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#1 24.August 2010 17:06:38

jogiwan
drama-princess
Ort: graz (austria)
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Beiträge: 2256

matador

Der alternde Diego (Nacho Martínez) hat aufgrund eines schrecklichen Unfalls in der Stierkampfarena seine aktive Karriere als Matador zwangsweise beenden müssen und unterrichtet seitdem auf seinem großzügigen Anwesen in Madrid junge Menschen in der Kunst des Stiertötens. Unter ihnen ist auch der schüchterne Ángel (Antonio Banderas), der gegen den Willen seiner bigotten Mutter Berta (Julieta Serrano) unbedingt Matador und somit Schwarm aller Frauen werden möchten. Als er von Diego in einem Gespräch der Homosexualität bezichtigt wird, versucht er in der Nacht seine Männlichkeit zu beweisen, in dem er seine Nachbarin und Diegos Freundin Eva (Eva Cobo) zu vergewaltigen versucht. Doch diese misslingt gründlich, als Diego bei dem Anblick von Blut das Bewusstsein verliert.

Als Angel von seiner Mutter am nächsten Tag zur Beicht gedrängt wird, erzählt er dem Pfarrer von seinem Vergewaltigungsversuch, der ihm wiederum dazu rät, sich selbst bei der Polizei zu stellen. Dort angekommen trifft der introvertierte junge Mann auf Inspektor de Valle (Eusebio Poncela), der gerade mit der Aufklärung von vier mysteriösen Lustmorden beschäftigt ist. Als Eva aufgrund des Anratens ihrer aufgeschlossene Mutter Pilar (Chus Lampreave) auf eine Anzeige verzichtet um ihre Modelkarriere nicht zu gefährden, gesteht Angel aus Angst vor der Rückkehr zu seiner konservativen Mutter dem überraschten Inspektor die vier Morde, die er seltsamerweise auch bis ins letzte Detail beschreiben kann.

Angel bekommt die attraktive Anwältin Maria (Assumpta Serna) zur Seite gestellt, die von der Unschuld ihres Mandaten überzeugt ist, da sie selbst hinter zwei der vier Morden steckt. Maria hegt neben einer seltsamen Obsession für den Stierkämpfer Diego nämlich auch eine für den Tod und ermordet ihre Liebhaber in der Sekunde höchster Lust mit einem vom Stierkampf inspirierten und gezielten Stich in den Nacken. Auch die anderen Morde hat Angel natürlich nicht begangen, sondern Diego, der ebenfalls seit dem Ende der Karriere einen seltsamen Hang für tote Dinge hegt. Als die beiden erstmalig aufeinander treffen ist es, als hätten sie sich jahrelang gesucht und die beiden beginnen eine unheilvolle Liason, während der von der Unschuld Angels überzeugte Inspektor alles daran setzt, den wahren Mörder zu finden....

„Matador“ aus dem Jahre 1986 ist Pedro Almodovars fünfter Film und stellt einen frühen Wendepunkt in seiner Karriere dar. Nach seinen eher trashigen Filmen „Pepi, Luci, Bom...“, dem sexuellen „Labyrinth de Leidenschaft“, der abgründigen Komödie „Kloster zum heiligen Wahnsinn“ und dem traurigen „Womit hat ich das verdient?“ erhielt der spanische Filmemacher nach seinen Achtungserfolgen zum ersten Mal eine staatliche Filmförderung.  Mit seinem ersten großen Budget hatte der ambitionierte Filmemacher auch die Möglichkeit, seinen Film so zu gestalten und besonderes Augenmerk auf die Kostüme und Ausstattung zu legen, was ihm bisher aufgrund mangelnden Budgets nicht möglich war.

