project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der erfolgreiche Geschäftsmann Leo (Gael Garcia Bernal) hat mit einer Internetseite Millionen gescheffelt und lebt gemeinsam mit Ehefrau Ellen (Michelle Williams), Tochter Jackie (Sophie Nyweide) und dem philippinischen Kindermädchen Gloria (Marife Necsito) in einer schicken Wohnung in dem New Yorker Trendviertel Soho. Obwohl die Familie auf den ersten Blick wirklich alles besitzt um ein glückliches Leben ist die Familie dennoch seltsam auseinandergerissen. Aufgrund von Leos Karriere und Ellens Arbeit als Notfallmedizinerin und den damit verbundenen unregelmäßigen Abständen haben beide wenig Zeit füreinander und auch Tochter Jackie fühlt sich zu dem Kindermädchen Gloria eher verbunden, als zu ihrer eigenen Mutter.
Doch auch Gloria ist fern der Heimat unglücklich, da sie ihre beiden Kinder in ihrer Heimat zurücklassen musste um in New York Geld für die gesamte Familie zu verdienen. Während ihr älterer Sohn Salvador das noch eher akzeptieren kann, ist für dessen kleineren Bruder Manuel die Abwesenheit seiner Mutter unerträglich. Ständig löchert er seinen Bruder mit Fragen über seine Mutter und obwohl sich die Großmutter der Beiden rührend um sie kümmert, so kann er nicht verstehen, dass seine Mutter fern der Heimat ihr Geld verdient und die beiden Kinder zurückgelassen hat. Als Salvador seine Mutter bietet, endlich wieder nach Hause zu kommen und diese in Tränen ausbricht, versucht der Junge vergeblich selbst Geld zu verdienen um so die Rückkehr der geliebten Mutter zu beschleunigen.
Eines Tages bricht Leo mit seinem Geschäftspartner Bob (Thomas McCarthy) zu einer Geschäftsreise nach Thailand auf um neue Verträge unter Dach und Fach zu bringen. Doch Leo ist zwar ein kreativer Programmierer, hat aber kein Talent bei Verhandlungen und verbringt daher die meiste Zeit alleine im Hotel, während Bob mit Investoren verhandelt. Als Leo seine Familie immer mehr vermisst und ihm im luxuriösen Hotel die Decke auf den Kopf zu fallen droht, begibt er sich auf Anraten seiner Frau spontan auf einen Trip an den Strand und mietet sich dort einen Bungalow am Wasser. Dort trifft er auf Aussteiger, Armut und die Prostituierte Cookie (Run Srinikornchot), die ihren Körper für Geld verkauft. Leo gibt ihr Geld und versucht auf seine naive Weise, das Mädchen zu retten.
Auch Ellen hadert in der Zwischenzeit mit ihrer Karriere als Ärztin, die sie dazu zwingt, auf gemeinsame Zeit mit ihrer Familie und insbesondere ihrer Tochter Jackie zu verzichten. Als sie auch noch erkennen muss, dass sich Jackie eher für das Leben des Kindermädchen Gloria, als für sie interessiert, versucht sie dieses mit teuren Geschenken für ihre Tochter zu ändern. Doch der Versuch misslingt und Ellen reagiert Gloria gegenüber aggressiv. Als wenig später auf den Philippinen jedoch ein tragisches Verbrechen geschieht, ändert dieses das Leben der jungen Familie schlagartig.
Ein Satz mit X – das war wohl nix! Lukas Moodyssons weltumspannendes Drama über den „Wert“ der Familie in Zeiten zunehmender Globalisierung ist ja leider alles andere als befriedigend ausgefallen. Die eigentlich guten und zahlreichen Ausgangsideen des Streifen bleiben in den knapp zwei Stunden so derart ungenutzt, dass es wenig verwunderlich ist, dass der 2009 entstandene Streifen bei der Presseaufführung der Berlinale lauthals ausgebuht wurde und im Bewerb schlussendlich leer ausging. Aber auch wenn diese Reaktion natürlich ungerechtfertigt ist, muss ich ehrlich gestehen, dass der Streifen leider wirklich nicht sonderlich gelungen wirkt.
Leo und Ellen sind ein erfolgreiches Karriere-Ehepaar mit verhätschelten Quoten-Kind, philippinischen Kindermädchen und schicker Wohnung im stylishen Trendbezirk, dass auf den ersten Blick wirklich alles hat, was man nach allgemeiner Ansicht unserer oberflächlichen Gesellschaft braucht. Doch der Familie ist dabei vor allem eines abhanden gekommen: der familiäre Zusammenhalt und während Ellen im Krankenhaus fremde Leben rettet, bleibt ihr eigenes auf der Strecke und auch Leo hat seinen kreativen Geist samt wilder Vergangenheit längst einem Leben geopfert, dass wirtschaftliche Unabhängigkeit und ein Leben in Saus und Braus garantiert.
