project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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In einem New Yorker Park geraten sich vor den Augen ihrer Mitschüler der 11jährige Ethan Longstreet mit dem gleichaltrigen Zachary Cowan in die Haare, wobei letzterer den Streit mit einem Stock beendet. Eliot hat daraufhin den drohenden Verlust von zwei Zähnen und eine geschwollene Backe zu beklagen, was beide Elternpaare dazu veranlasst, sich eines Nachmittags im Apartment der Longstreets zu treffen um nüchtern, sachlich und vernünftig über die weitere Vorgehensweise in dem Fall zu besprechen. Die Schriftstellerin und Buchverkäuferin Penelope Longstreet (Jodie Foster), sowie ihr Mann Michael (John C. Reilly) verfassen gemeinsam mit dem Anwalt Alan Cowan (Christoph Waltz) und dessen vornehmen Gattin Nancy (Kate Winslet) den Unfallbericht um diesen an die Versicherung weiterzuleiten.
Da man sich die beiden gebildeten, höflichen und eloquenten Paare sympathisch sind, entscheiden Alan und Nancy auch spontan, etwas länger zu bleiben und die Einladung der Longstreets zu Kaffee und Kuchen anzunehmen. Gemeinsam wird über die Kinder, Erziehungsfragen, Architektur und Rezepte diskutiert, während Alan zahlreiche Anrufe bekommt in einer schwierigen Rechtsfall bekommt, die zwangsläufig auch die Aufmerksamkeit der Anwesenden erlangt.
Obwohl das Gesprächsklima anfänglich noch gut ist, beginnt die Stimmung langsam zu kippen, als Michael die Geschichte eines ausgesetzten Hamsters erzählt, welche Nancy erzürnt und auch das Telefonverhalten von Alan immer mehr zur Geduldsprobe für die Gastgeberin wird. Als sich die völlig verkrampfte Nancy ausgerechnet über die Kunstkataloge von Penelope erbricht, ist das erst der Auftakt zu zahlreichen verbalen Kontroversen, bei denen die Fassade der vermeintlichen Gutmenschen und zivilisierten Upper-Class-Bürger immer mehr zu bröckeln beginnt…
Die Figur des polnischen Filmemachers mag ja durchaus umstritten sein, aber eines muss man Roman Polanski zweifellos zugestehen: er macht grandiose Filme und auch die filmische Adaption des Theaterstücks „Der Gott des Gemetzels“ ist ein tolles Kammerspiel mit vier grandiosen Schauspielern und einer Geschichte, die trotz ihrer Vorhersehbarkeit stets interessant und hält dem Zuschauer bzw. der Gesellschaft schelmisch einen Spiegel vor das Gesicht bleibt dabei dennoch bis zur letzten Sekunde unterhaltsam.
Das französische Bühnenstück „Le dieu du carnage“ der französischen Schauspielerin und Autorin Yasmina Reza wurde ursprünglich im Jahre 2006 im Schauspielhaus Zürich uraufgeführt und mauserte sich in den letzten Jahren dank zahlreicher Übersetzungen auch zu einem der erfolgreichsten Stoffe für internationale Theaterbühnen und so war es wohl auch nur eine Frage der Zeit, bis das Kammerspiel für vier Personen das Licht der großen Leinwand erblickte.
Obwohl das Stück ursprünglich Paris als Schauplatz hat, verlagert Roman Polanski seine Geschichte nach New York, wo er zwei Pärchen der mittleren bis oberen Gesellschaftsschichten aufeinandertreffen lässt. Diese sind auf den ersten Blick auch recht sympathisch und aus einer normalen Diskussion entwickelt sich aus der Dynamik der Gruppe ein Streit, bei dem sich immer wieder die Machtverhältnisse ändern und die gutbürgerliche Fassade süffisant demontiert wird.
Der Großteil des in Echtzeit gestalteten Streifen spielt dann auch nur in einer Wohnung und lediglich zu Beginn und am Ende sieht man den Park, in dem sich der Streit unter den Jungs beginnt und auch endet, während sich die Eltern ein paar Blocks weiter in knapp 70 Minuten verbal an die Gurgel gehen. Und obwohl eigentlich alles an einem mehr als überschaubaren Handlungsort abspielt, ist die Geschichte der ebenfalls sehr überschaubaren Figuren so dynamisch erzählt, dass man darauf glatt vergisst.
Dass „Der Gott des Gemetzels“ aber so gut funktioniert liegt neben seiner humorvollen, wie tiefgründigen Geschichte aber vor allem am starken Ensemble und mit Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz und John C. Reilly hat man auch grandiose Darsteller verpflichtet, die hier auch so richtig aufdrehen und dem Zuschauer ein mitreißendes Kammerspiel bieten, dass sicherlich zu dem Besten gehört, dass man in letzter Zeit gesehen hat.
Jodie Foster als Geschichts-interessierte Buchverkäuferin, die ständig darauf beharrt, dass man Schuldige zur Rechenschaft zieht und den Weltschmerz auf ihren schmalen Schultern trägt, prallt hier auf die geballte Präpotenz eines von Christoph Waltz hervorragend gespielten Anwalts, der mit Begriffen wie Schuld nur begrenzt etwas anfangen kann. Aber auch die Figuren von Kate Winselt und John C. Reilly sind so interessant angelegt, dass man nur noch darauf wartet, wer als erstes die Nerven, die Fassung und die guten Manieren wegschmeißen wird.
Auch die DVD aus dem Hause Constantin Film ist sehr gelungen und bringt den 2011 in Paris gedrehten Streifen, der mit visuellen Effekten auf New York getrimmt wurde, in sehr guter Bild- und Tonqualität, wobei ich hier sogar die englische Tonspur empfehlen würde, in der „Carnage“ – so der Originaltitel – einfach noch einen Ticken besser kommt. Aber auch die Synchro ist natürlich sehr gelungen und enttäuscht wie auch der Rest der Scheibe nicht, der neben vier ausführlicheren Interviews mit den Schauspielern auch noch eine Trailershow an Bord hat.
Unterm Strich bleibt ein spaßiges, wie tiefgründiges Filmvergnügen, dass den Zuschauer einfach bestens unterhält, grandiose Schauspieler und eine zackige Inszenierung in Echtzeit bietet, die nach einem ruhigeren Auftakt auch so richtig herrlich abgeht. „Der Gott des Gemetzels“ ist ja auch schon vollkommen berechtigt abgefeiert worden und wer auf „intelligentes“ Arthouse-Kino ohne moralischen Zeigefinger steht, sollte man sich dieses 76minütige Lehrstück in Sachen Eskalation auf keinen Fall entgehen lassen. 8,5/10
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=8710
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