project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der junge Außenseiter Jamie lebt mit seiner Familie im Londoner East End, einem sozialen Brennpunkt der Millionenmetropole und arbeitet in dem Atelier seines Bruders als Fotograf. Durch ein großflächiges Feuermal in seinem Gesicht wird er von Fremden verspottet und hat dadurch Angst vor Kontakten zu Außenstehenden, von denen er nur erschreckte Blicke erntet. Und so meidet er die Menschen und streift lieber im Schutze der Nacht durch die Straßen von London und fotografiert Graffitis und Menschen, die sich unbeobachtet fühlen.
Eines Tages wird er zufällig Zeuge wie ein Mann von einer Band von Dämonen mit schwarzen Kapuzenjacken bei lebenden Leibe verbrennt wird, hält dieses jedoch für die Ausgeburt seiner lebhaften Fantasie. Doch die Dämonen scheinen Jamie zu verfolgen und wenig später wird er und seine Mutter ebenfalls aufgelauert. Während Jamies Mutter die Attacke nicht überlebt, wird der junge Fotograf brutal verprügelt und landet leicht verletzt im Krankenhaus.
Durch den Tod der geliebten Mutter wirft es Jamie noch weiter aus der Bahn und er zieht sich immer mehr von den Menschen zurück. Als er jedoch eines Tages einen mysteriösen Anruf erhält und zu einem unbewohnten Hochhaus gelockt wird, trifft er auf Papa B, der ihm ein unglaubliches Angebot unterbreitet. Der finstere Herr nimmt dem Jungen das Feuermal und ermöglicht ihm so ein Leben, dass ihm bisher verwehrt geblieben ist, wenn dieser im Gegenzug in den Straßen von London Chaos stiftet.
Der am Boden zerstörte Jamie willigt dem teuflischen Pakt ein und am nächsten Tag ist das Feuermal tatsächlich verschwunden und er lernt das Mädchen Tia kennen, die er bereits zuvor im Atelier seines Bruders gesehen hat. Während sich die beiden näher kommen, steht jedoch ein weiterer Gast vor seiner Tür. Ein Handlanger von Papa B verlangt von Jamie, seinen Teil des Paktes einzuhalten, der darin besteht, noch am selben Tag bis Mitternacht mit dem Dolch seines verstorbenen Vaters einen Menschen zu töten und dessen Herz auf den Stufen einer Kirche abzulegen.
Jamie ist schockiert, muss aber schmerzvoll erkennen, dass mit seinem Vertragspartner Papa B nicht zu spaßen ist. Doch der friedliche Fotograf ist nicht fähig einen Menschen zu töten und erhält in seiner dunkelsten Stunde unerwartet Hilfe von der jungen Bell, die als ehemalige Weggefährtin von Papa B gutgemeinte Anweisungen gibt. Als die Zeit knapp wird, streift er verzweifelt durch die Strassen der Stadt und findet in einem Stricher das passende Opfer. Er lockt diesen in seine Wohnung und schon wenig später geschieht tatsächlich das grausige Verbrechen. Doch obwohl Jamie seinen Teil der Abmachung einhält, geht der Alptraum für jungen Mann unvermittelt weiter...
Hui! Was der englische Regisseur, Schriftsteller und Photograf Philip Ridley dem aufgeschlossenen Zuschauer mit seinem dritten Streifen „Heartless“ vor die Linse knallt, ist im Grunde schon ein sehr seltsamer Film, der auch gar nicht so einfach einem Genre zuordenbar ist. Der interessante Streifen beginnt als berührendes Außenseiter-Drama über einen Jungen, der aufgrund seines Feuermals zurückgezogen lebt und die Kamera schützend sein entstelltes Gesicht hält und dessen sozialer Kontakt sich auf seine Familie beschränkt.
