project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
Sie sind nicht angemeldet.
Pauline (Sally Hawkins) ist 30, Grundschullehrerin und wird von allen Poppy genannt. Durch ihre herzliche und humorvolle Art ist sie bei ihren Schüler genauso beliebt wie bei ihren Kollegen, Freundinnen und ihrer eher ruhigen Mitbewohnerin Zoe (Alexis Zegerman). Und weil ihre gute Laune sowieso kein Wässerchen trüben kann, trägt sie ihren Frohsinn und ihre optimistische Lebenseinstellung auch offen in die Welt hinaus. Doch dort sind aber manche nicht auf die Hardcore-Frohnatur vorbereitet und Poppy wird teilweise für naiv, schlicht oder geisteskrank gehalten. Doch von dieser Tatsache lässt sich die zierliche Lehrerin erst recht nicht beeindrucken und lebt weiter munter und fröhlich in den Tag hinein.
Als Poppy eines Tages auf einem Markt in Camden das Fahrrad gestohlen wird, beschließt die 30jährige spontan, den Führerschein zu machen. Zu diesem Zweck nimmt sie Fahrstunden bei Scott (Eddie Marsan). Der ist so ungefähr der absolute Gegenpol zu der fröhlichen Poppy. Unfreundlich, zornig, pessimistisch und aggressiv auf Gott und die Welt. Und so dauert es nicht lange, bis die quirlige Quasselstrippe und der miesepetrige Fahrlehrer ordentlich aneinander geraten. Scott hält Poppy für verantwortungslos und nervig und lässt seinen Frust an der Welt bei ihr aus. Doch Poppy lässt sich natürlich nicht so leicht aus der Bahn werfen und versucht auch dem hoffnungslosen Fall ihre Freude am Leben zu vermitteln. Doch das sind nicht die einzigen Probleme, die sich der quirligen Grundschullehrerin in den Weg stellen, doch auch jede noch so schlimme Sache wird einfach weggelächelt.
„Happy-go-lucky wird ja allgemein als absolute Feel-Good-Komödie angepriesen, in der die preisgekrönte Sally Hawkins eine hoffnungslose Optimistin darstellt, die man einfach in sein Herz schließen muss. Und ich habe mich im Vorfeld eigentlich auch schon sehr auf diesen Film gefreut, da es Filme mit positiver Tendenz für uns Optimisten ja ohnehin viel zu selten in unserer düstern, kapitalisierten und brutalen Welt gibt. Leider jedoch hält Mike Leighs Werk jedoch nicht das, was manche im Vorfeld erwartet hätten. Und auch mich hat „Happy go lucky“ aus mehreren Gründen leider nicht wirklich begeistern können. Denn neben tollen Szenen hat der Film des 66jährigen Regisseurs leider ein paar sehr seltsame Momente und fragwürdige Untertöne.
Natürlich soll jeder die humorvolle und quietschbunte Poppy sofort sympathisch finden und sich von ihrer unbändigen Lebensfreude anstecken lassen. Doch ehrlich gesagt fand ich den Charakter der ewig lächelnden Poppy, die sich ständig um Kopf und Kragen quasselt doch auf Dauer etwas nervig. Und bis man erfährt, dass sie auch durchaus verantwortungsvoll ihrem Job nachgeht und sie doch nicht so einfach gestrickt ist, wie man vielleicht annehmen könnte, ist schon viel zu viel Zeit vergangen. Und anstatt sich auf einige Dinge zu konzentrieren ist der Film imho viel zu episodenhaft geworden. Poppy geht in den Buchladen, Poppy lernt Flamenco, Poppy verletzt sich beim Trampolinspringen, Poppy nimmt Fahrstunden, Poppy hat eine spießige Schwester, Poppy kümmert sich um ein gewalttätiges Kind, Poppy verliebt sich, Poppy trifft einen Obdachlosen Poppy lässt sich nicht unterkriegen: eigentlich hätten die zahlreichen Handlungsstränge die lose aufgegriffen und wieder fallen gelassen werden ja für eine komplette Serie gereicht und es würde mich nicht wundern, wenn daraus auch eine ebensolche entstehen würde. Für einen Film ist das aber definitiv zu viel und mit fast zwei Stunden Laufzeit ist „happy go lucky“ auch zu lange geraten.
