project: equinoX Forum

Jessica (Zora Lampert) wurde soeben nach 6 Monaten aus dem Krankenhaus in New York entlassen, wo sie wegen einer psychischen Erkrankung therapiert wurde. Nun ist sie gemeinsam mit ihrem Mann Duncan (Barton Heyman) und einem gemeinsamen Freund Woody (Kevin O´Connor) unterwegs zu einer aufgelassenen Landwirtschaft irgendwo auf dem Lande. Dort soll die labile Jessica, fernab vom Trubel der Grosstadt Erholung finden und wieder zu Kräften kommen.

Doch schon bei der Hinfahrt geschehen seltsame Dinge. Als Jessica auf dem örtlichen Friedhof ihrer morbiden Hobby frönt und von einem alten Grabstein einen Abdrucke anfertigt,  sieht sie ein mysteriöses, weiß gekleidetes Mädchen (Gretchen Corbett) und hört Stimmen die sie eindringlich vor dem neuen Haus warnen. Dort angekommen sieht Jessica sogleich eine Gestalt in einem Schaukelstuhl vor dem Haus, die wenige Sekunden darauf jedoch verschwunden ist. Als die drei das großzügige Haus betreten treffen sie jedoch tatsächlich auf eine weibliche Person, die sich versteckt. Es ist Emily (Mariclare Costello), eine Tramperin, die es sich zwischenzeitlich in dem leerstehenden Haus gemütlich gemacht hat.

Emily ist sympathisch und Woody findet sichtbar Gefallen an ihr, sodass Jessica sie bittet, doch noch ein bisschen zu bleiben. Emily willigt dankend ein und abends machen die vier eine gemeinsame Seance, in der sie die Geister der Verstorbenen rufen. Jessica hört neuerlich Stimmen, die den anderen jedoch verborgen bleiben. Doch nicht nur vermeintliche Geister, sondern auch die Tatsache, dass sich Duncan zunehmend für die lebenslustige Hippie-Braut interessiert, bereiten Jessica Gedanken.

Da das Geld äußerst knapp ist und Duncan sich mit dem Erwerb des Hause finanziell übernommen hat, versuchen die Jessica und ihr Gatte durch den Verkauf von Einrichtungsgegenständen und Antiquitäten über Wasser zu halten. Am Dachboden findet Jessica ein altes Bild der alten Besitzer und ein Hochzeitskleid der Vorbesitzerin. Der Verkauf der Antiquitäten erweist sich jedoch aufgrund der seltsamen Feindseeligkeit der Dorfbewohner gegenüber den Fremden äußerst schwierig. Erst nach einiger Zeit finden die Jessica und Duncan einen Händler, der ihnen die Sachen abnimmt. Beim Betrachten des Bildes jedoch erstarrt er und erzählt den beiden die Legende, die sich um das erworbene Haus rankt. So soll im Jahre 1880 eine gewisse Abigail Bishop, die mit ihrem Eltern das Haus bewohnte, kurz vor ihrer Hochzeit in dem See hinter dem Haus ertrunken sein und seitdem als Vampir herumspuken.

Duncan schenkt dem Geschwätz über untote Geister und Vampire natürlich keinem Glauben, doch für Jessica beginnt jetzt erst das wahre Grauen. Beim Schwimmen im See greift eine Hand nach ihr, die Stimmen sprechen immer und sie entdeckt Leichen, die Sekunden darauf wieder verschwunden sind. Jessica beginnt immer mehr an ihrem Geisteszustand zu zweifeln. Ihr gesamtes Umfeld und selbst das Haus scheint sich gegen sie verschworen zu haben. Als sie auch noch entdeckt, dass Emily der verstorbenen Abigail bis aufs Haar gleicht, beginnt auch diese, sich zunehmend seltsam und aggressiv zu verhalten. Doch zu diesem Zeitpunkt ist der Alptraum noch lange nicht ausgestanden...

“I sit here and I can't believe that it happened. And yet I have to believe it. Dreams or nightmares? Madness or sanity? I don't know which is which…”

„Let´s scare Jessica to death“ ist ja eigentlich ein Film, von dem ich bis vor kurzen noch nie etwas gehört hatte und in unseren Breiten anscheinend auch weitgehendst unbekannt ist. Erst der Tipp des werten Filmgelehrten CVeidt aus dem Forum hat mein Interesse auf diesen 1971 gedrehten Low-Budget Film von John D. Hancock gelenkt, der erst vor kurzem seine, von Fans langerwartete DVD-VÖ im amerikanischen Raum erfahren hat. Und was soll ich sagen, der Film ist natürlich ziemlich cool und daher ein großes Dankeschön noch mal an dieser Stelle nach Berlin. Eigentlich ein richtiger Kracher, wenn auch von der sehr leisen und subtilen Sorte. „Let´s scare Jessica to death“ baut von Minute zu Minute mit einfachsten Mitteln eine ungeheure Spannung auf und ist bis zum – und inklusive Schluss undurchschaubar und vielseitig interpretierbar.

