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Der junge Yu (Takashiro Nishijima) hat es nicht einfach. Aufgewachsen in einer tiefgläubigen Familie hat er schon sehr früh seine Mutter (Mami Nakamura) verloren. Sein Vater Tetsu (Atsuro Watabe) ist daraufhin Priester geworden und kümmert sich lieber um verlorene Schäfchen, als um seinen eigenen Sohn. Der sitzt zwar brav in jeder seiner Messen und lauscht gespannt den Predigen, wäre aber seinem Vater lieber näher, als nur in der Kirche. Als eines Tages die aufdringliche Kaori (Makiko Watanabe) vor den Toren der Kirche steht und seinen Vater bedrängt, ist dieser mit der Situation so überfordert, dass er gemeinsam mit Yu aus dem Pfarrhaus in eine etwas entferntere Wohnung zieht, um mit ihr gemeinsam zu wohnen.
Doch schon wenige Wochen später ist Kaori wieder verschwunden und der Vater Tetsu depressiv. Seine einst so humorvollen Predigen werden düster und er zwingt seinen Sohn zur täglichen Beichte. Doch Yu ist eigentlich ein guter Mensch und hat keine Sünde, für die er um Vergebung bitten könnte. Daraufhin wird sein Vater sauer und schimpft seinen Sohn als verantwortungslos. Daraufhin erfindet Yu einfach irgendwelche bösen Taten. Doch Tetsu durchschaut seinen Sohn und wird wütend. Yu schließt sich daraufhin einer Gang an und beschließt fortan böse Taten zu vollbringen, um täglich bei seinem Vater zu beichten. Der ist auch zufrieden und erteilt brav seine tägliche Absolution.
Yu bemerkt, dass vor allem sexuelle Dinge seinen Vater provozieren und verärgern und so wird er kurzerhand ein sogenannter „Upskirt-Fotograf“, der in Alltagsszenen jungen Mädchen unter dem Rock fotografiert. Dabei ist er so gut, dass seine Kunst nicht lange unentdeckt bleibt. Seinen Vater hingegen provoziert er so sehr, dass dieser seinen Sohn ohrfeigt und schlussendlich verlässt. Auch Yu´s Leben nimmt eine Wende, als dieser nach einer verlorenen Wette mit seinen Freunden in einem Sasori-Kostüm durch die Stadt spazieren muss und dabei auf seine große Liebe Yoko (Hikari Mtsushima) trifft, die ihn jedoch aufgrund seiner Verkleidung für eine Frau hält.
Und während sich Yoko aufgrund ihres Männerhasses in die vermeintliche Frau verliebt, versucht Yu alles Mögliche um die Aufmerksamkeit der jungen Frau zu erlangen. Das geht auch rascher als er denkt, da Yoko mit Kaori zusammenlebt, die wiederum reumütig vor Tetsus Türe steht. Yoko ist jedoch von ihrem neuem Bruder mit seinem seltsamen Hobby alles andere als angetan. Zu diesem Zeitpunkt wissen aber beide noch nicht, dass sie ins Blickfeld von Koike (Sakura Ando), einer durchtriebenen Anwerberin der sogenannten Zero-Church, einer gefährlichen Sekte geraten sind, die schon kurze Zeit später perfide Spielchen mit allen Beteiligten spielt. Koike schleust sich in Yu´s Familie ein und stellt ihn kurze Zeit in der Schule als perversen Fotografen bloß. Als er daraufhin die Schule verlassen muss und die Familie auseinanderzubrechen droht, flüchtet Yu, während seine Familie immer tiefer in die Machenschaften der Sekte gerät. Um seine große Liebe und Familie zu retten ist Yu jedoch zu allem bereit und schon wenig später kommt es zur ersten Konfrontation zwischen dem jungen Mann und der teuflischen Sekte…
Dass japanische Filme nicht unbedingt den europäischen Sehgewohnheiten entsprechen ist ja eigentlich nichts Neues. Doch die Aufmerksamkeit, die Regisseur Sion Sono („Suicide Circle“) mit seinem Vier-Stunden-Opus „Love Exposure“ dem Zuschauer abverlangt, wirkt doch schon etwas übertrieben. In dem 2008 gedrehten Stoff wird der Zuschauer permanent in seiner Erwartungshaltung enttäuscht, dass man angesichts der langen Laufzeit wohl wirklich nicht mehr erahnen kann, welche absurde Idee des Regisseurs denn als nächsten Folgen wird. Und so pendelt der Film auch ständig zwischen doch sehr gegensätzlichen Polen wie Teenie-Klamotte, sogenannten „Pink-Movies“ und Familien-Drama und Sekten-Thriller hin und her. Trotzdem ist „Love Exposure“ im Großen und Ganzen doch über die gesamte Laufzeit einigermaßen stimmig geraten und wird den Freund von außergewöhnlichen Filmvergnügen nicht enttäuschen.
