project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der fünfzehnjährige Manek (Navin Chowdhry) lebt mit seiner Mutter Sushila (Shabana Azmi) in London und besucht seit Jahren den Klavierunterricht, den seine Mutter als Köchin von indischen Speisen finanziert. Eines Tages erhält er nach einem Vorspielen die Möglichkeit ein Stipendium bei der anerkannten, aber auch sehr exzentrischen Klavierlehrerin Yuvline Sousatzka (Shirley MacLaine) zu erhalten, die durch ihre unorthodoxen Unterrichtsmethoden, aber auch durch ihren Erfolg sehr bekannt ist. Madame Sousatzka ist zwar vom Talent des Jungen überzeugt, aber mit seiner unbeschwerten Lebensweise so überhaupt nicht einverstanden und beginnt schon bald, sich auch in das Privatleben des Jungen einzumischen.
Madame Sousatzka verbietet Manek das Rollschuhfahren, kleidet ihn neu ein und gibt im Bücher, die aus den jungen Burschen einen verantwortungsvollen Mann machen sollen. Madame Sousatzka versucht immer mehr, das junge Talent für sich zu vereinnahmen, nachdem sie einst ein ähnliches Erlebnis hatte, bei dem ein ebenfalls talentierter Schüler ebenfalls zu früh ihre strenge Ausbildung abgebrochen hat. Doch Manek ist bereits durch das Heranwachsen ohne Vater bereits sehr reif und würde die Hilfe der schrulligen Klavierlehrerin gar nicht benötigen. Sein großer Traum ist es daher auch als Konzertpianist auf der Bühne Erfolg zu haben, was seine exzentrische Mentorin jedoch kategorisch ablehnt.
Wenig später beginnt ein wahrer Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit des Jungen. Sushila fühlt sich vernachlässigt und als diese auch noch ihren Job als Köchin verliert, sieht sich Manek dazu veranlasst, endlich mit seinem Talent Geld zu verdienen. Hinter seinem Rücken trifft er sich mit dem Freund der Sängerin Jenny (Twiggy), der als Talentscout und Musikmanager sein Geld verdient. Als Sousatzka davon erfährt ist sie hochgradig erzürnt, da ihr selbst der Durchbruch als Pianistin verwehrt blieb, seit sie bei einem Auftritt vor den Augen ihrer gestrengen Mutter versagte. Doch Manek ist bei Sousatzka durch eine harte Schule gegangen und lässt sich daher auch nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Bei einer Benefizveranstaltung hat er seinen ersten großen Auftritt, der für den jungen Mann alles bedeutet...
Die Liebe zur klassischen Musik, der Wille sich ganz der Kunst aufzuopfern, aber auch der Mut sich verändern zu können sind die zentralen Themen, die in dem Streifen von John Schlesinger behandelt werden. Die Geschichte über das musikalische Wunderkind Manek und dessen ambitionierten Mutter, die im London der Siebziger/Achtziger auf die exzentrische Musiklehrerin Madame Sousatzka trifft, die den talentierten Jungen vereinnahmen möchte um ihn auf die „grausame“ Musikwelt entsprechend vorzubereiten, ist durchaus interessant, wenn auch sehr ruhig erzählt.
Der britische Regisseur John Schlesinger gilt ja gemeinhin als guter Beobachter von Menschen und ungewöhnlichen Beziehungen und hat im Laufe seiner Karriere auch vor kontroversen Geschichten nicht zurückschreckt. Dafür wurde der im Jahre 2003 verstorbene Regisseur auch mehrfach ausgezeichnet und 1969 sogar mit einem Oscar belohnt. In dem ebenfalls mehrfach prämierten Streifen „Madame Susatzka“ gibt es zwar keine radikalen Themen, dafür aber einen durchaus interessanten Einblick in die Besonderheiten der klassischen Musik und in den Kosmos einer Klavierlehrerin, die entrückt und nicht von dieser Welt zu sein scheint.
