project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Jahre nachdem die etwas schräge Kin (Hideko Takamine) von ihrem kleinen Bergdorf weggelaufen ist, um in Tokio eine große Karriere zu starten, erhält ihre Familie einen Brief. Kin, die sich nun Lily Carmen nennt, ist mittlerweile eine große Tänzerin und kündigt gemeinsam mit ihrer Freundin Maya (Toshiko Kobayashi) einen Besuch in dem idyllischen Dorf am Fuße des Asama-Berges an. Doch im Gegensatz zu ihrer Schwester Yuki (Yuko Mochizuki) ist deren Vater Sho (Takeshi Sakamoto) über diese Neuigkeit wenig erfreut, da der erzkonservative Landwirt seiner Tochter nie verziehen hat, dass diese eines Tages Hals über Kopf und ohne sich zu verabschieden das kleine Dorf verlassen hat. Er lehnt den Besuch ab und kann nur durch das ambitionierte Eingreifen des Rektors dazu überredet werden, seiner Tochter den Besuch zu gewähren.
Als Lily Carmen mit ihrer Freundin mit dem Zug ankommen, herrscht in dem Dorf helle Aufregung. Jeder der Bewohner will natürlich die exzentrischen und selbstbewussten Künstlerinnen sehen und bewundern. Lily Carmen genießt natürlich die Aufmerksamkeit der Bewohner, die ihrerseits auf derart freizügige Klamotten, Worte und Bewegungen auch gar nicht eingestellt sind und aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen. Wenig später trifft die selbstbewusste Tänzerin jedoch auf ihren mittlerweile erblindeten Ex-Lehrer und Komponisten Taguchi (Shuji Sano), der mit seiner Frau Mitsuko (Kuniko Ikawa) und seinem kleinen Sohn ein Leben in Armut fristet. Nach einer Kriegsverletzung hat er sein Augenlicht verloren und auch seine geliebte Orgel, auf der er patriotische Heimatlieder komponierte, musste er vor kurzem an den geldgierigen Firmenbesitzer Maruju zurückgeben.
Es dauert es aber nicht lange, bis Lily Carmen mit ihrer etwas tollpatschigen Freundin Maya auf einem Sportfest mit ihrer Freizügigkeit für den ersten kleineren Skandal sorgen und durch einen unglücklichen Zufall Taguchi vor allen Leuten brüskieren. Außerdem stellt sich heraus, dass die beiden selbsternannten Künstlerinnen in Wirklichkeit als erotische Revue-Tänzerinnen in einem Theater arbeiten, dass mit großer Kunst natürlich wenig zu tun hat. Carmens Vater ist schockiert und sieht sich von der eigenen Tochter zum Gespött der Leute gemacht. Als Carmen und Maya dann auch noch einen Deal mit Maruju schließen und den Dorfbewohnern eine Stripshow der Sonderklasse liefern wollen, ist es mit dem geruhsamen Leben im Dorf endgültig vorbei…
Die Reihe „Japanische Meisterregisseure“ aus dem Hause Polyfilm Video hat den geneigten Zuschauer ja mit einigen ungewöhnlichen Filmen aus dem Land der aufgehenden Sonne überrascht. Nach den provokanten und sehr politischen Filmen von Oshima Nagisa und den düsteren und abgründigen Werken von Nomura Yoshitaro steht mit „Carmen kehrt heim“ von Kinoshita Keisuke nun erstmals eine leichtfüßige Musical-Komödie am Programm, die seines Zeichen nicht nur der allererste japanische Farbfilm, sondern auch ein sensationeller Erfolg in seinem Heimatland war und einen Nachfolger namens „Carmens reine Liebe“ nach sich zog.
Die Geschichte klingt ja auf den ersten Blick auch ganz humorvoll und das Zusammentreffen zweier höchst unterschiedlichen Kulturen ist eigentlich auch ganz witzig geraten. Da sind auf der einen Seiten die Bewohner des Bergdorfes, die in der Nachkriegszeit mehr schlecht als Recht von der Landwirtschaft leben und auf der anderen Seite die freizügige und selbstbewusste Carmen, die als Stripperin zu Geld und kleinem Ruhm gekommen ist. Carmen hingegen sieht sich jedoch als große Unterhaltungskünstlerin und geht in der Rolle des bewunderten Stars in dem kleinen Dorf auch voll auf, während ihr Vater mit der überraschenden Rückkehr seiner Tochter im ersten Augenblick wenig Freude hat. Und als sich später herausstellt, welcher Tätigkeit seine Tochter in der fernen Großstadt tatsächlich nachkommt, wird der erzkonservative Bauer vor eine große Prüfung gestellt.
Die Geschichte von Carmen ist allerdings nur ein Teil der Geschichte, die auch noch mit dem Schicksal von anderen Dorfbewohnern, insbesondere Taguchi verknüpft ist. Dieser ist der ehemalige Lehrer der aufgeweckten Carmen und nach dem Einsatz im Krieg durch einen Unfall erblindet. Seine größte Freude ist das Komponieren von Heimatliedern, doch als er aufgrund der Armut seine geliebte Orgel zurückgeben muss, wird dem eigentlich wahren Künstler eine seiner letzten Freuden genommen. Seine gutherzige Frau Taguchi hält die Familie mit harter Arbeit über Wasser, doch um die Orgel zurückzubekommen, verdient sie einfach zu wenig. Und dreimal darf man natürlich raten, durch welches beherzte Eingreifen der vom Schicksal gebeutelte Mann schlussendlich seine geliebte Orgel zurückbekommt und so der Culture-Clash nach einiger Aufregung in einem versöhnlichen Ende gipfelt und Carmen schafft es ja tatsächlich am Ende ihres Kurztrips in ihr Heimatdorf trotz ihres eigentlich wenig dezenten Verhaltens doch noch die Sympathien der Dorfbewohner und auch den Respekt ihres Vaters zu erlangen.