Zugegeben, der Auftakt ist auch mehr als stimmig und die Geschichte von Yu ist in der ersten Halbzeit wirklich sehr humorvoll ausgefallen. Sein Weg vom braven Musterschüler hin zum gerissenen Upskirt-Fotografen mit ungewöhnlichen Mitteln um zu einem tollen Endprodukt zu kommen ist zum Schreien komisch. Als er dann im Sasori-Kostüm (ich liebe ja die gleichnahmigen Filme) auf seine große Liebe Yoko trifft und zum ersten Mal in seinem Leben eine Erektion bekommt, ist das wirklich ein grandioser Moment, der wohl nur in einem japanischen Film funktionieren kann. In diesen zwei Stunden erinnert der Film auch stark an den empfehlenswerten „my sassy girl“, der ebenfalls viel Sitzfleisch vom Zuschauer erfordert.
Doch danach werden die komödiantischen Elemente komplett zurückgeschraubt und der Film wird zunehmend dramatischer, blutiger und leider auch langweiliger. Denn natürlich gelingt es Yu und widrigsten Umständen und mit allerlei Aufwand seine große Liebe aus den Fängen der Sekte zu befreien, doch Yoko und der Rest der Familie ist natürlich zwischenzeitlich einer Gehirnwäsche unterzogen worden und es kostet Yu fast seinen eigenen Verstand und dem Zuschauer viel Durchhaltevermögen, bevor dann nach 237 Minuten „The End“ über den Bildschirm flackert. Welche Richtungen die komplexe Geschichte noch alles so einschlägt und wie die Geschichte schlussendlich ausgeht, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten.
Nun aber zu den negativen Dingen. Ich mag es persönlich ja nicht so gerne, wenn innerhalb eines Filmes dutzende Genres abgegrast werden und zumindest ich hatte das Gefühl, dass bei „Love Exposure“ einfach zu viele Elemente hineingepackt wurden, auf die man in Hinblick einer flüssigeren Erzählweise auch ruhig hätte verzichten können. Während der Zuschauer in den ersten beiden Stunden förmlich mit Information erschlagen wird, gibt es in der zweiten Halbzeit jedoch viele Szenen wie z.B. am Strand, die sich imho einfach zu sehr ziehen. Das Tempo des Filmes ist zuerst sehr hoch und wird dann jedoch zunehmend gedrosselt, bis es am Ende vollends zu stocken droht. Vielleicht hab ich dass aber auch nur bei meiner Sichtung so empfunden. Es hat aber schon driftige Gründe, warum ein durchschnittlicher Film nur 90 Minuten dauert und nicht 237. „Love Exposure“ ist in seiner Gesamtlänge am Stück schon eine Herausforderung für den aufgeschlossenen Zuschauer – alle anderen werden den wohl ohnehin nicht am Stück gucken.
Die Geschichte über den braven Jungen mit seiner asexuellen Ausstrahlung, der Höschen von japanischen Schulmädchen fotografiert um bei seinem tiefreligiösen Vater Aufmerksamkeit zu erlangen, seine große Liebe und den Zugang zur eigenen Sexualität findet und schlussendlich in die Fänge einer dubiosen Sekte gerät, sieht man ja nicht alle Tage. Mein erster persönlicher Wehrmutstropfen ist aber schon das übertrieben Sakrale in „Love Exposure“. Das der Glauben an Jesus Christus und Konsorten von Regisseur Sono so in den Vordergrund gestellt wird, ist in einem Land, in dem gerade einmal 1 % der Gesamtbevölkerung Christen sind, doch etwas ungewöhnlich. Allerdings ging es Regisseur Sono auch laut eigenen Aussagen weniger um den Glauben an sich, als um die Figur des leidensfähigen Jesus der sich für die Menschheit aufgeopfert haben soll. Und so nimmt auch Hauptdarsteller Yu jede Menge Leiden und Torturen auf sich um seine Liebe zu schützen und opfert sich am Ende für Yoko und seine Familie förmlich auf.
