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Der „Driver“ (Ryan Gosling) ist ein wortkarger und introvertierter Mechaniker, der sich immer dann am Wohlsten fühlt, wenn er hinter dem Steuer eines Wagens agieren kann. Egal ob als Stuntman für Verfolgungsjagden oder als Lenker von Fluchtfahrzeugen, in denen er Gangster nach Einbrüchen oder Überfällen durch die Straßen von Los Angeles chauffiert und vor dem Zugriff der Polizei sichert. Doch sein tristes Leben in der Werkstatt seines väterliches Freundes Shannon (Bryan Cranston) ändert sich schlagartig, als er eines Tages vor seiner neuen Wohnung auf die alleinerziehende Irene (Carey Mulligan) und dessen Sohn Benicio trifft, die im gleichen Stockwerk wohnt. Aus der zufälligen Begegnung wird eine Freundschaft und später sogar mehr.
Selbst als Irenes Ehemann Standard (Oscar Isaac) aus dem Gefängnis entlassen wird und zu seiner Familie zurückkehrt, bleibt der „Driver“ dieser freundschaftlich erhalten. Als der „Driver“ eines Tages Zeuge wird, wie Standard vor den Augen seines Sohnes brutal in der Tiefgarage des Hauses verprügelt wird, erzählt dieser, dass er von einem Gangster namens Cook erpresst wird. Dieser möchte, dass Standard gemeinsam mit Blanche (Christina Hendricks) ein Pfandleihhaus am Rande der Stadt überfällt, in dem eine größere Menge Bargeld gelagert sein soll. Als der „Driver“ erfährt, dass auch das Leben von Irene und Benicio in Gefahr ist, willigt er ein, seine Fähigkeiten als Fahrer zur Verfügung zu stellen und gemeinsam mit den beiden anderen das Ding durchzuziehen.
Doch der Überfall läuft gründlich schief und Standard wird hinterrücks erschossen. Auch der „Driver“ und Blanche werden auf ihrer Flucht mit der Tasche voller Geld von einem weiteren Wagen verfolgt, der nur mit Mühe abgeschüttelt werden kann. Als es zu einem weiteren Mordanschlag auf das Leben des Drivers kommt, ahnt dieser bereits, dass mehr hinter der Sache steckt und versucht an die Hintermänner zu gelangen. Doch sein gewaltbereites Treiben bleibt nicht ohne Folgen und als weitere Killer auf seinen Kopf angesetzt werden, gerät nicht nur der „Driver“ sondern auch sein Umfeld zunehmend in tödliche Gefahr…
In den vergangenen Monaten waren Filmseiten im Internet vor allem mit Berichten, Lobeshymnen und Empfehlungen über einem bestimmten Film dominiert. „Drive“, die erste Hollywood-Produktion des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn („Wallhalla Rising“), der hier einen Film abliefert, der wohl die perfekte Symbiose aus europäischen Arthouse-Drama, Film-Noir-Thriller, B-Movie und amerikanischen Blockbuster-Actionkino darstellt und mit seinem unterkühlten 80er-Look und seiner 70er-Jahre-Coolness auch den kollektiven Nerv der Filmgemeinde getroffen hat. Während vergleichbare Hollywood-Filme mit ihren übertriebenen Action-Sequenzen immer mehr an die Grenzen der Lächerlichkeit und darüber hinaus drängen, präsentiert Refn europäisches Understatement, Ernsthaftigkeit und Tiefe und erst im letzten Drittel Gewaltspitzen, die ihre Wirkung dann auch nicht verfehlen.
„Drive“ startet dann auch gleich mit ordentlich Tempo zwischen den Backen und bietet in den ersten Minuten Action und Spannung vom Feinsten. Danach wird das Tempo jedoch für längere Zeit radikal gedrosselt und eine – zugegeben etwas handelsübliche - Geschichte über einen Außenseiter erzählt, der durch eine Nachbarin aus seiner tristen „Funktionalität“ gerissen wird, sich verliebt und bei seinem Versuch, der Familie aus einer misslichen Lage zu helfen in einen Strudel aus Gewalt und Korruption verstrickt. Dabei wiegt sich der Zuschauer durch schöne Bilder und dem langsamen Erzählfluss lange Zeit in Sicherheit und wird dann im letzten Drittel von einem kompromisslosen Gewaltausbruch überrascht, der sicherlich viele Zuschauer am falschen Fuß erwischen wird.
Die unterkühlte Optik in „Drive“ ist dann auch schlichtweg atemberaubend, durchkomponiert und erinnert auch dank seinem Soundtrack an die Achtziger-Jahre und Hochglanz-Serien wie „Miami Vice“ in denen vor allem die Worte „Coolness“ noch großgeschrieben wurden. Dennoch wirkt der Film keinesfalls altbacken, sondern ist wie die Interpreten des Soundtracks größtenteils absolut auf der Höhe der Zeit. „Drive“ bietet den längst verblassten „Car-Chase“-Geist vergangener Jahrzehnte und kombiniert diesen auf vollkommen natürlich Weise europäisches Erzählkino, Tarantino-eskes Zitatekino und amerikanischen Blockbuster-Movies und schafft das Glanzstück sowohl Kritiker, als auch die breite Masse zu begeistern.
