.wikipedia.org/wiki/Gebr%C3%BCder_Grimm