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Der dänische Regisseur Lars von Trier zählt unbestritten zu den polarisierendsten Regisseuren der Welt und fordert seit seinem Debütfilm „Element of Crime“ im Jahre 1984 Zuschauer und Kritiker mit seinen ungewöhnlichen Werken gleichermaßen. Egal ob er bizarre Vorgänge in einem Hospital als Serie verarbeitet („Geister“), die isländische Sängerin mit seinen strikten Regieanweisungen an den Rand des Nervenzusammenbruchs treibt („Dancer in the Dark“) oder Nicole Kidmann vor radikal reduzierter Kulisse („Dogville“) agieren lässt – die Aufmerksamkeit von Zuschauern und Kritiker, sowie zahllose Auszeichnungen sind dem 1956 geborenen Regisseur so gut wie sicher.

Um die Person von Trier hat sich über Jahre jedoch auch eine Art Mythos aufgebaut, welches zum Großteil aber auf das eigene Bestreben des Regisseurs zurückzuführen ist. So ist der als Kontrollfreak bekannte Lars von Trier angeblich stets sehr bemüht sein Bild in den Medien selbst zu bestimmen und kontrolliert soweit ihm möglich die Meldungen, die über ihn publiziert werden. Und egal, ob es sich um Depression, Burn-Out, Flugangst, bizarre Meldungen vom Dreh oder sonstige Dinge handelt, der Regisseur schafft es immer wieder, diese Meldungen mediengerecht zu vermarkten, eine Art Kunstfigur zu schaffen und gleichzeitig auch sehr wirksam seine Filme damit zu bewerben.

In dem Buch „Lars von Trier: Goldene Herzen, geschundene Körper“ versucht die 1974 geborene Autorin Antje Flemming nun in einer überarbeiteten und ergänzten Version ihrer Abschlussarbeit aus dem Jahre 2009 einen Blick hinter die Fassade des Regisseurs und hinterfragt dabei sein – unbestritten – etwas seltsames Frauenbild. Denn wie bei dem von mir ebenfalls sehr geschätzten Regisseurs Pedro Almodovar steht bei von Trier die Leidensfähigkeit der Frau im Mittelpunkt seiner streifen. Doch im Gegensatz zu den Werken des spanischen Ausnahmeregisseurs, in dem die weiblichen Protagonistinnen aus ihrem Schicksal Kraft schöpfen und sich mit anderen Frauen solidarisieren um gemeinsam dem Leid zu entrinnen, schaffen es die weiblichen Hauptdarstellerinnen in den Filmen des Dänen in den seltensten Fällen ihrem Schicksal zu entrinnen und der Tod der Frau bzw. das gesellschaftliche Abseits sind der dramatische Höhepunkt.

Doch Lars von Trier ist auch nicht Pedro Almodovar und auch wenn im Buch öfters ein Vergleich gezogen ist, so ist das imho doch so, als würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Und auch wenn Almodovar bei Antje Flemming wesentlich besser wegkommt, so darf man doch nicht vergessen, dass dieser mit seinem Streifen „Fessle mich“ auch im Kreuzfeuer der femininistischen Kritik gestanden hat und über die Jahre hinweg auch etwas ruhiger geworden ist, während hingegen Lars von Trier alles andere als gemäßigter sein Schaffen vorantreibt und mit „Antichrist“ erst vor kurzem seinen wohl kontroversesten Streifen geschaffen hat.


Im ersten und auch interessantesten Teil des Buches beleuchtet Flemming das Umfeld des Regisseurs und dessen 1992 gegründete Produktionsfirma „Zentropa“, die dem Regisseur aufgrund finanzieller Unabhängigkeit, auch die ein- oder anderen Eskapaden erst ermöglicht. Denn wo sich Berufskollegen mit Produzenten und Produktionsfirmen abärgern und um künstlicher Unabhängigkeit und ihre Werke kämpfen müssen, hat sich von Trier über die Jahre ein Umfeld geschaffen, dass ihm weitgehendst künstlerische Freiheit gewährt. Hier trifft dann auch des Bild des exzentrischen, introvertierten und intellektuellen Künstlers auf das des beinharten Geschäftsmannes, da trotz aller künstlerischen Eskapaden natürlich auch die Portokasse stets gefüllt sein sollte.

