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Peter Winter (Peter Green) ist schizophren, aus einer Heilanstalt entlassen und macht sich nun mit seinem Wagen auf die Suche nach seiner Tochter Nicole (Jennifer MacDonald), die bei einer Adoptiv-Mutter Melinda (Molly Casteloe) lebt. Die Scheiben seines Wagens hat er eingeschlagen, und die Fenster und Spiegel verklebt um sich nicht selbst sehen zu müssen. Er fährt planlos umher, landet schlussendlich bei seiner Mutter (Megan Owen), die ebenfalls nur hilflos mit ansehen kann, wie Peter immer weiter isoliert in seine Wahnvorstellungen entgleitet. Zur gleichen Zeit ist ein Detective Jack McNally (Robert Albert) einem Kindsmörder auf der Spur und Peter mit seiner krankhaften Wahrnehmung passt für den ermittelnden Beamten genau in das Bild des psychopathischen Täters…

Obwohl unsere Gesellschaft weitgehend aufgeklärt ist, gibt es immer noch gewisse Tabuthemen, die in der Wahrnehmung der Bevölkerung nahezu nicht aufscheinen und meist auch etwas realitätsfremd wahrgenommen werden. Schizophrenie ist eines dieser Dinge, die weitaus verbreiteter ist, als man eigentlich annehmen könnte, aber über die meist trotzdem kaum jemand Bescheid weiß. Schizophrenie wird im kollektiven Bewusstsein daher – wenn überhaupt - auch meist als Bedrohung wahrgenommen und ein Mensch, der nicht Herr seiner Sinne ist, kann auch nur eine Gefahr für die restliche Bevölkerung darstellen.   

Auch im Film wird das Thema Schizophrenie nicht wirklich oft behandelt. Bei etlichen Giallos aus dem Siebzigern wie z.B. Fulcis „Lizard in a women’s skin“ hat man mit dieser medizinischen Erklärung im letzten Moment ein Motiv des Täters aus dem Ärmel geschüttelt, doch ernst zu nehmen sind diese Beiträge wohl nicht. Realistischere Werke sind da schon eher der Oscar-Preisträger „A Beautiful mind“, das deutsche Drama „ Das weiße Rauschen“ mit Daniel Brühl in der Hauptrolle oder auch  Roman Polanskis „Ekel“.  Diese Filme nähern sich dem komplexen Thema schon auf authentischere Weise, doch wohl keiner der genannten Filme ist so derart intensiv, verstörend und dabei glaubhaft wie „Clean, shaven“ ausgefallen, der das Thema wirklich auf sehr eindringliche Weise näher bringt.

Das Wort Schizophrenie leitet sich ja aus den beiden altgriechischen Wörtern „s'chizein“ und „phrēn“ und bedeutet im Deutschen in etwa „abgespaltene Seele“. Die psychische Erkrankung hat unterschiedliche Verläufe und man unterscheidet dabei zwischen unterschiedlichen Symptomen, die bei dem Patienten auftauchen. Dabei kann es von motorischen Störungen und Unruhe über Wahrnehmungsstörungen visueller und akustischer Natur bis hin zu schweren Depressionen kommen. Auch wenn Schizophrenie nicht heilbar ist und die Symptome so vielfältig wie die Entstehungsursachen sind, so ist diese Erkrankung durch Medikamente kontrollierbar und viele Betroffene können dadurch ein normales Leben führen.

Regisseur Lodge H. Kerrigan hat sich in seinem Spielfilm-Debüt die ehrgeizige und auch ungewöhnliche Aufgabe gestellt, dem Zuschauer das komplexe  Seelenleben eines an Schizophrenie erkrankten Mannes zu offenbaren. Und das gelingt ihm auch mit einer derartigen Art und Weise, dass dem aufgeschlossene Filmkonsument während der Sichtung wenig geschenkt wird. Der für knapp 60.000 Dollar realisierte „Clean, shaven“ ist mit seiner ungewöhnlichen Soundkulisse und fragmentarischer Erzählweise auch kein herkömmlicher Spielfilm mit Geschichte, sondern ein höllischer Trip in die Gedankenweilt eines schizophrenen Mannes, der für den aufgeschlossenen Zuschauer eine einzigartige, wenn auch durchaus drastische und schmerzvolle Erfahrung bereit hält.

