project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Horror- und Gruselfilme nehmen ja eigentlich seit Beginn der Filmindustrie einen besonderen Platz in der Kinogeschichte ein. Die Konfrontation an bewussten und unbewussten Ängsten in Form von bewegten Bildern auf der großen Leinwand fasziniert das Publikum seit nunmehr über hundert Jahren. Horrorfilme sind oft große wirtschaftliche Erfolge und nicht wenige, mittlerweile renommierte Regisseure und Darsteller haben ihre Karriere mit Filmen aus der Horrorecke begonnen. Dennoch ist die Geschichte des Horrorfilms im deutsprachigen Raum auch eine eher leidvolle Geschichte voller Zensur und Missverständnisse, wobei sich vor allem der deutsche Gesetzgeber auf der Grundlage eines vermeintlichen Jugendschutzes und dem damit verbundenen Gesetz einen besonderen Platz einnimmt.
Waren zu Beginn der Kinogeschichte die Geschichten, sowie die gezeigten Effekte noch relativ harmlos, steigerte sich die Intensität der Bilder und Inhalte kontinuierlich über Jahrzehnte. Den ersten brutalen und heute eher harmlosen Höhepunkt hatte das Genre mit den blutigen Gothic-Horrorstreifen aus den britischen Hammerstudios. Später folgten die in Italien sehr erfolgreichen Giallos, die erstmals eine Krimihandlung mit brutaler und oftmals sexualisierter Gewalt vermengten und in Amerika entstanden – ausgelöst durch das Vietnam-Trauma – Filme wie „Night of the living Dead“, „Texas Chainsaw Massacre“ und „Last House on the Left“, die ihrerseits das Genre in Punkto Psychoterror revolutionieren sollten. In den Achtzigern boomte das Horror-Business aufgrund des Videothekenboom und die Zuseher wurden mit brutalen Werken nahezu überschüttet.
Danach wurde es vergleichsweise ruhig und das Publikum schien von zu viel an grafischer Gewalt und den ewig gleichen Geschichten übersättigt. Mit dem Überraschungserfolg von „Scream“ entstanden zwar eine ganze Handvoll mainstream-tauglicher Teenie-Slashern und auch das Zombie-Genre war über die Jahre eigentlich alles andere als ruhig. Doch die breite Masse konnte man damit nicht in die Kinos locken und so blieben viele Werke von der breiten Masse unbeachtet. Ende der Neunziger gab es dann den sogenannten Asia-Boom, die sich in Punkto „grafischer Härte“ jedoch sehr zurücknahmen und den Schwerpunkt eher auf die gruselige Geschichte und kurze Schockeffekte verlegten.
Als dann am 11. September 2001 die beiden World-Trade-Türme in sich zusammenbrachen musste sich Amerika eingestehen, dass der Krieg gegen Terrorismus im eigenen Land angekommen war. Danach folgten Festnahmen vermeintlich Verdächtiger, die Einrichtung des Guantanamo-Gefängnisses und gezielte Folter zur Erpressung von Geständnissen. Durch Fernsehberichterstattung und Internet wurde dieses auch ausreichend in seiner ganzen Grausamkeit dokumentiert. Doch anstatt sich im Kino in angenehmere Welten zu flüchten, hatte der schreckliche Terroranschlag paradoxerweise zur Folge, dass sich das Zuschauerverhalten änderte und sich ein erheblich erhöhter Härtegrad im Mainstream-Kino etablierte.
Marcus Stiglegger beschreibt in dem Pocket-Büchlein „Terrorkino – Angst / Lust und Körperhorror“ aus dem Verlag Bertz + in einem interessanten Text die doch etwas erstaunlichen Tendenzen in aktuellen Horrorfilmen, welche durch den wirtschaftlichen Erfolg der „Saw“-Reihe, als auch von beiden „Hostel“-Filme seit Beginn der Nuller-Jahre ausgelöst wurden. Beide Filme haben zwar bekanntlich das Rad nicht neu erfunden und setzen auch inhaltlich auf bereits bekannte Motive, übertreffen in Punkto Härte jedoch mit Leichtigkeit alles, was bisher im Mainstream-Bereich zu sehen war und wurden dennoch zu großen Überraschungserfolgen und lösten damit einen wahren Boom an brutalen Werken aus.
Filme, für die von wenig-wohlwollenden Personen jedoch eher verächtlich und abwertend die Schublade „Torture-Porn“ erfunden wurde. Dass sind Filme in denen stets die physische und psychische Gewalt an Personen im Vordergrund steht und deren Episodenhaftigkeit, ausufernde Gewaltdarstellung und Minimum an Geschichte und charakterlicher Tiefe der beteiligten Protagonisten an pornografische Werke erinnern. Mit dem eher doofen und tendenziösen Begriff soll aber wohl auch impliziert werden, dass diese Filme gleichfalls an die niedrigsten Triebe und Sensationslust des Zuschauers abgeschielt werden soll.
