project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Das Christentum ist mit über zwei Milliarden Anhängern nicht nur die weitverbreitetste Religion der Erde, sondern sieht sich selbst (wie alle Religionen) natürlich als einziger Weg für die Erlösung etwaiger Schuld und Eintrittsticket für ein hübsches Dasein nach dem Ableben, vorrausgesetzt, man hat sich als Lebzeiten als „guter Christ“ bewährt. Anderenfalls warten Höllenfeuer und andere Qualen für den Sünder, der sich danach in ungemütlicher Atmosphäre bis zur Unendlichkeit Gedanken über seinen unsteten Lebenswandel machen darf. Was dabei gut und böse ist, hat man dem Humanismus entlehnt, größtenteils verschärft und in der Bibel niedergeschrieben. Diese Ansammlung von Geschichten mit unterschiedlichsten Inhalt ist dabei das Buch, das weltweit am meisten gedruckt und verbreitet ist und auch in jegliche auch erdenkliche Sprache übersetzt wurde.
Während sich die Menschheit auch dank Technik stetig weiter entwickelt hat, ist das Regelwerk jedoch noch immer auf eine Stand, der sich naturgemäß nicht mehr so ganz mit unserer Zivilisation vereinbaren lässt. Daher ist es auch wenig verwunderlich, das Kirchenoberhäupter noch immer gegen Kondome, wissenschaftliche Fortschritte oder Akzeptanz von Randgruppen wettert. Hat man bis vor wenigen Jahrzehnten die Bibel hergenommen um Frauen und Schwarze zu diskriminieren hat man sich in letzter Zeit neben dem aussichtslosen Kampf gegen Andersgläubige vor allem gegen homosexuelle Menschen eingeschlossen, die laut Interpretation von christlichen Obrigkeiten für das Übel der Welt inklusive Naturkatastrophen verantwortlich gemacht werden.
Aber auch wenn die Bibel zu dem meistzitiertesten Werken der Erde zählt, so haben sie wohl nur die wenigsten jemals vollständig gelesen und die über die tatsächliche Auslegung der Geschichten wird auch noch immer heftig gestritten. Trotzdem wird die gute alte Bibel jedoch bei vielen Dingen als Ratgeber herangezogen und dient noch immer dazu Randgruppen auszugrenzen, in dem Passagen aus dem Zusammenhang gerissen werden und ich einem vollkommen falschen Kontext wiedergegeben werden. Doch das ist nicht neu und wurde von auch von anderen Institutionen schon immer gerne verwendet, um ihre Gruppe zusammen- und an vermeintlichen Feinden festzuhalten.
Homosexualität und Kirche scheint seit jeher unvereinbar, auch wenn sich in den letzten Jahrzehnten neben christlichen Hardlinern auch immer wieder gemäßigtere Stimmen melden, die dann jedoch immer wieder zurückgepfiffen werden. Zum Glück lässt es sich in weiten Teilen Europas aber auch ohne irgendeinem Glauben ganz gut leben und auch die Übergriffe gegenüber Andersgläubigen und Feindbildern halten sich trotz der gezielten Schürung von Vorurteilen noch zurück, auch wenn sich im ehemaligen Osten leider ein anderes Bild bietet. Jedoch sorgen auch die zahlreichen Skandale und die nicht mehr zeitgemäßen Anwandlungen der Kirche dafür, dass die Schäfchen reihenweise davonlaufen und langsam aber sicher ein Umdenken stattfinden muss.
In Amerika ist die Lage etwas anders und im Gegensatz zu Europa kann sich dort offensichtlich jeder der möchte, als Prediger positionieren und unkontrolliert seine teils kruden Thesen unter dem Deckmantel des christlichen Glaubens unter die Leute bringen. Auch Fernsehprediger haben dank wirtschaftlich schlechter Zeiten regen Zulauf und überbieten sich oftmals in Theatralik und Intoleranz gegenseitig. Als homosexueller Jugendlicher ist man daher abseits großer Städte einem vollkommen homofeindlichen Umfeld ausgesetzt, dass unter dem Deckmantel der christlichen Nächstenliebe auch noch forciert wird.
Die äußerst interessante und vollkommen zurecht mehrfach ausgezeichnete Dokumentation „Im Namen der Bibel“ von Regisseur Daniel Karslake zeichnet anhand von fünf unterschiedlichen Familien, die jedoch allesamt einem sehr christlichen Lebensstil frönen die scheinheilige Doppelmoral der Kirche und outet vielfach gebrauchte Bibelzitate die gegen Homosexuelle wettern als falsch übersetzt, wiedergegeben oder vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Und auch wenn man wie der Verfasser dieser Zeilen mit Kirche und Religion nicht sonderlich viel am Hut hat und sich der Streifen auch nicht einmal so sehr an homosexuelle Menschen als Zielpublikum richtet, so ist „For the bible tells me so“ ein ungemein fesselnder und beeindruckender Streifen, der spannender als jeder Krimi daherkommt.
