project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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José Maria (Gustavo Sánchez Parra) ist aus einem ärmlichen Gebiet in Kolumbien nach Spanien gekommen, um in dem europäischen Land sein Glück zu versuchen. Er lebt mit fünf anderen Immigranten in einem kleinen Zimmer, findet einen Job als Bauarbeiter und lernt auch die hübsche und ebenfalls immigrierte Rosa (Martina Garcia) kennen, die als Hausmädchen bei einer alteingesessenen Arztfamilie Torres als Hausmädchen arbeitet. Die beiden verlieben sich und die Zeit, die sie miteinander verbringen lenkt die beiden von ihrem eintönigen und harten Berufsalltag ab, der aufgrund ihrer Herkunft immer wieder von Vorurteilen und Anfeindungen geprägt ist.
Doch das frische Glück wird zunehmend auch von der Wut des jungen Mannes bedroht, der auf alles eifersüchtig reagiert, das seiner neuen Freundin zu nahe kommt. Als er im Zorn zwei junge Männer verprügelt, die seiner hübschen Freundin nachstellen, wird José Maria von seinem Vorarbeiter gefeuert. Dieser hat ihn bereits mehrfach zuvor mit abfälligen Kommentaren bedacht. Als José Maria am nächsten Tag um seine Wiedereinstellung bitten möchte, verhöhnt in der Vorarbeiter und es kommt zu einem kurzen Handgemenge, bei dem der Vorarbeiter zu Tode kommt.
Der Mord bleibt natürlich nicht ohne Folge und schon bald ist die Polizei hinter dem Kolumbianer her. Dieser flüchtet in seiner Verzweiflung in das Haus von Rosas Arbeitsgebern in einen unbewohnten Teil des geräumigen Anwesens. Weder Rosa noch das ältere Ehepaar ahnt von dem stillen Gast, der unbemerkt im Dach mit Ratten und Tauben ein Zimmer teilt und still und in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten heimlich Zeuge von den Vorgängen in Haus der Familie Torres wird. Er beobachtet die alkoholkranke Signora Torres (Concha Velasco) und ihren gefühlskalten Mann (Xabier Elorriaga), sowie den Sohn des Hause Alvaro (Àlex Brendemühl), der Rosa hinter herstellt.
Als José Maria durch Zufall erfährt, dass seine Freundin von ihm schwanger ist und dieser von einer Freundin geraten wird, das Kind in einer Klinik abzutreiben, wagt es der versteckte Mann erstmals mit seiner Freundin über das Telefon Kontakt aufzunehmen und von ihrem Schritt abzubringen. Rosa ist zwar geschockt, freut sich aber das José Maria noch an eine gemeinsame Zunkunft denkt und ahnt dabei nicht, dass dieser näher ist, als sie sich jemals vorstellen kann. Als Alvaro jedoch Rosa vergewaltigt und auch die herrschsüchtige Tochter Marimar mit ihren Kindern in das Haus zieht, wird die Situation für den stillen Gast zunehmend unerträglicher und treibt den Mann schlussendlich zu einer weiteren Verzweiflungstat…
Laut Wikipedia war Spanien lange Zeit ein Land mit geringen Einwanderungszahlen, das sich in den letzten Jahren jedoch stark geändert hat. Mittlerweile beträgt der Zuwanderungsanteil knapp zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung, wobei 3,3 Millionen der Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten kommen. Ein großer Anteil dieser Immigranten kommt neben Nordafrika vor allem aus den südamerikanischen Ländern Ecuador, Kolumbien und Bolivien, in denen Spanisch gesprochen wird. Doch die Lage für diese Immigranten ist wie in anderen Ländern oft trist und von Anfeindungen und Ausgrenzung gezeichnet und auch auf dem Arbeitsmarkt werden diese Arbeitskräfte oftmals ausgenutzt.
Der Streifen „Rabia“ (zu dt. „Wut“) des ecuadorianischen Regisseurs Sebastián Cordero beschreibt in schönen Bildern die triste Lage eines kolumbianischen Paares, dessen Liebesglück jäh zerstört wird, als der Mann von seiner Wut auf die Gesellschaft getrieben, einen Vorarbeiter tötet und sich bei seiner Flucht vor der Polizei von allen unbemerkt in dem geräumigen Haus der Arbeitgeber seiner Freundin versteckt. Dort wird er über Wochen nicht nur Zeuge von allen Begebenheiten der Familie, sondern auch, wie seine schwangere Freundin vom Sohn des Hauses bedrängt wird. Das geräumige Haus wird für den Mann zunehmend zum Gefängnis und der Wille sich für seine Freundin und Mutter seines Kindes aufzuopfern, führt zu einem tragischen Ende.
