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Der dreizehnjährige Pablo (Gonzalo Sánchez Salas) lebt in einem abgelegenen Dorf in den Bergen Spaniens, steckt mitten in der Pubertät und streift seit dem von ihm verschuldeten Unfalltod seines Vaters am liebsten mit seinem Hund in der wunderschönen Gegend Andalusiens umher. Mit seiner Mutter (Anabel Azuar) versteht er sich nicht sonderlich und nur zu der frühreifen Julia (Ana Tutor), mit der er sich regelmäßig in einem baufälligen Haus zum Quatschen trifft, hat der schüchterne und verschlossene Junge Kontakt. Als er eines Tages bei seinen Streifzügen auf Paco (Francisco Alfonsin) trifft, der sich auf der Durchreise befindet und wegen seinem defekten Wagen liegen bleibt, reagiert er ebenfalls sehr zurückhaltend.
Da sich die Reparatur des Wagens verzögert, streifen Pablo mit Paco durch die Gegend und langsam erlangt der mysteriöse Fremde das Vertrauen des Jungen. Als Pablo auch noch erfährt, dass der Besucher ein ehemaliger Freund seines Vaters ist, führt er diesen zu dessen Grab, wo Paco in Tränen ausbricht. Das bewegt auch Pablo und er sucht in dem Fremden zunehmend die abhanden gekommene Vaterfigur. Doch wenig später fühlt sich Pablo auch sexuell zu dem mysteriösen Besucher hingezogen, der diesbezügliche Provokationen des Jungen jedoch nicht erwidert.
Während Pablo zunehmend eifersüchtig reagiert, als Paco auch mit anderen Menschen spricht, rumort in dem kleinen Ort bereits heftig die Gerüchteküche. Das sich ein Fremder so oft mit dem Jungen trifft, ist vor allem dem örtlichen Postboten ein Dorn im Auge, der sich jedoch selbst an der minderjährigen Julia vergeht. Die örtliche Gastwirtin erkennt in dem Fremden einen Ex-Knacki wieder und als es an einem See zu einem Unglück kommt, wird sofort Paco verdächtigt. Und während ein Mob an Dorfbewohnern hinter dem Fremden her ist, muss auch Pablo erkennen, das Paco nicht mit offenen Karten gespielt hat und als sich dieser auch noch abschätzig über den Jungen äußert, nimmt Pablo in seiner Verzweiflung die Flinte seines verstorbenen Vaters, mit der letztendlich eine Tragödie ausgelöst wird...
Der Streifen „En tu ausencia“ bzw. „Wo warst du?“ des spanischen Regisseurs Iván Noel ist wieder einmal ein Streifen über das Heranwachsen und portraitiert einen dreizehnjährigen Jungen, der in seinem Leben bereits einiges erleben musste. Aufgewachsen in der Abgelegenheit der spanischen Bergwelt Andalusiens und einem cholerischen Vater ausgesetzt, der den Junge mit grausamen Strafen gequält hat. Doch auch nach dem Unfalltod des strengen Vaters gerät das Leben des Buben ohne Vaterfigur und die beginnende Pubertät zunehmend aus der Bahn.
Als dann Paco in das Leben des zurückgezogenen Jungen tritt, ist dieser zugleich Vaterfigur, als auch das Objekt der Begierde und der Junge kann sich seine Hingezogenheit zu dem mysteriösen Fremden wohl selbst nicht ganz erklären. Er entwickelt ein eifersüchtiges Verhalten und muss dennoch entdecken, dass Paco ihm nicht die Wahrheit über sein Leben und dem tatsächlichen Grund seines Besuches gesagt hat. Als er auch noch schroff zurückgewiesen und bloßgestellt wird, kippt die Stimmung des Jungen und auch sexueller Neugier und Sympathie wird Hass, die schlussendlich in einer Katastrophe gipfelt.
Die Geschichte des spanischen Streifens aus dem Jahre 2008 wird in ruhigen Bilder erzählt und auch die zahlreichen Landschaftsaufnahmen, spiegeln das zerstreute Seelenleben des schüchternen Junge wieder. Die Gegend von Andalusien, in der das „Coming-of-Age“-Drama eingefangen wurde ist wirklich wunderschön und steht im krassen Kontrast zu der eigentlich bedrückenden Stimmung, die in „Wo warst du?“ aufgebaut wird. Denn das Leben in dem idyllischen Ort ist im Grunde alles andere als beschaulich und die aufgestaute Wut, Doppelmoral und Gewaltbereitschaft bekommt Paco schlussendlich am eigenen Leib zu spüren.
Was bei „Wo warst du?“ auch etwas verwundert ist einerseits die ruhige Erzählweise, aber andererseits die sehr ungewöhnlich direkte Inszenierung, in der Nacktheit und drastischere Momente ebenso Platz finden, wie auch einige Szenen, die sicherlich dem ein oder anderen Zuschauer übel aufstoßen werden. Während in vergleichbaren Werken die Kamera oftmals abschwenkt und Geschehnisse der Fantasie des Zuschauers überlässt, hält Regisseur Iván Noel die Kamera drauf, auch wenn es für das Publikum mitunter etwas unangenehm wird. Die Altersfreigabe mit FSK16 halte ich für das Coming-of-Age-Drama aus Spanien dann aber dennoch für etwas überzogen und zu hoch angesetzt.
