project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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In den unendlichen Weiten des WWW eröffnet der junge und smart-wirkende William (Aaron Johnson) einen Chatroom namens „Chelsea Girls!“. Schnell haben sich auch eine Handvoll junger Leute aus dem Londoner Stadtteil zusammengefunden, die sich unter dem Namen des Chatrooms noch wenig vorstellen können. Doch man kommt ins Gespräch und vor allem Williams aufgeschlossene Art kommt bei den Mädchen Eva (Imogen Poots) und Emily (Hannah Murray), sowie bei den beiden Jungs Jim (Matthew Beard) und Mo (Daniel Kaluuya) ganz gut an. Man diskutiert angeregt über die Erwachsenen und die Ängste der Jugend und beschließt spontan, sich öfters in dem neu eröffneten Chatroom zu treffen.
Gesagt, getan sind die fünf Jugendlichen immer öfter im Chat anzutreffen und mit der Zeit werden die anfänglich sehr oberflächlichen Gespräche trotz der sehr unterschiedlichen Charaktere und Hintergründe immer persönlicher. Während sich Mo in die zu junge Schwester seines besten Freundes verliebt hat, wird Emily von ihren wohlhabenden Eltern zu wenig beachtet wird und leidet unter deren emotionaler Kälte. Eva hingegen ist mit ihrem Freundeskreis, der größtenteils aus gelangweilten Models besteht, nicht mehr zufrieden, würde am liebsten aus ihrem bisherigen Leben ausbrechen. Nur der sensible Jim blockt vorerst alle Fragen nach seinem Privatleben ab und weckt so das eigentliche Interesse von William.
Dieser stammt zwar aus wohlhabendem Haus, fühlt sich aber von seinen Eltern gegenüber seinem erfolgreichen Bruder stets zurückgesetzt. Doch sein Hass gegenüber seiner Familie und der Gesellschaft, sowie sein Interesse an den Schattenseiten sozialer Netzwerke ist so groß, dass er beginnt, die anderen bewusst zu manipulieren. Während er Emily rät, mit kleineren Streichen ihre Eltern zu verunsichern, sorgt er auch dafür, dass sich Mo mit seinem besten Freund verkracht und Eva sich zunehmend von ihren Freundeskreis abkapselt und in die Isolation driftet. Doch das ist erst der Anfang, denn William verfolgt ein größeres Ziel: den labilen Jim in den Selbstmord zu treiben und ihm beim Sterben zuzusehen…
Eine Studie der Universtät Münster mit der Techniker Krankenkasse brachte im Jahre 2011 die Tatsache ans Tageslicht, dass 36 % der Jugendlichen bereits im Internet in irgendeiner Form von Cyber-Mobbing betroffen waren. In Zeiten von Chatrooms, Facebook und my_space, in denen sich die Kommunikation zunehmend vom realen Gegenüber in die weitgehend anonymen Welten des World Wide Web verlagert, ist dieses natürlich auch mit den entsprechenden Gefahren verbunden. Im weitgehend anonymen Chat ist es auch natürlich ein leichtes, seinem Gesprächspartner etwas vorzuschwindeln bzw. persönliche Daten zu schönen oder gleich zu erfinden.
Mit kleineren und weitgehend harmlosen Lügen im Chat, die vor allem aus dem Motiv der Langeweile, Unbedachtheit oder Neugierde geschehen wird auch jeder hier schon einmal bewusst oder unbewusst konfrontiert gewesen sein. Schlimmer ist es jedoch, wenn die Unwissenheit und jugendliche Naivität des Gegenübers in strafrechtlicher Form ausgenutzt werden, Informationen und Bilder herausgelockt oder Personen bedroht oder zu bestimmten Handlungen genötigt werden. Und auch immer wieder hört man von Selbstmorden, oder Fällen, in denen junge Menschen bedroht oder eingeschüchtert werden. Und Hilfe von Erziehungsberechtigten oder Lehrern ist auch oft nicht zu erwarten, da diese mangels technischem Verständnis auch gar nicht wissen, was der Nachwuchs so alles im Internet so treibt, geschweige denn, wie man ihn diesbezüglich beschützen kann.
