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geschrieben von jogiwan am 12.08.05
Gloria (Carmen Maura) lebt gemeinsam mit ihrem Mann, dessen Mutter und ihren beiden Kindern in einer kleinen Mietwohnung in der Madrider Vorstadt. Das Geld ist knapp und um wenigstens halbwegs mit dem spärlichen Geld, das ihr Mann Antonio als Taxifahrer nach Hause kommt, über die Runden zu kommen, geht Gloria putzen. Nur der Konsum von Apptetitzüglern und das Schnüffelns von Lösungsmitteln lässt ihr den Stress der 18-Stunden-Tage einigermassen erträglich erscheinen. Denn auch die Familie gibt keinen sonderlichen Halt: Antonio - ein ehemaliger Urkundenfälscher - ist ein richtiger Pascha, der immer noch seiner grossen Liebe zu einer deutschen Schlagersängerin nachweint und sich zwischen seinen Taxischichten nach Strich und Faden bedienen lässt. Toni ist ebenfalls angehender Urkundenfälscher, dealt nebenbei mit Drogen und Miguel hüpft mit dem Vater seines Schulkollegen ins Bett. Auch die Schwiegermutter (Chus Lamreave) ist mit ihrer pessimistischen Art und der permanenten Sehnsucht nach ihrem Heinmatort keine grosse Hilfe. Einzig die Begegnungen mit der Nachbarin Cristal (Verónica Forqué), einer ambitionierten Hure und anstrebenden Schauspielerin erhellen ihren tristen Alltag.
Als sie eines Tages einen Putzjob bei einem erfolglosen Schriftstellerpärchen annimmt und dieser von den Fälschertätigkeiten ihres Mannes erfährt, wittert dieser das grosse Geschäft. Mit Hilfe der suizidgefährteten grossen Liebe Antonios, der abgehalfterten Schlagersängerin Ingrid Müller sollen gefälschte Hilter-Tagebücher angefertigt werden, die das grosse Geld bringen sollen. Doch auch Gloria hat mittlerweile einen Weg gefunden und das karge Haushalt-Budget aufzufetten. Kurzerhand verkauft sie den frühreif-homosexuellen Miguel an einen pädophilen Zahnarzt. Wenig später tötet Gloria ungewollt ihren Mann bei einem Streit im Affekt und die Familie bricht vollends ausseinander, denn Miguel und seine Grossmutter wollen nach dem Tod des Vaters, mit dem aus den Drogengeschäften verdienten Geld Madrid verlassen und am Land ein neues, besseres Leben beginnen. Gloria ist am Ende ihrer Kräfte....
Der 1984 gedrehte Film "?que he hecho yo para merecer esto ?!!" ist wohl einer der typischsten Vertreter des sogenannten "frühen Almodovars" und verbindet gekonnt Komödie, Melodram und Groteskte, eingehüllt in eine schräge Story, absurde Situationen und Wortwitz. Das was sich in der kurzen Zusammenfassung schon etwas schräg anhört, ist ja nur ein Bruchteil dessen, was sonst noch so alles im Laufe der 101 Minuten so alles passiert. Wenn auch der Film an sich für einen Almodovar doch etwas ungewöhnlich ausgefallen ist. Seine Filme spielen oft im Milieu der Reichen und Schönen oder zumindest Gutsituierten, die dennoch nicht glücklich sind. In "womit hab´ ich das verdient" ist es das Kleinbürgertum, das schonungslos portraitiert wird. Selbst die Stadt an sich, meist wichtiger Schauplatz und Teil der Handlung in Almodóvars Filmen spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.
Die Situation in der sich Gloria befindet ist trostlos und depremierend und eigentlich wird sie von ihrer Familie nur noch als funktionierende Haushaltsmaschine wahrgenommen. Sie selbst hat gerade genug Geld um die Miete und den Strom zu bezahlen. Beim Essen und der Heizung muss gespart werden und sich mal etwas selbst zu gönnen, dass scheint unerreichbarer Luxus zu sein. Versuche aus ihrem tristen Leben auszubrechen schlagen fehl, der Versuch eines Seitensprungs scheitert an der Impotenz des Partners und nach dem Verlust der Familie scheint schlussendlich nur noch ein Selbstmord als letzter Ausweg möglich zu sein.
Sicherlich mag vieles auf den ersten und auch auf den zweiten Blick sehr übertrieben wirken, trotzdem zeichnet Almodóvar im Grunde das Bild einer entfremdeten, unzufriedenen Gesellschaft bzw. Familie. Die Söhne als Drogendealer bzw. frühreife Homosexuelle als Sinnbild für die heutige Jugend, deren Interessen von den Eltern oftmals gar nicht mehr richtig wahrgenommen, jedoch toleriert werden. Cristal ist zwar Hure, hat es aber immer noch besser erwischt als Gloria mit ihren hausfräulichen Tätigkeiten. Und als der Vater verstirbt, scheint dieses niemanden sonderlich zu berühren. Die traditionelle Familie gibt es nicht mehr, vielmehr wurde diese durch ein Kollektiv unterschiedlicher Personen mit gegesätzlichen Interessen, denen der Zusammenhalt nur mehr aus wirtschaftlichen Gründen und nicht aus Emotionen heraus gegeben ist, ersetzt.