Die Geschichte über Menschen mit einem seltsamen Hang oder Bezug zum Tod ist dabei zweifelsfrei doch etwas seltsam ausgefallen. Der schüchterne Ángel hat seltsame Visionen, in der er die Verbrechen von Madrid vor seinem geistigen Auge immer wieder erleben muss. Daher weiß er natürlich auch, dass sein großes Vorbild, der Stierkampf-Lehrer Diego hinter einigen Morden steckt. Als die attraktive Maria, die er vermutlich ebenfalls aus seinen Schreckensvisionen kennt, seine Verteidigung übernimmt, bekennt er sich trotzdem der Morde für schuldig, da er aufgrund seiner dominanten und zutiefst konservativen Mutter längst seine Freude am Leben verloren hat. Als Diego und Maria jedoch aufeinander treffen, scheint es, als hätten sich die beiden Menschen mit demselben Hang zu töten über Jahre gesucht. Diego verliebt sich in Maria, die ihrerseits sogar schon ein kleines Museum zu Ehren des ehemaligen Matadors angelegt hat. Und als sich die beiden in eine sadomasochistische Affäre stürzen, ist es dem Zuschauer bereits klar, dass diese nur für alle Beteiligten tragisch Enden kann. 

Die zahlreichen Figuren in dem Streifen sind dabei durchaus interessant gewählt und stellen jeweils die Vertreter des „alten“ und „neuen“ Spaniens, dass sich zu dieser Zeit gerade von seinen Zwängen der Tradition löste um progressiveren Kräften seinen Platz zu lassen. Der introvertierte Àngel, Matador Diego, die bigotte Berta und auch Anwältin Maria sind in gewisser Form diese Vertreter des „alten“ Spaniens, bei denen Werte wie Tradition, Familie, Glaube und Schuld im Vordergrund stehen, während der homosexuelle Inspektor, die ambitionierte Psychologin, sowie Model Eva samt progressiven Mutter wohl die Vertreten des „neuen“ und aufgeschlossenen Spaniens gegenüber stehen, die sich bewusst von den alten Zwängen gelöst haben. Aber auch herkömmliche Geschlechterrollen werden in dem 1986 entstandenen „Matador“ aufgelöst, welches in dem ein Jahr danach entstandenen „Das Gesetz der Begierde“ dann auf die Spitze getrieben wurde.

Diese beiden Filme – „Matador“ und „Das Gesetz der Begierde“ müssen laut Regisseur auch in einem Zusammenhang gesehen werden, da sie im Grunde eine ähnliche Geschichte erzählen, die jedoch auf recht unterschiedliche Art und Weise dargestellt wird. Während „Matador“ der kühle und düstere Entwurf einer tragischen Liebesgeschichte ist, bietet „Das Gesetz der Begierde“ trotz ebenfalls tragischem Unterton eine doch sehr optimistische Geschichte, in der es für die Protagonisten im Gegensatz zu „Matador“ auch ein Happy End geben darf. In beiden Filmen wimmelt es nur so von obskuren Charakteren, die sich nach Halt und Liebe sehen und dieses Bedürfnis auch über das eigene Leben stellen.

Was den geneigten Fan natürlich besonders erfreuen wird, ist der zweifelsfrei tolle Cast, der in der erotischen Thriller-Groteske mitwirkt. Neben Antonio Banderas, mit dem Almodvar erfreulicherweise in seinem für 2011 angekündigten Streifen „La piel Que habito“ nach 21 Jahren wieder zusammen arbeiten wird, gibt es auch natürlich Carmen Maura als Psychologin, Chus Lampreave als progressive - und Julietta Serrano als bigotte Mutter zu sehen. Eusebio Poncela und Nacho Martinez kennt man ebenfalls aus zahlreichen anderen Werken und auch Bibiana Fernandez und Veronica Forqué gibt es ebenfalls in kleineren Nebenrollen zu sehen.  Assumpta Serna, die bereits in „Pepi, Luci, Bom...“ einen kleinen Auftritt hatte, ist als abgründige Maria ist ebenfalls eine Wucht und auch Almodovar-Debütantin Eva Cobo spielt ihre Rolle als unglücklich verliebte und todessehnsüchtige Eva ebenfalls sehr glaubwürdig.

In „Matador“ schafft es Pedro Almodovar aber auch erstmalig seinen Film diesen bestimmten Look zu verpassen, der noch immer seine nachfolgenden Werke bis zum heutigen Tage auszeichnet. Die interessante Geschichte mit ihren skurrilen Charakteren, die großartigen Darsteller, die zu Glanzleistungen angetrieben werden und sich ohne Scheu auch recht freizügig vor der Kamera bewegen, das Kostümdesign, die ungewöhnlichen Settings, Ausleuchtung und auch die Musik bilden erstmals eine vollkommene Einheit und auch die Geschichte wirkt im Gegensatz zu manch improvisierten Szenen der Vorgänger vollkommen in sich geschlossen. Für mein Empfinden ist der spanische Ausnahmeregisseur mit diesem Film „erwachsen“ geworden und hat seinen eigenen und unverwechselbaren Stil aus Trash und Klasse gefunden, der auch in der Anfangssequenz seinen Vorbildern Mario Bava und Jess Franco huldigt.