Regisseur Ivan Noel stammt ursprünglich auch gar nicht aus Spanien und verdient sein Geld auch als Gitarrenmusiker. Bereits im Alter von 13 Jahren tourte er als Solo-Gitarrist durch die Welt, wo es ihn schließlich nach Spanien verschlug. Neben seinem Interesse an der Musik, realisierte Noel bereits Kurzfilme und 2008 dann ohne Budget und professioneller Hilfe sein Coming-of-Age-Drama, das auch auf zahlreichen Festivals sehr gut lief. Die Kombination aus trauriger Geschichte, schönen Bildern und berührender Gitarrenmusik, die der Musiker natürlich selbst komponiert, ist auch sehr gelungen und machen auf jeden Fall auch auf die mittlerweile anderen Werke des Regisseurs neugierig.
Einen Großteil am Gelingen des No-Budget-Films, dem man das irgendwie so gar nicht ansieht, liegt aber an den beiden Darstellern Gonzalo Sánchez Salas als Pablo und Francisco Alfonsin als Paco. Ersterer agiert trotz oder aufgrund seines Alters ganz natürlich und spielt den verschlossenen Jungen zu jeder Zeit glaubwürdig. Auch Alfonsin als mysteriöser Fremder, der ein Geheimnis verbirgt, vollbringt eine solide Leistung und es ist wenig verwunderlich, dass er auch in den weiteren Werken von Ivan Noel nicht nur am Drehbuch mitschrieb, sondern auch gleich die Hauptrollen übernahm.
Die Dreharbeiten zu „Wo warst du“ dauerten insgesamt ein Jahr und so ist es wenig verwunderlich, dass der Film dann auch mit jeglicher Art von Vegetation glänzen kann. Blühende Wiesen wurden im Frühling gefilmt, während die abgeernteten Felder Monate später aufgenommen wurden. Dabei hatte Gonzalo Sánchez Salas jedoch seinen Stimmbruch, das zwar während den Dreharbeiten nicht wirklich auffallend war, aber dennoch dazu führte, dass einige Dialoge nachträglich im Tonstudio gepitched bzw. angepasst werden musste um schlussendlich keine stimmlichen Unterschiede im Film zu merken.
Da dem Regisseur nur ein äußerst geringes Budget zur Verfügung stand, waren die Dreharbeiten auch sehr familiär und einige Teile der Crew, so wie auch der Regisseur sind in einigen Szenen in der Bar zu sehen. Bei der Hunde-Ertränkungsszene ist aber zum Glück kein Tier wirklich zu Schaden gekommen und wie im Audiokommentar erklärt wird und im Making-of zu sehen ist, wurde das Doggie einen kurzen Moment unter Wasser gezogen und der Rest wurde mit „Editing“ so hingetrickst, dass es letztendlich wesentlich dramatischer und auch brutaler aussieht, als es letztendlich bei den Dreharbeiten tatsächlich der Fall war.
Die DVD aus dem Hause CMV-Laservision bringt diesen interessanten Coming-of-Age-Streifen aus spanischen Landen in einer schönen Edition, die den Streifen in der Originalfassung mit deutschen oder englischen Untertiteln bringt. Die Bildqualität ist für No-Budget-Verhältnisse trotzdem eigentlich sehr gut und auch die Tonspur bietet wenig Anlass zur Kritik. Neben einem informativen Audiokommentar mir Regisseur Noel und Hauptdarsteller Alfonsin, eine elfminütiges „Making-Of“ mit Eindrücken vom Dreh, zwei Musikvideos, sowie einem Trailer, der jedoch etwas viel von dem Film verrät und ihn dennoch in ein etwas seltsames Licht rückt. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit weiteren Trailern, der Bildergalerie, sowie dem obligatorischen Wendecover.
Und so bleibt unterm Strich ein interessanter Streifen über einen Jungen, der seinen Vater auf tragische Weise verloren hat und in einem Fremden nicht nur eine neue Vaterfigur findet, sondern auch sexuelles Verlangen empfindet. Die Geschichte gipfelt Genre-üblich allerdings in einer Katastrophe und auch der Zuschauer sollte sich im Vorfeld schon darauf einstimmen, dass der Streifen durchaus unangenehme Momente hat. Für No- bis Low-Budgetverhältnisse ist der Streifen aber außerordentlich gut geraten und auch die Geschichte weiß zu überzeigen. Dank der sympathischen Darsteller, den stimmigen Bilder und dem tollen Soundtrack gibt’s dann an dieser Stelle auch gerne 8 von 10 Punkten für diesen interessanten und ungeschönten Beitrag zu den Filmen, die sich um das Heranwachsen drehen.
Beitrag geändert von jogiwan (01.March 2011 18:03:53)
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7455
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