Doch der Vergleich hinkt natürlich gewaltig, da wohl kaum ein Zuseher bei dem Konsum von Terrorfilmen natürlich Lust im sexuellen Sinn empfinden wird. Stiglegger beleuchtet in seinem Text daher auch eher die Hintergründe, die das gesteigerte Interesse an immer brutaleren Werken verdeutlichen könnte. Einerseits natürlich die ambivalente Lust aus Leiden und Unterdrücken im Sinne der Psychoanalyse (Sadismus und Masochismus) bzw. deren Zusammenspiel im Sadomasochismus. Andererseits wird natürlich auch darauf eingegangen, dass in Zeiten von 9/11, Kriegsberichterstattung und Internet, das Publikum gezielter auf Themen wie Folter sensibilisiert ist und sich natürlich auch vermehrt – bewusst oder unbewusst - mit diesem Thema beschäftigen möchte.
Filme wie „Hostel“, „High Tension“, „Saw“ oder auch die zahlreichen Remakes von Terror-Filmen aus den Siebzigern sind dann auch nur die logische Konsequenz aus diesen bereits erwähnten Dingen. Denn das wahre Grauen wartet im realen Leben nicht in Form außerirdischer Monster oder fantastischen Wesen, sondern die größte Bedrohung geht immer noch vom Menschen und seinem aggressiven Potential aus. Und genau dieser Tatsache wird in diesen Filmen Rechnung getragen, in dem die Gewalt immer eine „authentische“ und „realistische“ Komponente hat und der fantastische Anteil der Geschichten auf ein Minimum reduziert wird. Und es sind ja immer noch die Urängste der Menschheit, mit denen in diesen Filmen geschickt gespielt wird.
Und so werden von Marcus Stiglegger natürlich neben den filmischen Vorbildern aus vergangenen Jahrzehnten natürlich auch die Vertreter des aktuellen Terrorkinos stichwortartig vorgestellt. Beginnend mit Tommy O´Havers Streifen „American Crime“ aus dem Jahre 2007, in dem ein grauenvolles Verbrechen an einer jungen Frau verfilmt wurde, werden nahezu sämtliche Streifen aus der sogenannten Schublade des „Torture Porn“ aus den Jahren 2000 – 2009 kurz erwähnt. Stiglegger erwähnt jedoch auch die Negativ-Highlights wie „Murder Set Pieces“ und „Chaos“ und im Gegenzug auch Lars von Triers „Antichrist“ und Gaspar Noes „Irreversible“ aus der Arthouse-Ecke. Bis auf „Frontiers“ und „Inside“ sind dann wohl auch so ziemlich alle wichtigen Filme des Genres in dem kleinen aber feinen Werk zusammengefasst.
Leider muss ich aber auch ehrlich anmerken, dass ich angesichts der Verlags-Angaben im Vorfeld doch ein wenig umfangreicheres Werk erwartete hätte. „Terrorkino“ bietet zwar einen wirklich interessanten Text und auch die wohl erste umfangreichere Abhandlung zu dem Thema, doch der Text würde zusammengefasst und ohne Bilder wohl gerade mal ein paar A4-Seiten ausmachen. Zusammen mit Prolog, Zitaten, Fazit, Fußnoten und einem großen Schriftbild werden zwar stattliche 100 Seiten erreicht, doch ist man mit dem Lesen doch relativ schnell durch. Sicherlich hätte ich mir persönlich ein „dickeres“ Werk gewünscht, welches vielleicht auch irgendwann mal kommen wird - angesichts des günstigen Preises von knapp 10 Euros kann man aber eigentlich nicht groß meckern.
Unterm Strich bleibt ein schmuckes, kleines Büchlein mit einem interessanten Essay zu einem Genre, das im deutschsprachigen Raum immer wieder zu kontroversen Diskussionen, Anfeindungen und ausgeprägten Zensuren geführt hat. Doch auch wenn die Zensoren diese Werke am liebsten in den Müll verfrachten würden, so spiegeln sie doch auch die Entwicklungen unserer Gesellschaft wieder, dessen Seh- und Informationsverhalten durch das Internet und dem Kampf gegen Terrorismus maßgeblich verändert hat. Im sogenannten Terrorkino der Nuller-Jahre spiegelt sich nicht nur die zunehmende Verrohung unserer Gesellschaft wider, sondern es werden auch geschickt mit gesellschaftlichen Existenzängsten gespielt, die durch die zunehmende Globalisierung und Bedrohung durch das Unbekannte geschürt werden. Tipp!
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@ Jochen,
vielen Dank fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6674
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