Im gleichen Atemzug werden aber neben religiösen auch die sexuellen Gefühle der japanischen Gesellschaft auf humorvolle Weise portraitiert. Das mit den Höschen-Fotografien, Bukakke und das Märchen vom Dauerständer bzw. unendlicher Manneskraft sind ja schon eher Japan-spezifische Sonderheiten der Erotik-Branche, die hierzulande wohl eher nur Kopfschütteln und Schmunzeln auslösen. Warum die Japaner beim Anblick von getragenen Unterhosen so abgehen und sich diese getragenen Schlüpfer (wie man immer wieder hört) sogar aus dem Automaten drücken, ist ja zumindest für mich ein Rätsel. Aber andere Länder – andere Sitten und wenn es keine Unterschiede gäbe, wäre es ja eigentlich langweilig. Warum diese dann allerdings vom Regisseur dann doch alle als Freaks dargestellt werden müssen, kann ich jetzt nicht nachvollziehen.
Aber zurück zum Film: dieser wurde trotz seiner immensen Laufzeit binnen 3 Wochen mit relativ vielen Nachwuchsstars gedreht, die ihre Sache auch allesamt recht gut machen. Overacting ist man ja aus dieser Ecke ohnehin gewohnt und fällt auch bei „Love Exposure“ nicht sonderlich aus der Reihe. Die Szenen wirken teils improvisiert, was jedoch laut Aussage des Regisseurs nicht der Fall ist. Auch die langen Dialogszenen sind streng nach Drehbuch realisiert und wurden vom Regisseur einfach so oft wiederholt, bis die Darsteller ihren Text ganz natürlich aufsagen und vollkommen in der Rolle aufgegangen sind. Für den Regisseur war es wichtig, dass die Zuschauer den Film mögen, wobei ein Happy-End natürlich bis zum Schluss fraglich bleibt. Im direkten Vergleich zu "Suicide Circle" ist die Story aber überraschend zugänglich.
Wie es sich aber für ein außergewöhnliches Werk aus der Asia-Ecke gehört, haben sich die Leute von REM die Recht an diesem Opus gesichert und bringen „Love Exposure“ auch in einer schönen Edition unter die Leute. Den Film gibt es aufgeteilt auf zwei Scheiben im japanischen Original mit optionalen Untertiteln. Die sind aber gut zu lesen und bieten keinen Anlass zur Kritik. Nebenher gibt es mit einer Dokumentation, Trailer und sogar noch - man glaubt es kaum - „Deleted Scenes“. Abgerundet wird das positive Gesamtbild mit einer hübschen Verpackung und einem ausführlichen Booklet mit einem Text von Rüdiger Suchsland und einem Interview mit Regisseur und Drehbuchautor Sion Sono.
Unterm Stich ist „Love Exposure“ nicht nur in Hinblick auf die Laufzeit ein zweifelsfrei ungewöhnliches Werk, das mich jedoch nach einer starken, ersten Halbzeit nicht vollends überzeugt hat. Die teils frenetischen Lobeshymnen im Internet kann ich jedenfalls nach meiner Sichtung nicht ganz nachvollziehen. Der Film steckt zu Beginn voller interessanter, humorvoller und durchdachten Ideen, vergeht sich aber gegen Ende zu sehr in übertriebenen Psychokram. Mir persönlich gefällt auch die Mixtur aus zu unterschiedlichen Genres nicht so besonders und auch wenn andere Leute von einem kurzweiligen Gesamt-Erlebnis sprechen, so hat sich zumindest bei mir ab Stunde 2,5 doch etwas Langeweile eingestellt. Wer an Humor, Drama, Unterhöschen und Blutfontänen bzw. überdrehten Filme wie „I´m a Cyborg, but that´s OK“ oder auch „My sassy Girl“ Gefallen gefunden hat, kann bei „Love Exposure“ eigentlich auch bedenkenlos zugreifen. Mir persönlich war der Streifen dann doch zu lange, zu unentschlossen und bietet in der zweiten Halbzeit auch zu viel Laber und zu wenig an Tempo. Aber da der Film in seiner ursprünglichen Form eigentlich nochmal zwei Stunden hätte länger dauern sollen, haben wir ja noch einmal Glück gehabt. Erste Halbzeit 8/10, zweite Halbzeit 4/10 ergibt gesamt: 6/10 Punkten.
Beitrag geändert von jogiwan (14.February 2010 13:44:25)
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@ Jochen,
sodele, nun ist auch dieses Review Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=6190
Vielen Dank nochmals!!!
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