Leider setzt sich die Verfilmung des Romans „Stille Wut“ des argentischen Schriftstellers und Drehbuchautors Sergio Bizzio aber so ziemlich zwischen die Stühle und kann sich im Verlauf der Handlung nicht so recht zwischen Thriller und Romanze entscheiden. Der Versuch dem Publikum das Leben und Leiden von Immigranten im Alltag näher zu bringen, gelingt nur bedingt und die Geschichte wird mit zunehmenden Verlauf unglaubwürdig, was angesichts der technischen und schauspielerischen Aspekte etwas schade ist.
Wenn man – so wie ich – im Vorfeld nichts über den Film weiß und nur die Scheibe in die Hand bekommt, erwartet man sich nach den ersten Minuten dann auch eher einen Psychothriller, der davon lebt, dass José Maria seine aufgestaute Wut und Aggression nicht unter Kontrolle hat. Daher hatte ich Probleme, nach der Wende in der Handlung in dem Arbeiter auf einmal den fürsorglichen Mann zu sehen, der sich rührend aus der Distanz um seine schwangere Freundin kümmert und dabei sogar sein eigenen Leben aufs Spiel setzt.
Die Figur des José Maria ist meines Erachtens von Beginn an viel zu düster angelegt, als dass man später für ihn und sein Handeln in irgendeiner Form Sympathien aufbringen könnte. Und es bleibt fraglich, ob ein Leben an seiner Seite für die hübsche Frau auf Dauer wirklich mehr Glück gebracht hätte. Die Frage warum Rosa daher an der Beziehung zu einem erwiesenen Mörder festhält drängt sich ebenso auf, wie die, ob man tatsächlich monatelang in einem alten und auch etwas renovierungsbedürftigen Haus leben und sich den Bewohnern derart nähern kann, ohne in irgendeiner Form bemerkt zu werden.
Irgendwie war mir „Rabia“ auf weite Strecken daher etwas zu arg konstruiert und vor allem gegen Ende unglaubwürdig. Das ist eigentlich sehr schade, da der Streifen ansonsten optisch, inszenatorisch und schauspielerisch sehr gut daher kommt und auch die Ausgangsidee durchaus Potential gehabt hätte. Die grünstichige Optik hat mir gut gefallen und die schwelgerischen Kamerafahrten durch die weiten Flure des Hauses sind sehr gelungen. Doch irgendwie funzt die Mischung aus Thriller, Außenseiterdrama und Romanze nicht so wirklich und lässt den Zuschauer in mehrfacher Weise unbefriedigt zurück.
Schauspielerisch gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln und vor allem Gustavo Sánchez Parra ist als José Maria schon sehr beeindruckend. Für seine Rolle als tickende Zeitbombe hat er auf Bösewichte abonnierte Darsteller sogar 12 Kilo abgenommen und wirkt auch sehr glaubwürdig. Martina Garcia als Rosa und Iciar Bollain als Marimiar und Alex Brendemühl sind ebenfalls gut besetzt und bieten keinen Anlass zur Kritik. Am besten fand ich auch Concha Velasco als alkoholkranke, aber herzensgute Mutter, die der Zuschauer auch durch ihre gelungene Darstellung der herrischen Mutter in der weniger gelungenen Schwulen-Satire „Boystown“ bekannt sein dürfte.
Die DVD aus dem Hause Universum Film bringt diese kolumbianisch-mexikanisch-spanische Co-Produktion ungekürzt in sehr guter Bild- und Tonqualität. Die Synchro ist sehr gut gelungen, auch wenn der Text eines im Film mehrfach vorkommenden Liedes leider nicht übersetzt wurde. Im Bonusbereich gibt es ein informatives Making-Of, in dem auch die sympathischen Macher hinter der Kamera, sowie die Darsteller ausführlich zu Wort kommen und Parra über die Probleme seiner drastischen Hungerkur berichtet. Abgerundet wird die Scheibe dann noch mit einer Handvoll Trailer aus der Gruselschiene.
Unterm Strich bleibt ein technisch-toll gemachter Streifen, der leider an seiner etwas seltsamen Geschichte bzw. an der Tatsache scheitert, dass der Hauptdarsteller einfach viel zu düster und unsympathisch erscheint. Normalerweise sind spanische Filme aus der Arthouse-Drama-Ecke ja genau mein Dingens, aber im Falle von „Rabia“ hat das nur begrenzt zugetroffen. Das Mitgefühl mit dem Immigranten José Maria und dessen großer Liebe wollte sich nicht so wirklich einstellen und somit hat der Streifen bei mir auch nicht richtig funktioniert. Für einen realistischen Thriller zu gefühlsduselig, für ein Drama zu wenig Identifkations-Potential bleibt „Rabio“ dann trotz guter Inszenierung und schauspielerischen Leistungen doch hinter seinen Möglichkeiten zurück. 6/10
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7813
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