Eine Erklärung, was in dem Streifen tatsächlich real geschieht, oder der Gedankenwelt eines schizophrenen Mannes entsprungen ist, wird dem Zuschauer nahezu verwehrt. Woher Daniel kommt und warum er so verzweifelt seine Tochter sucht, wird ebenso wenig offenbart, wie die Tatsache, ob Daniel ein Auto stiehlt, oder es sich um sein eigenes handelt. Auch ob es am Ende tatsächlich zu einem Mord kommt, oder dieses dem ständigen Verfolgungswahn des Hauptdarstellers zuzuschreiben ist, der wie ein Gejagter durch den Streifen hetzt, bleibt ebenfalls der Fantasie des Zuschauers überlassen.  Alle Varianten sind bei diesem ungewöhnlichen Film möglich und machen „Clean, shaven“ zu einem der interessantesten DVD-Veröffentlichungen der letzten Zeit.

Ungewöhnlich an dem 1993 gedrehten Streifen ist neben der absolut grandiosen Leistung von Peter Greene als schizophrener Peter vor allem die Art und Weise der Inszenierung, die mit einer ungewöhnlichen Soundkulisse aus Tönen, Textfragmenten und sperrigen Geräuschen beim Zuschauer ebenfalls mit zunehmender Laufzeit eine Verwirrung auslösen, die dem Geisteszustand des Protagonisten ähnelt. Manche Szenen lösten bei mir nicht nur Schaudern, sondern fast schon körperlichen Schmerz aus. Wenn der Hauptdarsteller sich mit Stahlwolle den Körper schruppt, seiner Kopfhaut mit einer Schere näher kommt und seine Fingernägel mit einem Taschenmesser auf drastische Art säubert, dann sind das Szenen, die sicherlich schwerst-verdaulich sind.

Dass ein derartiger Streifen, der noch dazu aus der Low-Budget-Ecke kommt, nicht sonderlich Massen-kompatibel ist, liegt dann wohl auf der Hand. Umso erfreulicher ist es auch, dass sich die Leutchen des  Labels „Bildstörung“ dem Streifen von Lodge Kerrigan angenommen haben und dafür eine schicke VÖ gezimmert haben, die dem Film nun hoffentlich auch hierzulande die Bekanntheit verschafft, die er verdient hat. Die Bild- und Tonqualität ist für einen derartigen Streifen sehr gut und da sich eine Synchro leider nicht rentieren würde, hat man den ohnehin nicht sehr Dialog-lastigen Streifen in englischer Originalfassung mit deutschen Untertiteln auf den Silberling gepackt. Neben dem Kinotrailer und ausführlichen Booklet gibt es auch noch einen sehr informativen Audiokommentar mit dem Regisseur und Steven Sonderberg, wobei Kerrigan auch über die Beweggründe,  Inspiration und zweijähriuge Entstehungszeit erzählt, die schlussendlich zu „Clean, shaven“ geführt haben.

Unterm Strich bleibt ein drastisches und beeindruckendes Regie-Debüt mit einem unbequemen Thema, das vollkommen zu recht in Cannes und auch beim „Sundance“-Festival für Aufsehen gesorgt hat. Authentischer und drastischer ist das Thema Schizophrenie aus der Sicht eines Betroffenen wohl noch nie gezeigt worden. „Clean, shaven“ ist wahrlich kein angenehmer Film und die knapp 75 Minuten sind für den Zuseher alles andere als einfach durch zu stehen. Dennoch ist Kerrigans Werk für den anspruchsvollen Fan unverzichtbar und für Freunde von undergroundigem Kunstkino unverzichtbar. Ein Trip in die Gedankenwelt eines kranken Gehirns, das man wohl nicht mehr so einfach vergisst und die Aufmerksamkeit auf eine tabuisierte Krankheit lenkt, die die Menschheit so gerne aus ihrem Bewusstsein und Wahrnehmung verdrängt. Eine Bewertung entfällt daher an dieser Stelle -  dafür gibt’s eine ausdrückliche Empfehlung!