Danach versteigt sich Ante Flemming jedoch in seltsame Sphären und ich hab mir während des Lesens oftmals gewundert, wie anders die Geschichten und von mir aus auch Botschaften der Filme bei der werten Autorin angekommen ist. Anhand der weiblichen Figuren aus „Breaking the waves“, „Idioten“, „Dancer in the Dark“ und „Dogville“ wird der von Trier´sche Kosmos gehörig in die Mangel genommen und nach Frauenfeindlichkeit seziert.  Ärgerlich ist jedoch, dass Frau Flemming oftmals kritisiert, dass durch Bilder und Kommentare dem Zuschauer unbewusst eine bestimmte (misogynische) Botschaft aufoktroyiert wird, während sie mit ihren Texten eigentlich den gleichen Fehler begeht und den Leser ihre – meiner Meinung nach – doch etwas subjektive und vor allem weibliche Sichtweise des Ganzen aufzudrängen versucht. So wird (für mein Empfinden) ständig der Eindruck geschaffen, als würde Lars von Trier Gewalt oder gar Vergewaltigungen gegenüber Frauen gutheißen. Dass z.B. die physische und psychische Gewalt in „Dogville“ nicht nur von männlicher Seite erfolgt, wird dabei jedoch nahezu verschwiegen.

Und in der Art Selbstverliebtheit wie sie die „Kunstfigur“ Lars von Trier im Umgang mit Medien zelebriert, so geht auch Antje Flemming in ihrer Abhandlung „Goldene Herzen, geschundene Körper“ zu Werke. Frau Flemming ist ja auch seit vielen Jahren in im Kulturbereich tätig und ist derzeit neben einer Lehrtätigkeit an der Universität Hamburg mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Hamburger Literaturhauses beschäftigt. Und das sich Frau Flemming mit Film, Theater, religiöser Mythologie und jeglicher Art von Literatur gut auskennen mag, ist natürlich unbestritten wird aber auch auf fast jeder Seite des knapp 250 Seiten umfassenden Buches ausgiebig zelebriert, was beim Lesen des Buches auf Dauer doch etwas langatmig ausfällt.

Das Filme geschlechterspezifisch sehr unterschiedlich aufgenommen werden könne, ist ja keine neue Tatsache, allerdings ist mir das noch nie in einer derart krassen Form untergekommen, wie in dem Buch beschrieben. Teilweise hatte ich echt das Gefühl, als hätten die Autorin und ich komplett unterschiedliche Filme gesehen. Als homosexueller Atheist aus der Horror-Ecke bin ich aber auch vielleicht der komplette Gegenpol zur (feministischen) Autorin aus der Literaturecke und so mag es auch nicht verwundern, dass ich selten mit der Meinung von Antje Flemming konform gehe. Auf der ersten Seite des Buches wird jedoch angemerkt, dass es sich bei dem Publikum seiner Werke um „cineastisch vorgebildet, mit Toleranz für schwer verdauliche Inhalte und visuellen Spezereien“ handelt und dem ich offensichtlich im Gegensatz zur Autorin zutraue, sich seine eigene Meinung zu bilden und nicht unreflektiert die – unbestritten – tendenziöse Meinung des Regisseurs zu übernehmen.

Lars von Trier ist unbestritten kein einfacher Zeitgenosse und seine polarisierenden und verstörenden Filme Grundlagen für nächtelange Diskussionen, aber in der Art und Weise wie hier seine Werke mit einer akribischen Freude am noch so kleinsten Detail wie Gestik und Mimik auseinandergenommen werden, hat mir doch etwas sauer aufgestoßen. Frau Flemming schreibt auch selbst, dass Lars von Trier wohl aufgrund seiner radikalen Kompromisslosigkeit niemals auf die Rückendeckung einer sogenannten Fan-Gefolgschaft bauen konnte und so ist es natürlich ein Leichtes, seine Werke zu verteufeln. Und so hatte ich während des Lesens auch oftmals das Gefühl, dass der Unterschied zwischen den Werken des dänischen Regisseurs und der (feministischen) Wunsch- und Idealvorstellung der Autorin nicht größer sein könnten. Mir persönlich ist jedes kompromisslose, wüste und polarisierende Werk lieber, als glattgebügelte Gesellschafts-Utopien für die Gutmensch-Fraktion, deren Wertevorstellungen leider zunehmend an der Realität vorbeigehen.

Aber nun genug von der scheinbaren Unvereinbarkeit der Geschlechter geschrieben und wer so wie ich jemals in einem Großraumbüro mit Frauen zusammengearbeitet hat, weiß, dass es mit der Frauensolidarität ohnehin oftmals nicht so weit her ist. Aus der Sicht des Lesers muss ich feststellen, dass das Buch aus Fan-Perspektive eine eigentlich ärgerliche und auch unzufriedenstellende Sache geworden ist. Anstatt aus der interessanten Ausgangsposition eine interessante und vor allem objektive Abhandlung mit beiden Seiten der Medaille zu machen, verkommt „Lars von Trier – Goldene Herzen, geschundene Körper“ zu einer – meines Erachtens - doch sehr subjektiven und vor allem vollkommen negativen Abhandlung der Person Lars von Trier und seinen als  frauenfeindlich verteufelten Werken.  Und wenn im abschließenden Kapitel „Antichrist“ auch als „Tiefpunkt seines Schaffens“ bezeichnet wird, dann wird auch klar, dass die Positionen der Autorin und meiner Wenigkeit wohl unterschiedlicher nicht sein könnten.