Madam Sousatzka ist die Tochter einer russischen Emigrantin, die von der eigenen Mutter zum Erfolg getrimmt wurde, jedoch bei ihrer ersten Bühnenerfahrung kläglich versagte und daraufhin nie wieder eine Bühne betrat. Um ihren Schützlingen diese traumatische Erfahrung zu ersparen lenkt sie ihre Schüler in einer Mischung aus Strenge und mütterlicher Fürsorge und begeht eher den Fehler, ihre eigenen Probleme auf ihre Schützlinge zu projezieren und diese zu sehr einzuengen. Die Möglichkeit ihren Schüler der eigenen kreativen Entfaltung zu überlassen tritt sie entschlossen entgegen und hat dadurch bereits einen ihrer talentiertesten Schüler verloren. Trotzdem begeht sie auch bei Manek den gleichen Fehler, hat jedoch nicht mit dessen Eigenständigkeit und Willen gerechnet.
Die Romanvorlage von Bernice Rubens aus dem Jahre 1962 basiert auf den Erlebnissen des Wunderkindes Harold Rubens, der mit seinen Eltern 1918 aus Litauen nach Großbritannien auswanderte und unter der gestrengen Obhut einer Musiklehrerin heranwuchs. Im Roman trifft das Wunderkind im alter von 10 Jahren im London der Sechzigerjahre auf die exzentrische Madame Sousatzka und durch ihr Umfeld auch auf eine Welt, die dem schüchternen Junge bis dato nicht zugänglich war. In der filmischen Umsetzung des Stoffes von John Schlesinger wurden zwar einige Dinge geändert und modernisiert, aber das Grundgerüst der Geschichte ist dieselbe geblieben.
Der Film aus dem Jahre 1988 wurde schon zur Zeit seiner Entstehung als etwas altmodisch angesehen und die Art und Weise, wie Schlesinger seine Darsteller über eine Laufzeit von knapp zwei Stunden agieren lässt, wirkt auch tatsächlich etwas altbacken und ist weder in Form noch im Inhalt in irgendeiner Form kontrovers oder innovativ. Das macht aber auch gar nicht und die Liebe zur Musik, die sich in dem Film in jeder Sekunde äußerst und auch ausgiebig zelebriert wird, passt auch hervorragend zu der eher ruhigen und größtenteils unspekatkuläre Geschichte über Erwachsenwerden, Mut, Enttäuschung und eiserner Disziplin.
Der Film ist aber auch ganz auf seine vielseitige Hauptdarstellerin Shirley MacLaine zugeschnitten. Dieser war zum Zeitpunkt der Dreharbeiten bereits 54 Jahre und hatte den ersten Höhepunkt ihrer langjährigen Karriere bereits hinter sich. Die Rolle der schrulligen Emigrantin und Klavierlehrerin beendete eine fünfjährige Leinwandpause und brachte die amerikanische Schauspielerin mit einem Golden-Globe auch wieder ins Bewusstsein der Zuschauer zurück. Aber auch die anderen Schauspieler sind durchaus gut besetzt und in einer Nebenrolle glänzt das ehemalige Skandal-Model Twiggy als hoffnungsfrohe, aber leider etwas talentfreie Sängerin.
CMV-Laservison bringt dieses ruhige und vielschichtige Drama in guter Bild- und Tonqualität und der deutschen Synchronisation, die von Fans des Filmes schon sehnsüchtig erwartet wurde. Wie schon „Sunday, bloody Sunday“ ist die Veröffentlichung sehr gelungen, auch wenn der Fan auf Bonusmaterial leider verzichten muss. Da gibt es lediglich ein paar Trailer, eine Bildergalerie, sowie das obligatorische Wendcover ohne störendem FSK-Logo. Unterm Strich ist „Madame Sousazkta“ ein ruhiger Film über die Leidenschaft zur klassischen Musik, dass vor allem von der vielschichtigen Darstellung von Frau MacLaine lebt. Die Geschichte ist durchaus interessant, wird mit seiner Thematik und klassischer Musik jedoch nicht alle ansprechen. 7/10 Punkten
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch endlich Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=7190
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