Um ehrlich zu sein, empfand ich "womit hab´..." bei der ersten Sichtung als etwas sperrig und eine Spur zu dramatisch. Irgendwie vermisste ich anfänglich die typische Unbeschwertheit der Filme aus seiner mittleren Schaffensphase. Ein Eindruck, der sich mittlerweile jedoch komplett gewandelt hat. Für die breite Masse ist der Film jedoch ohnehin nie gedreht worden. Sehr auffällig ist bereits die ausgereifte Bildsprache und die ungewöhnlichen Perspektiven, die von der Kamera in Alltagssituationen eingenommen werden. Für einen spanischen Filmpreis, den Sant Jordi Award 1985 hat es auf jeden Fall zurecht gereicht.
Die 1945 in Madrid geborene Carmen Maura spielt in "womit hab´..." wohl eine der besten Rollen ihrer Karriere und verkörpert die verzweifelte und geschundene Hausfrau mit jeder Pore ihres Körpers. Was die wenigsten Wissen: nicht Pedro Almodóvar hat Carmen Maura berühmt gemacht, vielmehr war es umgekehrt. Maura war zu jener Zeit bereits eine bekannte Theaterschauspielerin, als sie auf den jungen und aufstrebenden Jungregisseur aufmerksam wurde. Als Pedro ihr die Idee zu seinem ersten abendfüllenden Film "Pepi, Lucy, Bom und die anderen..." erzählte, war Maura so begeistert, dass sie nicht nur begann, im Freundeskreis Geld für die Produktion zu übernehmen, sondern auch gleich die Hauptrolle übernahm. )*
Aber auch der Rest des Essembles kann vollends begeistern, allen voran Chus Lampreave als verbitterte Grossmutter und Verónica Forqué als Cristal. Auch Cecilia Roth ("alles über meine Mutter"), Augustín Almodóvar als Bankangestellter(Produzent und Bruder), Fabio McNamara (Komponist zahlreicher Soundtracks) und der Grossmeister selbst haben es sich nicht nehmen lassen, in kleinen Auftritten selbst kurz in Erscheinung zu treten.
Leider sind die frühen Werke Almodóvars nicht unbedingt leicht zu erwerben. "Womit hab´ ich das verdient" gibt es derzeit (laut dvd-basen) nur in zwei VÖ´s, darunter die amerikanische RC1-DVD aus dem Hause Wellspring, die auch ich im Regal stehen habe. Diese bietet die spanische Originalversion mit variablen englischen Untertiteln in 16 x 9 anamorph und einem 5.1 Mix. Obwohl es sich um eine Indie-Produktion handelt ist das Bild sehr gut gelungen. Leider hat es Wellspring jedoch nicht geschafft, ausser 3 Bildtafeln (Filmografie) weitere Extras auf die Scheibe zu packen. Vielleicht erbarmt sich mal eines Tages eine deutsche Firma dieses kleinen Meisterwerkes (L.A. Times) und bringt den Film in einer üppigeren Variante auf den Markt. Bis dahin ist jedoch jeder, der sich für die Frühwerke Almodóvars interessiert mit dieser Scheibe sehr gut beraten.
)* diese Info und vieles mehr hab´ ich aus dem empfehlenswerten Buch: "almodóvar - kino der leidenschaften" von Christoph Haas, erschienen in der Arte-Edition beim Europa-Verlag.
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Cool, einer der Almodovars die ich bisher noch nicht kenne - aber ich kenne leider leider eh nur bisher sechs Filme von ihm und die stammen aus den 90ern und den letzten Jahren.
Die Story hört sich total schräg an - wie eigentlich jede bei einem Film von Almodovar. Und für Kenner der Almodovar- und Spanien-Film dürfte sich ja auch die Besetzungsliste recht interessant anhören.
Carmen Maura fand ich zum Beispiel im Film "La Comunidad - Allein unter Nachbarn" Klasse, Chus Lampreave hatte mir als nervige Mutter in "Mein blühendes Geheimnis" verdammt gut gefallen und Cecilia Roth :love: kennt man auf jeden Fall aus "Alles über meine Mutter" - einer meiner Lieblings-Almodovar-Filme .
Ich hoffe natürlich ebenfalls, dass es bald in Deutschland auch die älteren Filme von Almodovar auf auf DVD gibt!
