project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Ogato (Shoichi Ozawa) dreht mit seinen beiden Kumpels Kabo und Bantek schmuddelige Pornos, die er mit mäßigen Erfolg selbst unter die Leute bringt. Doch das ist im Japan der Sechziger Jahre eigentlich verboten und um nicht erwischt zu werden filmt er im Guerilla-Style mit Laiendarstellern und Prostituierten. Nebenher verkauft er aber auch entsprechende Fotos, Tondokumente und versorgt reiche Geschäftsmänner mit vermeintlichen Jungfrauen. Zuhause läuft es auch nicht gerade besonders, da seine Frau, die Witwe Haru (Sumiko Sakamoto) zunehmend den Verstand zu verlieren droht und einem im Aquarium gehaltenen Karpfen blindlings vertraut, den sie für die Reinkarnation ihres verstorbenen Gatten hält.
Die beiden Stiefkinder sind Ogata ebenfalls keine große Hilfe, da der Sohn Koichi (Masaomi Kondo) ein fauler Wichtigtuer ist, der keine Gelegenheit ausläst, an das Geld seiner beiden Erzieher zu kommen, anstatt sich seinem Studium zu widmen. Und auch Stieftochter Keiko (Keiko Sagawa) ist lieber frühreif und hängt auch lieber mit zweifelhaften Leuten auf noch zweifelhafteren Partys herum, anstatt einer normalen Ausbildung nachzukommen. Und so vergeht die Zeit und Ogato versucht mit seine Freundin Haru, die er aufrichtig liebt, und seine beiden Stiefkinder über die Runden zu bringen.
Doch die Geschäfte laufen immer schlechter und die kriminelle Konkurrenz und Polizei pfuscht dem ambitionierten Filmer immer öfter ins Handwerk. Zuhause läuft ebenfalls alles aus dem Ruder, da Ogata gerne ein Kind mit seiner hübschen Witwe hätte, sich aber gleichzeitig nach seiner fünfzehnjährigen Tochter verzehrt und sich an ihr vergeht. Haru kommt aufgrund eines Nervenzusammenbruchs in die geschlossene Abteilung und macht ihrem Freund den Vorschlag, die Stieftochter zu ehelichen um die Familie zusammenzuhalten. Die ist jedoch wenig begeistert und hetzt ihrem Stiefvater einen Schlägertrupp auf den Hals. Als Koichi auch noch mit den Ersparnissen der Familie durchbrennt, die Tochter auf Gangbang-Parties untertaucht und seine Haru vollkommen den Verstand verliert, hat Ogata endgültig die Schnauze voll und trifft eine vollkommen unerwartete Entscheidung...
Denkt man an Portraits von dysfunktionaler, asiatischer Familienverbände, kommt einem wohl als erstes Takashi Miikes wunderbar über- und abgedrehtes Horror-Drama „Visitor Q“ aus dem Jahre 2001 in den Sinn, in dem ein durchgeknallter Filmemacher eine Doku über die entartete Jugend drehen möchte und dessen zerrüttete Familie in einem Albtraum aus Blut, Sex, Tod und Gewalt durch einen mysteriösen Besucher wieder zueinander findet. Doch wer hätte gedacht, dass Regisseur Shohei Imamura bereits im Jahre 1966 ein nicht minder abgedrehtes Werk über eine etwas strange Familie abgeliefert hat, die jetzt endlich auch im deutschsprachigen Raum erhältlich ist und dem Wahnsinn eines Miikes im Grunde um nichts nachsteht.
„The Pornographers“ bzw. “The Amorists” oder auch “Einführung in die Menschenkunde” von Regisseur Shohei Imamura besitzt zwar jede Menge Alternativtitel, ist aber anscheinend im deutsprachigen Raum bisher leider eher unbekannt. Eigentlich vollkommen zu unrecht, da dieses Werk, das wohl irgendwie als Aufklärungswerk über menschliche Sexualität vermarktet wurde, ist im Grund eine bitterböse und tiefschwarze Abrechnung über japanische Befindlichkeiten zwischen Tradition, Rebellion und sexueller Revolution. Dabei ist der Streifen auch noch relativ ungewöhnlich erzählt, besitzt surrealistische Momente und driftet am Ende in noch seltsamere Sphären ab.
