project: equinoX Forum

Ein Mann steht am Strand und beobachtet die See und entdeckt auf den Klippen vier Geistliche. Als er seine Kumpanen von der Invasion berichtet, wollen sich diese der Bedrohung entgegenstellen, sterben jedoch auf dem Weg zum Strand an Entkräftung. Später erreichen zahlreiche Priester, Politiker und Bürgerliche in Booten das Festland und finden die bereits skelettierten Geistlichen und legen an dieser Stelle den Grundstein für die ewige Stadt Rom. Doch die Zeremonie wird gestört, da sich ein Liebespaar lautstark liebt und im Schlamm wälzt.

Die Frau wird abgeführt und der Mann verhaftet und in Handschellen durch die Stadt eskortiert. Der Mann entpuppt sich wenig später als politischer Protege und wird trotz seltsamen Verhalten frei gelassen. Er tritt einen Blinden zu Boden und fährt mit einem Taxi zu einer Veranstaltung eines Marquis, die bereits im vollen Gange ist. Seine Geliebte wartet dort bereits, doch ein Zusammentreffen der Beiden wird verhindert. Als der Mann die Mutter seiner Geliebten auch noch ohrfeigt, weil diese versehentlich ein Getränk auf dessen Hose verschüttet, wird er abermals von der erzürnten Gesellschaft abgeführt.

Am Abend findet in einem Park vor dem Haus des Marquis ein Konzert statt. Ein Priester spielt Geige und die beiden Liebenden kommen ein weiteres Mal abseits der Menge zusammen. Doch abermals scheint es, als würde eine seltsame Kraft die Beiden an einer Vereinigung hindern und die beiden werden auch durch den Dirigenten gestört, an dem die Frau plötzlich Interesse zeigt. Daraufhin ist der Mann so verärgert, dass er ein Kissen im Schlafzimmer zerstört und einen brennenden Baum, einen Priester und eine Giraffe aus dem Fenster stürzt und schlussendlich Federn aus seinen Händen zu Boden gleiten lässt...

Nach dem Erfolg des 16minütigen Kurzfilms „Ein andalusischer Hund“ entstand ein Jahr darauf der einstündige Film „L’Age d’or“ bzw. „Das goldene Zeitalter“ in dem Regisseur Luis Bunuel abermals in sehr surrealen Bildern eine ungewöhnliche und auch nicht gerade leicht zu durchschauende Geschichte erzählt, in der in überspitzen Situationen Institutionen wie Kirche und Politik, aber auch die bessere Gesellschaft einen Spiegel für ihr selbstsüchtiges Verhalten präsentiert bekommt. Dabei sollte ursprünglich auch Salvador Dali am Drehbuch mitarbeiten, mit dem sich Bunuel jedoch im Vorfeld verwarf. Dali ist zwar immer noch in den Credits vermerkt, soll sich aber nur für wenige Szenen verantwortlich zeigen.

„Das goldene Zeitalter“ beginnt mit Bildern einer Dokumentation über Skorpione. Eine Gattung der Spinnentiere, die nachtaktiv und giftig sind und auch nicht gerade über ein ausgeprägtes Sozialleben verfügen. Dass manche Skorpionarten auch noch die eigene Spezies auf dem Speisezettel haben, macht diesen Gliederfüßler nicht gerade zum sympathischsten Tierart unter der Sonne. Vom Sozialverhalten des Skorpions geht es dann nahtlos zum Menschen, der sich in der Vergangenheit ja auch oftmals in Punkto Nächstenliebe nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat.

Und so ist es auch wenig verwunderlich, dass das gesellschaftliche Event des Marquis zu einer Farce bekommt. Das Bürgerliche in Form einer durch die Menge fahrende Bauernkutsche interessiert die feine Gesellschaft ebenso wenig wie eine durch einen Küchenbrand verletzte Köchin oder ein Angestellter, der seinen Jungen aufgrund eines kleines Diebstahls erschießt. Alles wird eher gelangweilt zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter beachtet und erst als der Mann die Mutter seiner Geliebten ohrfeigt ist das Geschrei groß und der Mann wird von Männern aus der gehobenen Gesellschaft entfernt.

Auch am Ende des Streifens wird es durchaus provokant und in Anlehnung an Marquis de Sades Roman „die 120 Tage von Sodom“ wird dem Zuschauer in Texttafeln erklärt, dass vier Männer auf einer Burg eine vierzigtägige Orgie feiern, zu der Jungfrauen und erfahrene Frauen geladen werden. Eine dieser Personen ist Jesus, der jedoch als Herzog bezeichnet wird. Am Ende zerrt dieser eine blutverschmierte Frau zurück in die Burg und der Film endet mit einem Kreuz, an der die Skalps der zuvor ermordeten Frauen genagelt sind.

Kirche und Politik dürfte Bunuels erklärtes Lieblingsziel für seinen beißenden Spott gewesen sein und es ist schon etwas verwunderlich, wie weit der spanische Filmemacher im Jahre 1930 bereits gehen konnte. Der Film war ja für damalige Verhältnisse ja ein hochexplosives Stück Zelluloid,  aber mit dem Film steckte wohl auch noch die Zensur in den Kinderschuhen und so konnte der Film auch aufgeführt werden, was jedoch auch zu wütenden Zuschauerprotesten führten. Rechtsextreme stürmten im Dezember 1930 ein französisches Kino und verwüsteten Kinosaal und eine Ausstellung und der Film erhielt in Frankreich ein Aufführungsverbot, welches erst 50 Jahre danach wieder aufgehoben wurde.

Obwohl „Das goldene Zeitalter“ mit seiner Geschichte zwar wesentlich zugänglicher ist und auch sicherlich über mehr gesellschaftlicher Brisanz verfügt, muss ich ehrlich gestehen, dass mir persönlich „ein andalusischer Hund“ aber doch einen Tick besser gefallen hat. Während letzterer vollkommen traumartig daherkommt, steht bei „Das goldene Zeitalter“ doch eher die Provokation im Vordergrund. Trotzdem sind beide Filme sehr empfehlenswert und jeder der sich für die Klassiker in diesem Bereich interessiert, sollte die beiden Filme schon gesehen haben.

Mit der empfehlenswerten DVD aus dem Hause Pierrot le Fou ist das auch gar kein Problem mehr und der Streifen kommt gemeinsam mit „ein andalusischer Hund“ im hübschen Doppelpack und noch hübscherer Verpackung inklusive interessante Bonusmaterial daher. Die Qualität ist angesichts des biblischen Alters (im Vergleich zu "ein andalusischer Hund") leider nur mittelmäßig und auch der Ton bietet etwas Anlass zur Kritik. Neben einem informativen Booklet mit Auszügen aus Bunuels Biografie „Mein letzter Seufzer“ gibt es auch noch eine interessante Doku über das Leben und Werk des spanischen Provokateurs in Spielfilmlänge. Unterm Strich gibt es auch hier nichts zu meckern und Freunde von surrealen Werken mit filmhistorischer Relevanz sollten sich das Doppelpack der wohl wichtigsten Frühwerke der Kinogeschichte nicht entgehen lassen. „Das goldene Zeitalter“ ist wie „ein andalusischer Hund“ traumartige Provokation der ungewöhnlichen Sorte und angesichts des Entstehungsjahres eigentlich sensationell.

Beitrag geändert von jogiwan (04.December 2010 15:43:18)