project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Die 14jährige Hayley (Ellen Page) lernt in einem Chat den 32jährigen Fotografen Jeff (Patrick Wilson) kennen und nach einigen Wochen intensiver Kommunikation beschließen sich die beiden in einem Coffee-Shop zu treffen. Jeff ist von der überraschend reifen Hayley fasziniert und obwohl es eigentlich nicht vernünftig ist, nimmt der Fotograf das junge Mädchen zu sich nach Hause, wo diese nicht nur Alkohol konsumiert, sondern auch den Fotografen weiter bezirzt.
Als Hayley in dem schicken Designerhaus fotografiert werden möchte und Jeff zur Kamera greift, wird ihm jedoch plötzlich übel und nach einem Blackout wacht der Fotograf an einen Stuhl gefesselt wieder auf. Hayley konfrontiert den Mann mit dem Vorwurf, dass dieser sich an jungen Mädchen vergreift und auch mit dem Verschwinden eines Mädchens zu tun hat, was dieser jedoch strikt verneint.
Doch das Mädchen gibt nicht auf, beginnt in den seelischen Wunden des Mannes zu bohren und beginnt auch die Wohnung systematisch auseinanderzunehmen um nach belastendem Material zu suchen. Tatsächlich findet sie auch wenig später in einem Safe Bilder, die darauf hinweisen, dass Jeff fragwürdige Neigungen hat und obwohl dieser weiter seine Unschuld an dem Verschwinden des Mädchens beteuert, versucht Hayley mit fragwürdigen Mitteln ein Geständnis zu erpressen.
Jeff gelingt es sich kurzfristig sich seiner Fesseln zu befreien, doch anstatt die Polizei zu rufen, beschließt er Hayley auf eigene Faust zu überwältigen und wird von dem Mädchen neuerlich mit einem Taser außer Gefecht gesetzt. Hayley hat den Fotografen mittlerweile an einen Tisch gefesselt und plant auch noch andere Dinge an dem verzweifelten Mann vorzunehmen, der jedoch weiterhin seine Unschuld beteuert…
Unter dem Begriff „Hard Candy“ wird in einschlägigen Kreisen ein minderjähriges Mädchen bezeichnet, an dem erwachsene Männer entgegen gesetzlichen Vorgaben ein sexuelles Interesse haben. Auch der 2005 entstandenen Psychodrama „Hard Candy“ handelt von dem ungesunden Verlangen eines erfolgreichen Fotografen an einem minderjährigen Mädchen, dass sich jedoch nicht als leichte Beute, sondern eiskalter Racheengel entpuppt, der sukzessive die perfekte Oberfläche des Mannes zerstören möchte, um seine vermeintlich dunkle Seite zum Vorschein zu bringen.
Der kontroverse Streifen lebt dabei vor allem von der Tatsache, dass der Zuschauer oft nicht weiß, ob Jeff jetzt tatsächlich der gesuchte Pädophile ist, der mit dem Verschwinden des Mädchens etwas zu tun hat, oder einfach nur in die Fänge einer durchgeknallten Göre gelangt ist, die ihren Hass auf erwachsene Männlichkeit auf den hilflosen Mann proejiziert. Und obwohl sich die Handlung weitgehend nur in einem Gebäude und zwischen zwei Personen abspielt, ist der knapp 100minütige Film stets unberechenbar.
Das Thema Kindesmissbrauch und noch schlimmere Dinge birgt ja ohnehin schon genug Sprengkraft in sich, aber in Kombination mit jugendlicher Selbstjustiz war wohl von Vornhinein klar, dass der Indie-Streifen auch rasch das Interesse der breiten Masse erlangen wird und so mauserte sich der Thriller auch rasch zum Erfolg auf diversen Festivals, was neben der stylischen Regie auch größtenteils an den grandiosen Leistungen der beiden Hauptdarsteller Ellen Page und Patrick Wilson liegt.
Das Kammerspiel zweier ungleicher Personen ist auch ganz hübsch fotografiert und mindestens so schick in Szene gesetzt wie das Designerloft des Fotografen. Im Gegensatz zur Geschichte wirken die Bilder sommerlich bunt und Regisseur David Slade benötigt auch gar keine krassen Effekte oder Bilder, sondern nutzt das Potential der Geschichte um über das Kopfkino der Zuschauer seine verstörende Wirkung zu erzielen. Die deutsche Freigabe ist dann auch eher der Thematik geschuldet, als deren technischer Umsetzung, die eigentlich als harmlos zu bezeichnen ist. Gorehounds kommen ja keinesfalls auf ihre Kosten und auch wenn man „Hard Candy“ zweifelsfrei zu den Terrorfilmen zählen kann, so findet das Grauen doch eher im Kopf statt.
Dennoch ist in „Hard Candy“ nicht alles gelungen und vor allem das Ende wirkt dann bei aller Liebe zum Genre doch etwas arg konstruiert. Liest man die kritischeren Stimmen im Netz ist dann auch stets von unglaubwürdigen Verhalten eines Darstellers am Ende die Rede, welches aus zweifelsfrei nicht ganz nachvollziehbar ist. Hier habe ich auch das Gefühl, dass hier „auf Teufel komm raus“ noch ein schockierendes Downer-Ende gefunden werden musste, dass der restliche Film im Grunde gar nicht nötig hätte.
Darstellerisch gibt es hingegen nichts zu meckern und die beiden Hauptdarsteller, sowie ihr physische und psychisches Duell ist schon beeindruckend ausgefallen. Die knapp 1 Meter 55 große und kanadische Darstellerin Ellen Page („Inception“, „Juno“), die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten schon einige Jahre älter als ihre Rolle war, spielt auch bravourös und wirkt einerseits kindlich und dann wieder erwachsen genug um bei ihren gewalttätigen Taten glaubwürdig zu wirken. Patrick Wilson („Watchmen“) ist ebenfalls grandios und hat hier sicher auch keine einfache Rolle zu bewältigen.
Obwohl der Streifen schon mehrfach auf DVD veröffentlicht wurde, hat man im Mai 2012 nun auch die Blaustrahl-Scheibe nachgeworfen, die das Psychodrama nun auch in sehr guter Bildqualität präsentiert. Neben dem Hauptfilm und einem Audiokommentar mit Regisseur und Drehbuchautor, bzw. den beiden Hauptdarstellern gibt es auch noch massig Extramaterial wie ein längeres „Making-of“, Featurette, entfallene Szenen, sowie zahlreiche Trailer.
„Hard Candy“ ist ein böses kleines Filmchen, das sich seiner kontroversen Thematik durchaus bewusst ist und im Grunde auch ordentlich auf Krawall gebürstet ist. Ein filmisches Katz-und-Maus-Spiel, über das man mindestens so angeregt diskutieren kann, wie über das Thema selbst und bei dem die Meinungen auseinandergehen und bisweilen radikale Standpunkte einnehmen. Abgesehen davon ist „Hard Candy“ aber ein schick in Szene gesetztes Kammerspiel mit zwei grandiosen Darstellern, das als Wechselbad der Gefühle auch sicher nachhaltig im Gedächtnis des Zuschauers bleibt.
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8695
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