project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der junge Pierre (Louis Garrel) liebt seine Mutter Helene (Isabelle Huppert) abgöttisch, während er seinen Vater überhaupt nicht leiden kann. Und so wächst Pierre in der Obhut seiner Großmutter in Frankreich heran, während seine Eltern in Cran Canaria ihre Zelte aufgeschlagen haben. Als Pierre eines Tages seine Eltern besucht ist das Verhältnis von Beginn an sehr gespannt. Seiner Mutter scheint es nicht besonders gut zu gehen und Pierre macht seinen Vater allein dafür verantwortlich. Als dieser kurze Zeit darauf bei einem Unfall verstirbt ist weder Pierre noch Helene sonderlich über das Ableben betrübt. Helene hat ihren Mann ohnehin nie geliebt und offenbart ihrem Sohn nach dessen Tod nun völlig neue Charakterzüge.
Pierres Mutter ist ein triebhaftes Wesen, dass gemeinsam mit ihrer Gespielin Réa (Joana Preiss) loszieht um Männer und Frauen im örtlichen Yumbo-Center gleichermaßen zu verführen. Die beiden haben Sex mit wahllosen Männern und geben sich einem exzessivem Lebenswandel hin. Sie lässt Réa den Jungen verführen, während sie aus der Ferne dessen Entjungferung in einer Fußgängerzone beobachtet. Pierre ist fasziniert und angeekelt zugleich und lässt sich doch von seiner geliebten Mutter immer mehr in ihren perversen Lebenswandel voller tabuloser Sexspiele einweihen.
Doch eigentlich interessiert sich Helene nicht sonderlich für ihr Rolle als Mutter und eines Tages lässt sie Pierre alleine auf der Insel zurück um mit Réa weiter ihren persönlichen Kampf gegen spießbürgerliche Moralvorstellungen zu bestreiten. Während Pierre jedoch nur an seine Mutter denken kann, sucht er Trost in den Armen der jungen Animateurin Hansi (Emma de Caunes). Diese ist ebenfalls eine Bekannte aus dem Umfeld seiner Mutter und hat mit ihr gemeinsam an Sado-Maso-Spielen teilgenommen. Immer mehr versucht der religiöse Pierre seine Mutter und ihre Motive zu verstehen und lässt sich auf weiter auf ihre Spiele ein. Doch Helene ist zwischenzeitlich gelangweilt von ihrem Lebenswandel und immergleichen Sexualkontakten und kehrt nach Cran Canaria zurück um dort die ultimative Sünde zu begehen...
Es war einmal im Jahre 2001, als der deutsch-österreichische Regisseur Michael Haneke einen Film über eine Klavierspielerin drehte, die sich in ständiger Auseinandersetzung mit ihrer dominanten Mutter und ihrer eigenen Sexualität befand. Isabelle Huppert zeigte in der autobiografisch angefärbten Buchverfilmung der Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek Mut zur Hässlichkeit und Leidensfähigkeit und die kalten und grausamen Bilder, in denen die Geschichte dieser masochistischen Frau erzählt wurde, lockte seinerzeit Millionen Besucher in die Kinos. In Cannes wurde der Streifen mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnet und die Darsteller, sowie auch der Regisseur wurden mehrfach für ihre Leistungen ausgezeichnet. Sowieso und überhaupt konnten sich trotz unschöner Thematik sowohl Kritiker als auch Zuschauer auf diesen kontroversen und nicht einfachen Film einigen.
Und was einmal gut funktioniert, wird wohl auch zweites Mal nicht daneben gehen. So oder so ähnlich müssen wohl die Gedankengänge des 1970 geborenen Regisseurs Christophe Honoré gewesen sein, als er sich an die Verfilmung des Skandalromans von George Bataille machte. Die Thematik mindestens ähnlich kontrovers, die Hauptdarstellerin dieselbe. Dann auch noch weitere unverbrauchte Gesichter mit Mut zur Freizügigkeit, eine Inszenierung, die durchaus an die Werke von Michael Haneke erinnert und auch noch jede Menge Szenen, die sich in das Gedächtnis des Zuschauers brennen. Doch wie so oft, geht zuviel Planung daneben und auch „Ma Meré“ ist eigentlich nur teilweise gelungen.
„Ma Mere“ möchte natürlich der große Arthouse-Schocker sein, ein Film der seine Zuseher verstört, polarisiert und natürlich dementsprechende Reaktionen provoziert. Und ich hab auch selten einen Film gesehen, dem so groß „SKANDAL“ auf der Stirn geschrieben steht. Die Geschichte über eine Gruppe von Menschen, die ohne Rücksicht auf Moral oder sonstige Konventionen Geschlechtsverkehr und perverse Spiele untereinander bzw. mit anderen Menschen betreiben ist sicherlich schon mal nicht die Norm. Und dann kommt natürlich auch noch eine inzestuöse Komponente dazu, die Moralapostel auf die Barrikaden treibt. Doch wie so oft geht ein geplanter Skandal nicht auf und auch „Ma Mere“ ist auf Dauer nicht sonderlich schockierend sondern für den aufgeschlossenen Zuschauer eher etwas schnarchig.
Der größte Schwachpunkt von „Ma Mere“ ist meiner Meinung nach die Geschichte. Das Verhalten vom Sohn ist für mich schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar. Dabei meine ich eigentlich weniger die Tatsache, sich in die eigene Mutter zu verlieben. Aber auf pornografisches Material zu urinieren (explizit) oder sich in aller Öffentlichkeit den Hintern lecken zu lassen (weniger explizit) und dann immer wieder in den ungewöhnlichsten Situationen selbst Hand an sich zu legen, ist nun mal kein typisches Teenagerverhalten. Genauso wenig, wie sich in Obhut der eigenen Mutter in eine Affären zu stürzen, homoerotischen Flirts nachzugehen und an Gruppensex- und Sadomaso-Spielchen teilzunehmen. Ist halt alles ein bisschen viel auf einmal, was Herr Honoré auf den Zuschauer loslässt.