Leicht macht es Regisseur Imamura dem Zuschauer ja nicht und serviert dem aufgeschlossenen Zuschauer mit einer Leichtigkeit so kontroverse Themen wie Pädophilie, Inzest, Impotenz, religiöser Wahn und verknüpft dieses mit allerlei skurrilen Szenen und Entwicklungen. Zuviel von der Handlung will man ja nicht verraten, aber das Lachen kann einem schon gehörig im Halse stecken bleiben. Trotzdem ist der Streifen so derart abgehoben, dass man eigentlich selbst bei den groteskesten Momenten immer noch Schmunzeln kann. Das der Film bei seiner Veröffentlichung jedoch einen Skandal ausgelöst hat, scheint wohl so gut wie sicher.
Interessant ist ja die Tatsache, dass der Streifen ja bereits im Jahre 1966 zu einer Zeit gedreht wurde, in der auch im europäischen Raum das Zeigen von sexuellen Inhalten ja auch noch ziemlich verpönt war. Das änderte sich ja erst in den Siebzigern, als unter dem Deckmantel von diversen Reporten möglichst viele schlüpfrige Szenen an das interessierte Publikum gebracht wurde. Natürlich verzichtet Imamura auch auf zu freizügige Szenen und außer ein paar nackten Rücken und einer scheinbar zufällig entblößten Brust bekommt man natürlich trotz sexueller Thematik nicht wirklich etwas zu sehen. Das der Film trotzdem wie eine Art Reportage daherkommt, wird wohl auf die damalige Art der behördlichen Zensur zurückzuführen sein.
Die Geschichte selbst ist eigentlich an sich schon etwas verwirrend und die Art und Weise der ungwöhnlichen Inszenierung ist einem besseren Verständnis auch nicht geradezuträglich. Der Zuseher wird relativ unvermittelt ins Geschehen geworden und die Tätigkeit von Ogata und dessen Konflikte und Entwicklungen innerhalb des Familienverbandes werden erst nach und nach in Rückblenden offengelegt. Aufgrund zahlreicher Charaktere und zusätzlicher Handlungsstränge kann man schon relativ leicht die Orientierung verlieren und wer dem Film nicht seine volle Aufmerksamkeit widmet, kann leicht ein wichtiges Detail übersehen.
Die Veröffentlichungen zu „The Pornographers“ waren bisher jedoch eher spärlich gesät und trotz der Adelung als VÖ in der namhaften und amerikanischen Criterion-Collection aus dem Jahre 2004 ist der Streifen hierzulande bisher nahezu unbekannt. Gerade acht Stimmen zählt der Streifen auf der OFDB und selbst auf der IMDB haben den Streifen erst knapp 800 Personen bewertet. Mit der schicken Scheibe aus dem Hause Eye See Movies sollte sich das jetzt eigentlich schleunigst ändern. Die bringen den Streifen im japanischen Orignal mit optionalen deutschen und polnischen (!) Untertiteln. Die Bild- und Tonqualität des schwarz-weißen Streifen ist durchaus gut und auch die Untertitel in grellgelb sind durchgängig gut zu lesen. Leider hat es jedoch keinerlei Bonusmaterial auf den Silberling geschafft, was leider doch etwas schade ist. Abgerundet wird das dennoch positive Gesamtbild mit einer äußerst hübschen Verpackung.
Und so bleibt unterm Strich eine für aufgeschlossene Filmfreunde empfehlenswerte Veröffentlichung eines Streifens, der seiner Zeit wohl um Jahre voraus war. David Lynch, Takashi Miike und Ulrich Seidl treffen in der Zeitmaschine auf den japanischen Schulmädchenreport. Und wer mit den vorangegangen vier Sachen etwas anfangen kann und sich auch von Untertiteln nicht abschrecken lässt, sollte sich die Scheibe tunlichst schnell besorgen. „The Pornographers“ ist kontroverses und abgründiges Kino der besten Sorte, dass den Zuschauer fordert und überrascht und trotz aller heftiger Momente und unbequemer Themen die Leichtigkeit einer Komödie nie aus den Augen verliert. So ein einzigartiger Streifen kann dann wohl auch nur aus dem asiatischen Raum kommen. Hut ab und 8 von 10 Punkten.
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jogiwan schrieb:
hast du das Bild bekommen und verwenden können?
Hi Jochen,
japp, ist angekommen - mache gerade noch ein Gewinnspiel Online und dann fange ich an mit dem Review Online stellen .
Danke nochmals!!!
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@ Jochen,
Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6613
Vielen Dank nochmals!!!
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