Als Leo eines Tages auf eine Business-Trip geht und offensichtlich viel Zeit hat, sein bisheriges Leben zu überdenken, bricht er für kurze Zeit aus seinem durchgeplanten Leben aus und trifft im fernen Thailand auf Armut und Prostitution, die er nach seinem westlichen Weltbild („Geld ist die Lösung aller Probleme“) nicht verstehen kann. Auch das Kindermädchen des erfolgreichen Paares wird für das Zurücklassen ihrer Söhne bitter bestraft, als einer der Beiden bei dem Versuch Geld zu verdienen in die Fänge eines Kinderschänders gerät und fern des mütterlichen Schutzes schwer verletzt wird. Frei nach dem Motto: wer seine Kinder aufgrund wirtschaftlicher Gedanken zurücklässt, wird schlussendlich auch dafür bestraft werden.
Hat man zu Beginn des Streifens noch das Gefühl, es würde sich bei Leo, Ellen und Jackie um eine halbwegs glückliche Familie handeln, wird man als Zuseher auf aufgrund der Ereignisse im Umfeld bald eines besseren belehrt. Die familiäre Harmonie der Karriere-Familie ist lediglich Gutmensch-Fassade, was sich vor allem beim etwas verkitschten und seltsam unglaubwürdig wirkenden "Wir-zelebrieren-eine-heile-Familienwelt"-Finale in dem Leo und Ellen richtiggehend emotionslos über ihre Zukunft und das Schicksal des Kindermädchens sprechen, bemerkbar macht. Der Kurzzeit-Ausflug in eine Welt der Armut bzw. Konfrontation mit Leid und Tod hat scheinbar längerfristig kein Umdenken veranlasst.
Regisseur Lukas Moodysson hat aber offensichtlich ein Faible für Protagonisten mit emotionaler Leere, wie er auch schon in dem kontroversen Außenseiter-Drama „A hole in my heart“ eindringlich unter Beweis stellte. Dabei wären die Grundideen der Charaktere zu „Mammut“ ja gar nicht so schlecht, auch wenn die Geschichte und Inszenierung für meinen Geschmack etwas zu sehr an Alejandro González Inárritus erinnert. Während man dort jedoch mit den Darstellern mitfiebert, erlebt der Zuschauer im „Mammut“ die Geschehnisse dann doch auf eine seltsam-distanzierte Weise. Weder Leo noch Ellen wirken auf Dauer sympathisch, sondern eher hilflos ihren emotionalen Ausnahmesituationen ausgeliefert.
Die Inszenierung wäre dabei durchaus okay, der Soundtrack mit Ladytron, Radiohead und Cat Powers stimmig und auch bei den Darstellern hat man mit Gael Garcia Bernal und Michelle Williams ein eigentlich gutes Händchen bewiesen. Doch aus irgendeinen Grund wollen alle – an sich guten - Teile in Summe kein stimmiges Ganzes ergeben und jegliches Sozialkritik verpufft in seltsamen Szenen, die im Kontext der Geschichte dann seltsam erzwungen wirken. Außerdem ist der Streifen mit seinen zwei Stunden Laufzeit auch zu lange ausgefallen, sodass sich rasch Langweile breit macht.
Die DVD aus dem Hause „MFA“ bringt den zwiespältigen Streifen dann in guter Bild- und Tonqualität, wobei für die durchgehend-deutsche Synchronisation wieder einmal die Mehrsprachigkeit des Original (Englisch/Tagalog/Thai) geopfert wurde. Zum Glück hat es aber auch die Originalfassung samt Untertitel auf die Scheibe geschafft. Im Bonusbereich gibt es zwei kurze Interviews mit Regisseur Moodysson über die Entstehung des Filmes und dessen Inspiration, sowie mit Hauptdarsteller Gael Garcia Bernal. Mit dem Trailer zum Film, drei weiteren und einem Wendecover wird das Ganze abgerundet.
Unterm Strich bleibt ein – zumindest für mich – ein etwas seltsamer Film, der mehr von seinem Potential verschenkt als er eigentlich verwendet. Eine verkitscht wirkende Globalisierungs-Fabel ohne Ecken und Kanten mit kurzen Blick in den Abgrund, dass nach zwei Stunden Laufzeit dann auch noch mit einem – für mich – deplatzierten Happy-End aufwartet, das den Zuschauer unbefriedigt zurücklassen wird. Wie man es richtig macht, hat auch längst Ulrich Seidl mit seinem ungleich aufwühlenderen „Import/Export“ bewiesen, ohne dabei derart mit dem moralischen Zeigefinger auf den Zuschauer zu zeigen: 4/10 Punkten
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/inde … ge_id=7458
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