Und genau um diese aktuelle Thematik des Cyber-Bullying geht es in dem englischen Thriller-Drama „Chatroom“ des japanischen Regisseurs Hideo Nakata, der sich knapp 12 Jahre nach seinem bahnbrechenden J-Horror-Streifen „Ring“ nun neuerlich mit den Schattenseiten moderner Kommunikationsmöglichkeiten und Technologien beschäftigt. In der Spielfilm-Adaption des gleichnamigen Bühnenstückes des Autors Enda Walsh geraten vier Jugendliche in einem Chatroom an eine etwa gleichaltrige Person, die wenig Gutes im Schilde führt und schlussendlich versucht, den labilsten Charakter der Runde in den Selbstmord zu treiben. Was als harmloser Chat-Spaß beginnt, wird mit zunehmender Laufzeit bedrohlicher und führt zu einem tragischen Ereignis.
Die Grundidee zu „Chatroom“ ist dann eigentlich auch sehr spannend und auch die bildliche Darstellung der virtuellen Welt ist meines Erachtens sehr gelungen. Nakata verzichtet zum Glück auf die Darstellung von endlosen Chat-Protokollen und Computer-Getippse, sondern verlegt die Handlung in der virtuellen Welt in eine Art heruntergekommenes Hotel mit unendlichen und farbenfrohen Räumen, auf deren Gängen sich eine Vielzahl von skurrilen Personen tummeln, die auf der Suche nach Gleichgesinnten sind. Im Gegensatz dazu, sind die Szenen in der realen Welt eher farb- und trostlos gehalten und bebildern die eher langweiligen und höhepunktslosen Existenzen der Jugendlichen auf besondere Weise.
Auch wenn „Chatroom“ sicherlich ein interessanter Streifen ist, so begeht das Drehbuch jedoch den Fehler, dass die Charaktere der fünf Personen nicht nur etwas Klischee-lastig, sondern auch über weite Strecken doch auch sehr oberflächlich abgehandelt werden. Die altbekannte Geschichte über Macht und deren Missbrauch wird zwar in die virtuelle Welt verlegt, ist aber trotz aktuellem Ansatz im Grunde doch bis zum Finale immer etwas vorhersehbar und bietet auch ein zu erwartendes Ende. Angesichts der spannenden Ausgangsidee hätte ich mir persönlich ja doch etwas mehr erwartet als einen handelsüblichen Thriller im Teenager-Milieu.
Technisch gibt es hingegen nichts zu bemängeln und auch wenn Regisseur Hideo Nakata kein zweiter „The Ring“ gelungen ist, so ist „Chatroom“ auf der technischen Seite zweifelsfrei sehr gelungen. Das Tempo und die Ausstattung stimmen und auch der Soundtrack ist mit englischen Acts wie „Simian Mobile Disco“, „Miike Snow“ „The xx“ und „Plastikman“ sicherlich auf der Höhe der Zeit. Die Story bietet auch Platz für leise Kritik und Seitenhiebe auf die Gesellschaft und ihr Internet-Verhalten, obwohl der moralische Zeigefinger in der Tasche bleibt. Die jugendlichen Darsteller agieren ebenfalls sehr glaubwürdig und vor allem Aaron Johnson und Imogen Poots machen ihre Sache sehr gut.
Auch die Blu-Ray-Disc aus dem Hause Universum Film bietet eigentlich keinerlei Anlass zur Kritik. Die Bild- und Tonqualität sind jedenfalls sehr gut und auch der Bonusbereich bietet jede Menge kurzer, jedoch informativer Interviews mit japanischem Regisseur, französischen Kameramann und dem englischen Drehbuchautor. Weiters kommen noch Produzentin und die jugendlichen Darsteller ausgiebiger zu Wort. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit dem Trailer, B-Roll und einem Wendecover ohne FSK-Logo.
Unterm Strich bleibt ein solider Thriller im Teenie-Milieu, der sich nach ruhigem Beginn zunehmend dramatisch entwickelt und stets eine bedrohliche Stimmung ausstrahlt. Die interessante Grundidee wird jedoch meines Erachtens nicht vollends genutzt und irgendwie hätte ich mir von dem Streifen durchaus kritischere Töne im Umgang mit dieser Form der Kommunikation gewünscht. So bleibt die ganze Sache in handelsüblichen Bahnen und in gewisser Weise auch vorhersehbar. „Chatroom“ ist somit solide und zeitgemäße Unterhaltung für zwischendurch, das technisch und schauspielerisch sehr gut ausgefallen ist, aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass man aus der ganze Sache doch etwas mehr herausholen hätte können: 7/10 Punkten!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7819
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