„Carmen kehrt heim“ ist ja auch wirklich ein eher ungewöhnliches Filmchen, dass aber doch über einen gewissen Charme verfügt, dem ich mich trotz ausgeprägter Komödien- und Heimatfilm-Resistenz nicht gänzlich entziehen konnte. Sicherlich darf man sich in einem biederen und braven Werk aus dem Jahre 1951 keine Schenkelklopfer, kontroverse Themen oder dergleichen erwarten, der Film ist aber trotz einiger dramatischer Untertöne durchaus leichtfüßig geraten und ist dank hübscher Landschaftsaufnahmen und skurriler Musik- und Tanzeinlagen irgendwie auch durchgehend unterhaltsam ausgefallen ist. Allerdings fand ich die Geschichte – auch wenn das Drehbuch ausgezeichnet wurde – doch teils etwas verschenkt und auch das gebeutelte Verhältnis zwischen konservativen Vater und freizügiger Tochter hätte man wohl doch noch etwas besser ausarbeiten können.
Doch an einem Unterhaltungsfilm der mittlerweile doch fast 60 Jahre auf dem Buckel hat, darf man wohl auch gar keine allzu großen Erwartungen stellen. Regisseur Kinoshita Keisuke, dessen Werk in Japan auch sehr geschätzt wird, ist mit „Carmen kehrt heim“ ein etwas naives Musical-Märchen gelungen, das auch zweifelsfrei sehr auf das Japan der damaligen Zeit zugeschnitten ist. Hier trifft die Tradition unvermittelt auf die Moderne , moralische Wertvorstellungen und japanischer Stolz auf die damals noch zaghafte Versexualisierung unserer Gesellschaft. Und die universelle Aussage der ganzen Geschichte ist natürlich die Toleranz und Akzeptanz dem Andersartigen gegenüber, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht verstehen mag.
Es wäre natürlich leicht, den biederen Film jetzt nach Fehlern zu zerpflücken und auch verächtlich über die viel zu brave Geschichte herzuziehen, doch irgendwie fand ich den Streifen irgendwie wirklich sehr charmant und spaßig. Man darf ja auch nicht vergessen, dass etwas zur gleichen Zeit im deutschsprachigen Raum gerade Filme mit Paul Hörbiger und Hans Moser sehr populär waren, die sich heutzutage zwar jeder kennt, aber auch niemand mehr freiwillig anschauen würde. Und die bisher gesichteten Filme und natürlich wesentlich besseren Filme der Serie „Japanische Meisterregisseure“ sind auch alle 10 bis 20 Jahre jünger und bereits zu einer Zeit entstanden, in der die Zuschauer nach dem Ende des Krieges keine bunten und naiven Unterhaltungsfilme mit Happy-Peppi-Thematik mehr sehen wollte. „Carmen kehrt heim“ war aber auch als erster Farbfilm in der Geschichte der japanischen Kinokultur in seiner Heimat so erfolgreich, dass Regisseur Kinoshita in dem 1952 entstandenen Streifen „Carmens reine Liebe“ die Geschichte der sympathischen Tänzerin mit seiner Hauptdarstellerin Hideko Takamine abermals mit Erfolg weiterführte.
Die DVD aus dem Hause Polyfilm Video bringt diese antiquierte Perle der Unterhaltungsfilmindustrie aus dem Jahre 1951 in eigentlich guter Bildqualität, wobei es ab und an ein paar kleine Schönheitsfehler gibt, was wohl aber daran liegen wird, das die Technik des Farbfilmes damals noch in den Kinderschuhen steckte. Da der Film bisher im deutschsprachigen Raum weder bekannt, noch erhältlich war, gibt es wie bereits bei den vorhergegangen Teilen die japanische Originalversion mit optionalen deutschen Untertiteln und als Bonus gibt es neben der hübschen Verpackung ohne FSK-Logo und dem ausführlichen und bereits bekannten Booklet noch ein paar Trailer.
„Carmen kehrt heim“ ist nach den eher düsteren Werken der vorangegangen Teile ein poppig-bunter Ausflug in den Musical-Komödienhimmel und erzählt in schönen Bildern eine herrlich biedere Familiengeschichte, die jedoch für interessierte Fans neben einer Bestandsaufnahme der Nachkriegsgeneration zwischen Tradition und Aufbruch auch einen kurzweiligen Einblick in die naiven Arbeiten der beginnenden Unterhaltungsfilm-Industrie gibt, die mit ihren braven Geschichten mit Happy-Ends die Massen in die Kinos lockte. Und so erschließt sich dem geneigten Zuschauer mit „Carmen kehrt heim“ auch eine weitere und wichtige Facette des japanischen Kinos der 50er bis 70er-Jahre, das von undergroundigen Werken über provokante Politfilme bis hin zu Komödien wohl noch eine Vielzahl von Überraschungen zu bieten hat. Auf den Nachfolger "Carmens reine Liebe" bin ich ebenfalls schon sehr gespannt: 6,5 von 10 Punkten
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@ Jochen,
Danke fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6544
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