Auch die Rolle der Mutter ist schlicht und ergreifend viel zu überzeichnet, als das man ihr Verhalten verstehen könnte. Dass sie sich selbst als „Hure“ und „Schlampe“ bezeichnet muss wohl als Rechtfertigung für ihr seltsames Verhalten gelten. Irgendwie scheint sie den Kampf gegen bürgerliche Moralvorstellungen aufgenommen zu haben und tut daraufhin alles, was diese als pervers und abnormal bezeichnen würde. Und es gelingt ihr offensichtlich auch mit eisiger Kälte und stoischen Gesichtsausdruck mühelos immer wieder neue Partner und Opfer zu finden, die sich dann auf Psychospielchen einlassen, bei denen es keine Gewinner geben kann. Und besonders hat sie es offensichtlich auf ihren eigenen Sohn abgesehen, dessen Liebe sie eigentlich nie erwidert hat.
Die Geschichte ist dabei recht episodenhaft inszeniert und auch nicht immer leicht verständlich. Warum manche Menschen mitunter sehr seltsam reagieren und sich auf bestimmte Dinge einlassen muss man als Zuschauer halt einfach so akzeptieren. Jedenfalls wirkt die Story alles andere als rund und auch das Ende hat mich persönlich nicht überzeugt. Dramatische Szenen der endgültigen Trennung mit dem Song „happy togehter“ der Gruppe „the Turtles“ zu verknüpfen ist mittlerweile auch schon abgedroschen und der Schlusspunkt diversester Unstimmigkeiten in der Inszenierung. Jedenfalls hatte ich das Gefühl, alles schon mal in besserer Umsetzung gesehen zu haben. Eine tiefergehende Aussage abseits von „die Menschen sind schlecht“ hab ich auch keine feststellen können. Ähnlichkeiten zu den Filmen von Michael Haneke, Lars von Trier oder auch Ulrich Seidl sind zwar optisch und besetzungstechnisch gegeben, inhaltlich spielen diese jedoch in einer vollkommen anderen Liga.
Die Darsteller machen ihre Sache hingegen eigentlich ganz gut, sind allerdings gegen das miese Drehbuch und die holprige Geschichte auch nahezu machtlos. Isabelle Huppert ist wieder einmal extrem unterkühlt und ihr zuzusehen ist wie immer eine Wucht. Die Schauspielerin könnte wirklich jede noch so strange Rolle spielen und wäre trotzdem immer noch grandios. Die Rolle der Helene erinnert sicherlich an die der Erika Kohout in „die Klavierspielerin“, wenn auch weniger verhärmt. Louis Garrel und auch die anderen Darsteller sind allesamt okay, allerdings halt auf Dauer zu unglaubwürdig um in irgendeiner Art und Weise zu fesseln.
Die Freigabe ab 18 ist sicherlich gerechtfertigt, aber einen aufgeschlossenen Menschen mit entsprechender Film-Vorerfahrung wird „Ma Mere“ nicht sonderlich schockieren können. Auch die im Vorfeld angekündigte Inzest-Thematik kommt auch gar nicht so heraus. Für mein Empfinden bleibt die Liebe zwischen Mutter und Sohn ja auch einseitig bzw. aus unterschiedlichen Beweggründen. Die prüden Amerikaner werden das zwar sicher anders sehen, aber bei uns kann so was dann auch schon mal auf „Arte“ laufen, ohne das sich sonderlich wer aufregt. Pornografische Inhalte sind ja mittlerweile ohnehin in der Literatur, sowie im anspruchsvollen Film nahezu Standard und locken niemanden hinterm Ofen hervor.
CMV-Laservision bringt diesen kontroversen Streifen aus dem Jahre 2004 in deutscher Erstveröffentlichung. Neben der französischen Originalversion gibt es auch eine deutsche Synchronisation und optionale Untertitel. Die Bildqualität geht so wie der Ton vollkommen okay und neben Original-Trailer, entfallenen Szenen gibt es auch ein alternatives Ende und die obligatorische Bildergalerie. Die DVD bietet also im Gegensatz zum Film wenig Kritikpunkte. Denn unter dem Strich wäre bei dem Streifen weniger sicherlich mehr gewesen. Denn hinter den plakativen Schockeffekte verbirgt sich leider eine mäßige Geschichte, die eigentlich nicht meinen Geschmack getroffen hat. Da kann auch Cran Canaria, das weltweite Zentrum für schwulen Sextourismus als Drehort nichts mehr retten. „Ma Mere“ ist ein Drama mit viel Sex und Perversion und einer Prise Inzest, das gerne aufregen und schockieren möchte, aber im Grunde aufgrund seiner mangelnden Aussage doch nur ermüdend ausgefallen ist. Mir hat sich der tiefere Sinn des Films jedenfalls nicht erschlossen und das der Regisseur es offensichtlich bewusst auf Skandale angelegt hat und das Ganze immer wieder in religiöse Thematiken abdriftet, macht den Streifen auch nicht sympathischer. So vergebe ich an dieser Stelle subjektive 5 von 10 Punkten. Das an andere Stelle die Reaktionen wesentlich drastischer ausfallen, ist allerdings auch wenig verwunderlich. Für Fans!
Beitrag geändert von jogiwan (02.July 2009 08:29:43)
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@ Jochen,
Danke fürs Review - ist nun auch schon Online: http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=5384
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