Zum Auftakt des Filmes wird der Zuschauer Zeuge einer Szene, in der die Anti-Homoaktivistin Anita Bryant während einer Live-Sendung eine Torte ins Gesicht bekommt und daraufhin während sie für den Sünder betet in Tränen ausbricht. Später kommen weitere radikale Prediger zu Wort, die in den vergangen Jahrzehnten offen zum Mord aufgerufen haben und auch Politiker, die sich zwecks Stimmenfang eindeutig positionieren. Zwischen den zahlreichen Archivaufnahmen und Bildern werden fünf Elternpaar vorgestellt, die zuallererst über sich und ihr Umfeld berichten, in denen sie aufgewachsen sind.
Die gutbürgerlichen Geschichten über gemeinsame Kirchgänge, Bibelstunden und den ersten Kindern, die wiederum heiraten und Kinder bekommen kippen jedoch ab diesem Moment, wo klar wird, dass diese Eltern mit einem homosexuellen Kind konfrontiert sind, die sich ab einem gewissen Punkt im Leben auch gegen den Willen ihrer Eltern zu ihrer Homosexualität bekennen. Da diese Personen jedoch getrennt interviewt werden ist lange Zeit nicht klar, wie sich die Eltern positionieren und auf diese Nachricht reagieren. Und diese reichen von totaler Negierung über Hass und Vorwürfe bis hin zum Abbruch jeglicher Kontakte.
Doch was diese Eltern und auch die Dokumentation so besonders macht ist der Mut, offen über diese teils sehr unbequemen Erfahrungen und eigene Fehler zu sprechen, auch wenn nicht jeder Eltern-Kind-Beziehung in „Im Namen der Bibel“ ein Happy-End zugedacht ist. Besonders dramatische Momente bleiben natürlich nicht aus und manches Archivmaterial über die Anti-Homobewegung macht betroffen und wütend. Doch Karslake bietet auch positive Momente und zeigt neben der umstrittenen und bis zuletzt sabotierte Wahl des homosexuellen Gene Robinson zum Bischof der Episcopal-Kirche auch den ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Richard Gephardt, der während seines Wahlkampfes mit dem Outing seiner lesbischen Tochter konfrontiert wurde und offen dazu bekannte.
Dabei ist „Im Namen der Bibel“ vom Stil her ziemlich wertungsfrei, gehalten da sich die Aufrufe zu Hass und Gewalt ohnehin von selbst richten. Neben dem Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu kommen gemäßigte Kirchenvertreter und Theologen ausgiebig zu Wort, die auch mit dem weitgehend verbreiteten Vorurteil aufräumen, dass in der Bibel explizit gegen Homosexuelle gewettert wird. Denn wie so oft, wurden hier einfach Passagen aus dem Zusammenhang gerissen, die einfach nicht mehr zeitgemäß oder falsch übersetzt worden sind und das im gleichen Atemzug auch die Todesstrafe für ganz herkömmliche und banale Dinge gefordert wird, wird gänzlich unter dem Tisch gekehrt.
Die Mittel der Kirche zur Diskriminierung sind ja seit jeher von plump bis subtil und wenn in Kirchenkreisen von Homosexualität die Rede ist, wird von dem verlogenen Verein auch immer gleichzeitig bewusst der Eindruck vermittelt, als würde sich jeder Homosexuelle auch automatisch an Kindern vergreifen, was natürlich kompletter Nonsens ist. Auch die rechtliche Gleichstellung wird automatisch von der Kirche so dargestellt, als wolle jeder Homosexuelle in der Kirche heiraten, was ebenfalls nicht den Tatsachen entspricht, da eine rechtliche Absicherung herzlich wenig mit Treueschwüren im barock-überladenen Ambiente vor Gott zu tun hat. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs christlicher Methotik um bewusst Randgruppen zu diskriminieren und mit der Angst vor dem Unbekannten seine zahlungskräftigen Schäfchen zusammen zu halten. Denn nichts ist überschau- und kontrollierbarer als eine Welt voller Feindbilder, die klar abgesteckt ist und dennoch den Großteil der unwissenden Bevölkerung anspricht.
Die Dokumentation „Im Namen der Bibel“ ist schlichtweg genial, entlarvend, bedrückend und unterhaltsam zugleich und so ungemein wichtig, dass hier dann auch nur eine eindringliche Empfehlung ausgesprochen werden kann. Das im Internet bereits wieder ungustiös gegen diese angebliche Form der „Homo-Propaganda“ gewettert wird, ist dann auch wenig verwunderlich und sollte dennoch niemanden abhalten, diesen informativen Streifen zu sehen. In der Doku wird eindrucksvoll mit Vorurteilen aufräumt und dennoch im Gegensatz zur Kirche niemand bevormundet. Aber selbst wenn am Cover der Eindruck entsteht, als handle es sich um einen humorvollen Film, so hat mich selten eine Dokumentation wütender gemacht. Volle Punktzahl!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7285
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