In dieser berüchtigten Sequenz onaniert Diego zu einer Zusammenstellung der Morde aus Bavas „Blutige Seide“ und Francos „Die Säge des Todes“. Letzter ist jedoch Aufgrund seiner – angeblich – gewaltverherrlichenden Charakters beschlagnahmt und seine Verbreitung nach § 131 StGB verboten, was sich leider auch auf die deutsche Veröffentlichung von „Matador“ ausgewirkt hat. So wurde das Frühwerk von Almodovar bislang ungekürzt nur auf VHS mit einer FSK18er-Freigabe veröffentlicht und einmal in gekürzter Form im Free-TV gezeigt. Der Film ist auch der einzige, der es – wohl aufgrund seiner Freigabe und der sensiblen Eingangssequenz - nicht in die ansonsten eigentlich tolle Box von Universum Film geschafft hat. Das ist natürlich total lächerlich, da die Säge-Sequenz aus Francos Schnarcher ja eigentlich lächerlich und auch vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen ist und sich wohl kaum negativ auf das Empfinden des Arthouse-Filmfans auswirken würde.

Die mir bislang einzige Möglichkeit den Streifen auch auf DVD zu erwerben stellt die britische DVD aus dem Hause „Optimum Releasing“ dar, die den Streifen ungekürzt in jedoch etwas durchschnittlicher Bildqualität veröffentlicht haben. Das der Streifen ebenfalls mit einer BBFC 18-Freigabe daher kommt, dürfte wohl größtenteils an der düsteren Thematik und sexuellen Freizügigkeit liegen, mit der Almodovar seinen obsessiven Film inszeniert hat. Der Streifen ist im spanischen Original, die Untertitel jedoch nicht optional. Als Bonus gibt es eine etwas längere Einführung von José Arroya, sowie den Trailer. Da es zu dieser englischen DVD auch keine Alternative gibt, kann sich der Fan bislang nur diese Fassung ins Regal stellen. Vielleicht geschieht ja eines Tages noch ein Wunder und der Film erscheint ungekürzt im deutschen Raum.  Ob die deutsche VHS jedoch überhaupt eine deutsche Synchronisation beinhaltet kann ich mangels Informationen ebenfalls nicht sagen – für zweckdienliche Hinweise in dieser Hinsicht, wäre ich jedoch dankbar. 

Unterm Strich hat Pedro Almodovar mit „Matador“ einen ungewöhnlichen und auch überraschend düster-surrealen Thriller über Liebe und Verlangen geschaffen, der auch vor den bitteren Konsequenzen des  Todes nicht zurückschreckt. Es ist jedoch angesichts seiner späteren Filme  doch etwas überraschend, wie brutal und konsequent Almodovar in diesem 1986 entstandenen Streifen zu Werke geht und sogar von einer brutalen und blutigen Sequenz inklusive Mord und Selbstmord nicht zurückschreckt. Doch „Matador“ wäre nicht von Almodovar, wenn nicht auch in gewissen Momenten dieser typische Humor aufblitzen würde und die ganze Geschichte auch durch skurrile Charaktere aufgelockert werden würde. Und so bleibt ein interessantes Werk aus der früheren Schaffensperiode des Regisseurs, der sich zu diesem Zeitpunkt vom umtriebigen Underground-Regisseur in Richtung anerkannten Künstler entwickelte. Kein Film, der es bei mir in die persönliche Almodovar-Top 5 schaffen würde, aber dennoch äußerst interessant und empfehlenswert: 7/10 Punkten!


It´s fun to stay at the YMCA...

*** Gretl... the prince !!! ***

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#2 25.August 2010 22:03:43

chilidog
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Re: matador

@ Jochen,

vielen Dank für das Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6902

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