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Ex-Berufssoldat Jay (Neil Maskell) hat nach seiner Rückkehr aus dem Irak noch nicht in sein altes Leben zurückgefunden. Anstatt zu Arbeiten und Geld zu verdienen, vergeht er sich sehr zum Missfallen seiner Frau Shel (MyAnna Buring) in Selbstmitleid. Das dadurch fehlende Geld in der Haushaltskassa führt immer wieder zu heftigen Streitereien, die auch vor dem gemeinsamen Kind und Freunden ausgetragen werden. Als Jay eines Tages von seinem Kollegen Gal (Michael Smiley) ein lukratives Angebot erhält, willigt Jay daher ein. Für eine unbekannte Organisation sollen die Beiden drei Leute ermorden und dafür einen Batzen Geld erhalten, wenn sie keine Fragen stellen.

Der Auftrag wird angenommen und wie sich herausstellt, sollen die Beiden einen Pfarrer, einen Bibliothekar und einen Parlamentarier ermorden. Was jedoch als Routinejob geplant war, läuft bereits nach dem ersten Auftragsmord zunehmend aus dem Ruder und Jay verstrickt sich wie ein wildgewordenes Tier immer mehr aus einem Netz aus Hass, Aggression und Gewalt. Er beginnt Gründe für die angeordneten Morde zu suchen und findet diese auch wenig später.  Auch Gal kann seinen psychisch labilen Freund nur noch mühsam zurückhalten und als die beiden beschließen auszusteigen, ist es für Beide bereits zu spät…

Holla! Ganz schön starker Tobak, denn uns hier der englische Regisseur Ben Wheatley in seinem Streifen „Kill List“ zumutet. Ein pessimistischer Horror-Streifen, der nicht nur keine Rücksicht auf Genre-Grenzen nimmt, sondern den unvorbereiteten Zuschauer geradewegs in die Hölle schickt. Die Inhaltsangabe ist ja in diesem Fall bewusst sehr kurz gehalten und verrät auch nur einen kleinen Teil des unvorhersehbaren Werks, dass sicherlich zu den positiven Überraschungen des bisherigen Jahres gezählt werden kann.  „Kill List“ ist dann auch einer dieser Filme, über die man sich im Vorfeld eigentlich auch gar nicht informieren sollte, damit dieser dann auch seine ganze Wirkung entfalten kann.

„Kill List“ beginnt ja dann entgegen Horror-Traditionen auch eher wie ein Dogma-Drama im Stil eines Lars von Trier, dass das zerrüttete Eheleben eines Kriegsheimkehrers Jay beschreibt, der nach dem erlebten Gräuel nicht mehr richtig im normalen Leben Fuß fassen kann. Als Jay dann durch seinen Kumpeln einen Auftrag erhält, drei Menschen zu ermorden, ahnt er noch nicht, dass dieser Auftrag nicht den ersehnten Geldsegen für sich und seine Familie bringt, sondern diese geradewegs an den Abgrund und auch darüber hinaus führt. Denn was als Routinejob beginnt, führt nicht nur Jay an die Grenzen des Ertragbaren, sondern nimmt den Zuschauer geradewegs mit auf diesem wilden Ritt durch Genregrenzen und die tiefsten Abgründe der menschlichen Existenz.

Ich war jedenfalls nach dem Abspann ganz geplättet und fühlte mich einerseits an den Kultfilm „Wickerman“ , den spanischen Terrorstreifen „The Nameless“, wie auch an den vielfach gescholtenen „A Serbian Film“, die allesamt durchaus starke Parallelen zu dem 2011 entstandenen Werk aufweisen. Neben okkulten Ereignissen streift der Film nach seinem eher dramatischen Beginn dann auch noch Torture-Porn-Gefilde und bietet Szenen, die in ihrer Brutalität kaum erträglich sind und nach dem eher beschaulichen Start umso erschreckender auf den Betrachter wirken. Und wenn sich am Ende dann für den Protagonisten und auch dem Zuschauer alle Grausamkeiten erschließen, ist das ein weiterer Schlag in die Magengrube, der nicht so leicht verdaulich ist.

Die Stimmen im Internet zu „Kill List“ sind aber durchaus gespalten, was jedoch wenig verwunderlich ist. Während die einen den unvorhersehbaren Streifen als absoluten Schocker empfinden, kritisieren andere den ihrer Meinung nach zu ruhigen Start und die vermeintliche Unausgewogenheit des Drehbuchs, das ohne Rücksicht auf Genre-Grenzen auch so zahlreiche Schubladen streift.  Reine Horrorfans und Gorehounds werden mit dem Streifen auch sicher nicht ihre Freude haben und der Film richtet sich dann auch eher an Scheuklappen-lose Zuschauer, die auch nichts gegen Dramatik oder die ein oder andere härtere Szene einzuwenden haben.

Technisch gibt es hingegen nichts zu finden und der etwas trostlose und beinah dokumentarische Look ist auf der der Höhe der Zeit und mit der Industriestadt Sheffield hat man auch die ideale Location für diesen Film gefunden. Die Effekte sind zwar nicht übermäßig oft eingesetzt, spielen sich dann jedoch im oberen Härtegrad ab und es ist fast etwas verwunderlich, dass die FSK hier ihren Segen gegeben hat.  Auch darstellerisch ist der Streifen absolut gelungen und neben der bezaubernden MyAnna Buring („Doomsday“ und „Descent“) agiert vor allem Neil Maskell etwas neben der Spur und schafft es seinen ambivalenten Charakter zwischen jähzornig und fürsorglich auch beeindruckend und authentisch zu spielen. An seiner Seite agiert Michael Smiley als eigentlich guter Mensch, der fast noch als vernünftigster Charakter durchgehen würde und durch ein gemeinsames und nicht näher genanntes Grauen mit seinem Kumpel verbunden ist.

Die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Universum Film/Senator ist wie gewöhnlich sehr gut und die Bild- und Tonqualität lassen meines Erachtens keine Wünsche offen. Die Synchro ist sehr gelungen und wer möchte, kann sich Ben Wheatleys Streifen natürlich auch im Original samt Untertitel ansehen. Der Streifen selbst ist trotz seiner Brutalität ungekürzt und bietet neben zwei Audiokommentaren mit Regisseur und Cast auch noch ein „Making-Of“ und interessante Interviews mit Regisseur, Darsteller und Produzenten-Team. Abgerundet wird das positive Gesamtbild dann noch mit einem Wendecover und einer kleinen Trailershow.

Unterm Strich bleibt ein ungewöhnlicher Horrorfilm, wie er wohl auch nur aus Europa kommen kann. Eine ungewöhnliche Geschichte irgendwo im Spannungsfeld zwischen Sozialdrama und düsteren Horrorfilm, die wohl am besten funktioniert, wenn man sich ihm uninformiert und unvoreingenommen stellt. Mir hat die Mischung jedenfalls gerade wegen ihrer Unvorhersehbarkeit sehr gut gefallen und als nach knapp 90 Minuten der Abspann lief, hatte ich eines der intensivsten Filmerlebnisse der vergangenen Zeit hinter mir. Genrepuristen werden sich mit „Kill List“ wohl weniger anfreunden können, alle anderen kommen an dem Werk jedoch nicht vorbei. Prädikat: besonders intensiv!