In „Drive“ wird dann eigentlich auch alles richtig gemacht und dank der hübschen Verpackung und tollen Darsteller fällt es dann auch gar nicht so auf, dass die Geschichte eigentlich nicht sonderlich überraschend daherkommt und das Ende für seine Protagonisten ebenso absehbar ist. Wer sich für europäisches und asiatisches Programmkino interessiert, hat in letzter Zeit auch bereits einige Filme gesehen, die nach ruhiger und unaufgeregter Erzählweise in einem Blutbad enden und wie auch bei diesen Filmen drängt sich die Frage auf, ob der Streifen ohne den Einsatz beispielloser Gewalt nicht vielleicht noch einen Tick besser funktioniert hätte. Doch solche Vermutungen bleiben zuletzt doch immer Spekulationen und bei einem 100-minütigen Filmvergnügen wie „Drive“ ist es auch eher müßig und entbehrlich, nach kleineren Schönheitsfehlern Ausschau zu halten.
Was mich persönlich an „Drive“ natürlich sehr freut, ist die Tatsache, dass sich der europäische Regisseur Nicolas Winding Refn in seinem ersten Hollywood-Streifen nicht zu irgendwelchen Zugeständnisse an das Blockbuster-Kino hinreißen oder verbiegen ließ, sondern sein Ding auch grandios durchgezogen hat. Besser als im Falle von Nicolas Winding Refn kann man es dann eigentlich auch gar nicht machen und die imposante Liste der Preise und Nominierungen gibt dem Regisseur des Streifens ebenso recht wie der wirtschaftliche Erfolg des mit 15 Millionen Dollar eher bescheidenen budgetierten Werkes.
Mit dem vielbeschäftigen Ryan Gosling hat man aber auch einen charismatischen Darsteller gefunden, der die ambivalente Rolle des Fahrers in dem Streifen, in dem auch vieles unausgesprochen bleibt, stets glaubwürdig verkörpert. Hinter der Fassade des introvertierten und freundlich-lächelnden Mannes verbirgt sich dann auch eine eiskalte Maschine, die gegen Ende auch ohne Skrupel agiert, als es darum geht, seine Liebe vor Kriminellen zu schützen. Auch bei den Nebendarstellern gibt es zahlreiche bekannte Gesichter wie Bryan Cranston „Breaking Bad“, Carey Mulligan („Brothers“), die wie immer bezaubernde Christina Hendricks („Working Mum“) und der omnipräsente, wie gleichfalls geschätzte Ron Perlman, die allesamt ihr Schäuflein zum Gelingen des Filmes beitragen.
Die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Universum Film ist ebenfalls durch und durch gelungen und bietet die wunderbaren Bilder des Streifens auch in perfekter Bild- und Tonqualität, die sich vor allem bei den grandiosen Luftaufnahmen des nächtlichen Los Angeles positiv bemerkbar macht. Auch im Bonus-Bereich hat man sich nicht lumpen lassen und bietet neben zahlreichen Interviews und einem kurzen „Making-Of“ auch noch zahlreiche interessante Featurettes über die Entstehung des Films. Abgerundet wird das positive Gesamtbild dann noch mit einer Handvoll Trailer und dem obligatorischen Wendecover ohne FSK-Plakette.
Unterm Strich bleibt ein ungewöhnlicher Streifen der scheinbar mühelos alle Film-Konventionen umschifft und der breiten Masse genauso wie den Kritikern gefällt. Die Mischung aus Indie-Drama, Film Noir, Grindhouse- und Mainstream-Actionfilm ist auch sehr stimmig und bietet neben einem grandiosen Hauptdarsteller auch noch wunderbare Bilder, einen stimmigen Soundtrack und eine Geschichte, die an die zahlreichen, als Vorbilder dienenden Streifen aus den Siebzigern erinnert. Dennoch ist „Drive“ von der ersten Sekunden an originell, fesselnd und schafft es nach den ersten Minuten einen hypnotischen Sog zu entfalten, dem man sich als aufgeschlossener Filmfreund nicht entziehen kann und der auch gar keine CGI-Action und absurde Stunts benötigt um alle Craigs, Cruises und Stathams dieser Welt mühelos in die Tasche zu stecken.
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@ Jochen,
freut mich / uns, dass Dir der Film gefallen hat. Werde das Review auch heute gleich mit fertig machen.
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Kein Problem . Bei solchen Filmen lohnen sich auch zwei Reviews .
jogiwan schrieb:
der ist ja auch sehr gut Danke nochmals!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8738
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