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jogiwan schrieb am 12.08.05
Carmen Maura liefert meiner Meinung nach auch ihre beste Rolle in "womit hab..." ab. Die spielt sich förmlich die Seele aus dem Leib und verkörpert die geschundene und verzweifelte Hausfrau mit jeder Pore ihres Körpers. Hammer! Aber was anderes hätte ich von der guten Dame ja auch gar nicht erwartet :smile:
Eigentlich hätte ich das ja auch noch irgendwo schreiben können, aber dann wäre der Text gar so lang geworden
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jogiwan schrieb am 12.08.2005 (18:11:21):
Eigentlich hätte ich das ja auch noch irgendwo schreiben können, aber dann wäre der Text gar so lang geworden
Kein Problem, mache ruhig. Ich hoffe das ich ein paar Screenshots vom Film finde, dann kann der Text eigentlich nicht lang genug sein .
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jogiwan schrieb am 12.08.05
Gerade um zwei neue Passagen ergänzt und auch noch einen Quellen-Verweis und Buchtipp abgelassen
:biggrin:
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jogiwan schrieb am 12.08.2005 (18:41:43): Gerade um zwei neue Passagen ergänzt und auch noch einen Quellen-Verweis und Buchtipp abgelassen
:biggrin:
Das mit dem Quellen-Verweis und den Buchtipp ist Klasse, dann wissen die Leute auch, wo du die Infos her hast und können sich dann bei Interesse selbst mit den Sachen eindecken .
Sodele, das Review ist nun Online - leider vorerst ohne Pics - aber die werden bei der nächsten Gelegenheit nachgereicht!
http://www.project-equinox.de/index.php?seite=13008
Kleine Frage ob das so stimmt, oben im Text schreibst du zu "Chus Lampreave" das sie die Schwiegermutter spielt und weiter unten bezeichnest du sie als verbitterte Großmutter.
Was anderes witziges, du schreibst ja: (Chus Lampreave) ist mit ihrer pessimistischen Art und der permanenten Sehnsucht nach ihrem Heimatort keine große Hilfe - genau das gleiche spielt sie ja auch in "Mein blühendes Geheimniss" .
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jogiwan schrieb am 13.08.05
chilidog schrieb am 13.08.2005 (14:17:41):
Kleine Frage ob das so stimmt, oben im Text schreibst du zu "Chus Lampreave" das sie die Schwiegermutter spielt und weiter unten bezeichnest du sie als verbitterte Großmutter.
Was anderes witziges, du schreibst ja: (Chus Lampreave) ist mit ihrer pessimistischen Art und der permanenten Sehnsucht nach ihrem Heimatort keine große Hilfe - genau das gleiche spielt sie ja auch in "Mein blühendes Geheimniss" .
Ooopsi, natürlich Schwiegermutter! Und du hast vollkommen Recht, die Rollen von Chus Lampreave in "womit hab´..." und "mein blühendes geheimnis" sind sehr, sehr ähnlich! Aber der gute Herr Almodóvar greift ja auch mitunter gerne mal auf eigene Ideen aus früheren Filmen zurück...
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jogiwan schrieb am 13.08.2005 (16:06:40):
Ooopsi, natürlich Schwiegermutter!
Ich habs gefixt.
Wie siehts mit dem Satz: "denn Miguel und seine Großmutter wollen nach dem Tod des Vaters..." aus? Stimmt das Großmutter, oder ist das auch die Schwiegermutter?
Und du hast vollkommen Recht, die Rollen von Chus Lampreave in "womit hab´..." und "mein blühendes geheimnis" sind sehr, sehr ähnlich! Aber der gute Herr Almodóvar greift ja auch mitunter gerne mal auf eigene Ideen aus früheren Filmen zurück...
Naja, lieber bei eigenen Filmen klauen, das steigert den Wiedererkennungswert .
Ich fand sie damals in "Mein blühendes Geheimnis" einfach Klasse, wie sie mit ihren beiden Töchtern gesprochen hat und auf der einen immer rumgehakt hatte - einfach köstlich. "Almodovar" hats einfach drauf .
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jogiwan schrieb am 13.08.05
chilidog schrieb am 13.08.2005 (17:20:19): Ich habs gefixt.
Wie siehts mit dem Satz: "denn Miguel und seine Großmutter wollen nach dem Tod des Vaters..." aus? Stimmt das Großmutter, oder ist das auch die Schwiegermutter?
Danke fürs fixen - das andere stimmt schon so!
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jogiwan schrieb am 13.08.2005 (17:45:34):
chilidog schrieb am 13.08.2005 (17:20:19): Ich habs gefixt.
Wie siehts mit dem Satz: "denn Miguel und seine Großmutter wollen nach dem Tod des Vaters..." aus? Stimmt das Großmutter, oder ist das auch die Schwiegermutter?Danke fürs fixen - das andere stimmt schon so!
Ok, wollte sicherheitshalber mal nachfragen. Ich weiß es ist nicht unbedingt leicht die Story von "Almodovars" Filmen in ein paar Sätze wiederzugeben .
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