Der Zuschauer weiß nie, ob sich das „Grauen um Jessica“ (so auch der deutsche Titel) jetzt tatsächlich ereignet, oder sich nur im Kopf der psychisch-labilen Frau abspielt. Jessica sieht Personen und Ereignisse, die nur teils auch von den anderen Anwesenden wahrgenommen werden. Die Stimmen, die sie hört, sind einerseits Warnungen, zeugen aber auch von ihrer Eifersucht und latenten Todessehnsucht, die sich auch in ihrem Hobby wiederspiegelt. Die Bewohner sind feindselig, aber ist das auch tatsächlich existent, oder empfindet das Jessica in der ihr ungewohnte Umgebung nur so. Und ist Emily wirklich der Geist der verstorbenen Abigail, die Männer in untote Wesen verwandelt oder sieht nur Jessica in der lebensfrohen und spontanen Hippie-Braut eine Bedrohung, weil sie auf Emily eifersüchtig ist und auch ihre Ehe bedroht sieht?

Der Film selbst ist wie gesagt, sehr ruhig und langsam inszeniert und bezieht seine Spannung größtenteils aus der cleveren Geschichte, die den Zuschauer mehrmals geschickt in die Irre führt. Ich kann nur soviel verraten: jedes Mal wenn ich etwas durchschaut geglaubt hatte, kam es erst anders. Die zahlreichen Schockmomente, verzichten größtenteils auf blutige Effekte, verfehlen ihre Wirkung aber nicht. Hancock schafft vor allem durch schöne Bilder, einer zum Teil surrealen Atmosphäre und den äußerst geschickten Einsatz von bedrohlichen Ton- und Soundeffekten eine derart bedrohliche Stimmung aufzubauen, dass man das Teil – wie ich feststellen durfte - auch genauso gut „Let´s scare jogiwan to death“ hätte nennen können.

Es muss aber auch gesagt werden, dass der Film sicherlich nicht jeden gefallen wird, da es sich einerseits um eine Low-Budget-Produktion aus dem Jahre 1971 handelt, das Erzähltempo sehr langsam und die Geschichte mit ihrer Auflösung auch etwas konfus geraten ist. Das Ende wird wohl definitiv nicht jedem zusagen. Parallelen können meiner Meinung jedenfalls zu „rosemary´s Baby“ (weibliche Protagonistin zweifelt an ihrer Zurechnungsfähigkeit und Umwelt), Gery Shermans „Dead and Buried“ aus dem Jahre 1981 und dem entfernt-vergleichbaren Über-Drüber-Smasher „a tale of two sisters“ gezogen werden. Wer so wie ich die drei genannten Filme  zu seinen Favourites zählt, der kann jedenfalls bedenkenlos zugreifen.

Das „let´s scare Jessica to death“ aber im Endeffekt so gut funktioniert, liegt neben der tollen Inszenierung auch zu einem Großteil an der beeindruckenden Leistung von Zohra Lampert, die das Wesen der zerbrechliche Jessica am Rande ihres drohenden Nervenzusammenbruchs sehr glaubwürdig und authentisch verkörpert. Anfangs naiv-kindlich mit Dauergrinsen spiegelt sich in ihrem Gesicht zunehmend die Angst und Hilflosigkeit, aber auch die Wut über ihr eigenes Unvermögen mit der Jessica den grausigen Ereignissen gegenübersteht.
Aber auch Barton Heyman als hilfloser Ehemann Duncan Mariclare Costello als undurchsichtige Emily sollten nicht unerwähnt bleiben. 

Die RC1-DVD aus dem Hause Paramount bringt den Film aus dem Jahre 1971 in durchaus guter Bild- und Tonqualität und der englischen Originalfassung. Obwohl die Dialoge leicht verständlich sind, verfügt die DVD aber auch noch über englische Untertitel, die sich weniger Sprachgewandte zu Hilfe nehmen können. Leider gibt es jedoch weder Trailer noch sonstiges Bonusmaterial, was ich persönlich schade finde. Da die Scheibe jedoch bereits für umgerechnet knapp 10 Euro bei den üblich-verdächtigen Mailordern erhältlich ist, stimmt das Preis-/Leistungsverhältnis trotzdem. Eine deutsche Veröffentlichung, in der ohnehin auch die Dialoge  ziemlich grottig sein sollen, wird es wohl auch nicht so schnell geben.

„Let´s scare Jessica to dead“ ist ein kleines, spannendes Genre-Juwel, das zu Unrecht weitgehendst unbeachtet geblieben ist. Eine äußerst geglückte Mischung aus surrealem Grusel, Psychodrama, Hippie-Feeling, einer Prise Haunted-House-Gothic-Horror und einer absolut-großartigen Hauptdarstellerin. Weiters auch ein wunderbares Lehrstück, wie man aus einem Minimum an verfügbaren Mitteln das Maximum an Suspense herausholen kann. Und so bleibt zu hoffen, dass der Film wenigstens 35 Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen, nun endlich auch die - imho - ihm zustehende Anerkennung erfährt . Verdient hätte es der Film auf jeden Fall. Und auch wenn etwas Bonusmaterial zur Entstehung des Filmes und dessen Geschichte sicherlich nicht geschadet hätte, so bin ich trotzdem sehr begeistert. Eigentlich gehört dieses beeindruckende Jessy-goes-mad-Filmchen auch in jede gepflegte Sammlung und daher kann es auch nur eine ausdrückliche Empfehlung an dieser Stelle geben. Holt euch das Teil!

Beitrag geändert von jogiwan (14.September 2006 07:50:36)