Doch als Jamie eines Nachts Dämonen erblickt, kippt als erstes Mal der Film in eine neue Richtung und das ist im Grunde auch erst der Auftakt für eine ganze Serie von unerwarteten Genre-Wendungen, die der ungewöhnliche „Heartless“ im Verlauf seiner knapp zwei Stunden nimmt. Wie die ganze – wohl unter anderem von „Faust“ inspirierte – Geschichte ausgeht, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Dabei spielt aber auch das soziale Umfeld im Londoner East End eine große Rolle und auch wenn am Ende etwas auf die Tränendrüse gedrückt wird, so wird man sich dem Charme des ungewöhnlichen Films kaum entziehen können.
Sucht man Vergleiche fällt mir spontan nur „Donnie Darko“ ein, der noch am ehesten mit „Heartless“ vergleichbar wäre. Die Klasse und Vielschichtigkeit des Kultfilmes von Richard Kelly wird zwar nicht ganz erreicht, aber Philip Ridley ist mit seiner selbstgeschriebenen Geschichte schon sehr nah dran und es wird sich weisen, welchen Stellenwert sein dritter, abendfüllender Film im Lauf der Zeit einnehmen wird. Liest man die Stimmen im Internet, sind diese ja sehr positiv, auch wenn kleinere Längen im Verlauf des Filmes doch nicht ganz ausbleiben und sich die verschiedenen Teile nur mit etwas Reibungsverlust aneinander fügen.
Der 1965 in London geborene Regisseur Philip Ridley, der neben der Filmerei auch als Theater-Regisseur, Buchautor, Maler und Fotograf erfolgreich ist, hat sich für seinen dritten Film nach seinen international mehrfach Preis-gekrönten Filmen „Schrei in der Stille“ (1990) und „Die Passion des Darkly Noon“ (1995) fast 15 Jahre Zeit gelassen, in der er die Geschichte um Jamie auch ständig weiterentwickelt hat. Neben dem Drehbuch hat Ridley mit Freunden auch den Soundtrack entwickelt, der im Film neben den gelungenen Drehorten die düstere Grundstimmung von „Heartless“ ebenfalls unterstreicht.
Das der Streifen jedoch so gut funktioniert, liegt aber vor allem an der eindrucksvollen Leistung von Jim Sturgess, der den Außenseiter mit einer solchen Inbrunst verkörpert, dass er nach ein paar Minuten bereits die Sympathien des Zuschauers auf seiner Seite hat. Aber auch der sympathische Noel Clarke „Doghouse“ und die bezaubernde Französin Clémence Poésy („Brügge sehen... und sterben?“) agieren unter der Leitung von Ridley wirklich sehr gut. Einzig und allein die Figur des „Papa B“ ist für meinen persönlichen Geschmack dann vielleicht doch eine Spur zu Klischee-lastig ausgefallen.
Die Blu-Ray-Disk aus dem Hause Senator bringt den blutigen Film mit durchaus drastischen Szenen in perfekter Bild- und Tonqualität, die wirklich keine Wünsche offen lässt. Neben der gelungenen Synchro gibt’s auch die englische Originalfassung mit optionalen Untertiteln, sowie einem Audiokommentar. Generell hat man sich beim Bonus nicht lumpen lassen und liefert eine Vielzahl von Interviews, Making-of´s, Trailer und weiterem Features, die keine Wünsche offen lassen. Ein Wendecover ohne FSK-Logo rundet das positive Gesamtbild harmonisch ab.
Unterm Strich bleibt ein sehr interessanter, wenn auch für meinen Geschmack nicht gänzlich gelungener Genre-Zwitter aus der dramatischen Horror-Ecke, der sicherlich zu den gelungeneren und außergewöhnlichsten Werken der letzten Jahre gezählt werden kann. Ridleys blutiger Trip eines Außenseiters ist von der ersten bis zur letzten Sekunde stimmig, faszinierend und trotz kleinerer Längen durchwegs spannend ausgefallen. Ein Streifen mit Kultpotential, von dem man in nächster Zeit wohl auch noch mehr hören wird und dessen Erfolg darauf hoffen lässt, dass sich Ridley für seinen nächsten Film nicht wieder 15 Jahre Zeit lässt. 8-9/10 Punkten
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review, ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7401
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