Herzstück des Filmes ist aber die Konfrontation mit dem Fahrlehrer. Hier prallen wirklich zwei unterschiedlichste Welten aufeinander, die auch so gar nicht miteinander können. Und hier hätte die Geschichte auch wirklich Potential gehabt, hätte man sich nicht dafür entschieden, die Geschichte gegen Ende in eine sehr merkwürdige Richtung zu lenken, die auch nicht so recht zu dem Feelgood-Part der restlichen Story passt. Genauso die seltsame Begegnung mit dem Obdachlosen und die etwas sehr einfach gestrickte Lovestory. Die ist nämlich ebenso wie die gesamte Inszenierung und auch der unpassende orchestrale Soundtrack für eine schwungvolle Komödie über das ganz normale Leben viel zu bieder ausgefallen.
Aber ich möchte „Happy-go-lucky“ an dieser Stelle natürlich nicht komplett schlecht reden, da der Film auch seine guten Momente hat und auch für ein paar herzerwärmende Momente sorgt. Doch insgesamt war mir das für ein Feelgood-Movie einfach zu wenig. Da kann dann auch die zu Recht preisgekrönte Darstellung von Sally Hawkins nicht darüber hinweg täuschen, dass da schon noch wesentlich mehr drinnen gewesen wäre ohne gleich in amerikanische Holzhammer-Humor-Verhältnisse abzudriften. Vergleichbare europäische Werke wie die eines Pedro Almodovars sind nicht nur wesentlich vielschichtiger, sondern gefallen mir da um Welten besser. Der behandelt dann auch Themen wie Gewalt an Frauen und Stalking so, dass man sich als Zuschauer nicht genieren muss. An die Qualitäten eines Filmes wie „Die fabelhafte Welt der Amelie“, dem wohl bekanntesten Werk dieses Genres reicht „happy-go-lucky“ dann nicht einmal annähernd heran. Aber natürlich wird jeder „Happy-go-lucky“ anders empfinden und auch in meinem Bekanntenkreis gibt es viele, die Mike Leighs Film absolut grandios finden. Natürlich wird der Film beim weiblichen Publikum auch sicher auf wesentlich mehr Gegenliebe stoßen, als beim männlichen. Denn das Zurecht-Lächeln des Lebens inklusive aller auftretenden Probleme ist ja auch eher eine weibliche Gabe, die zwar bei der Umwelt meist gut ankommt, bei manchen jedoch irgendwann im Burnout endet. Und ehrlich gesagt sind selbst mir als bekennender Optimist dauerfröhliche Menschen mehr als suspekt.
Die DVD aus dem Hause Universum bringt diesen Film natürlich in sehr guter Bild- und Tonqualität an der es auch nicht zu meckern gibt. Neben der Originalfassung in Englisch und einer gelungenen deutscher Synchronisation gibt es auch eine Hör-Fassung für sehbehinderte Menschen. Ich persönlich empfehle natürlich die englische Originalfassung, die man sich auch mit englischen und deutschen Untertiteln anschauen kann. Denn in der englischen Fassung kommt der Wortwitz und die Dialoge wohl am besten zur Geltung. Neben zahlreichen Trailern und TV-Spots gibt es für den geneigten Fan auch noch einen Blick hinter die Kulissen, zahlreiche Interviews in den Darstellern, sowie eine halbstündige Doku über die Charaktere des Films und dessen Entwicklung.
Unterm Strich hat Mike Leigh mit „Happy-go-lucky“ eine Komödie geschaffen, auf dich ich mich zwar sehr gefreut habe, die mich leider letztendlich nicht wirklich begeistern könnte. Der Charakter der end-optimisitischen Grundschullehrerin mit ihrem Dauerlächeln, permanenten Geschnatter und ihren lebensbejahenden Klamotten ist einfach zu nervig ausgefallen und das Ende hat mir auch nicht wirklich gefallen. Wenn „das Chaos des ganz normalen Lebens“ portraitiert wird, dann lauert halt immer die Gefahr, dass man sich zu sehr in unspektakuläre Nebensächlichkeiten verzettelt und genau das passiert Mike Leigh für meine Verhältnisse einfach viel zu oft. Ein viel zu braver Film mit einem viel zu braven Soundtrack über eine Frau, die versucht, die Erde ein bisschen liebenswerter zu machen und auf ihrem Weg dahin einfach alles in Grund und Boden bzw. zur Kapitulation quasselt. Natürlich ist das auch eine Möglichkeit, aber ich war froh, dass nach 114 viel zu lang empfundenen Minuten dann endlich mal Ruhe war. Daher an dieser Stelle trotz grandioser Sally Hawkins auch nur enttäuschte 5 von 10 Punkten.
Beitrag geändert von jogiwan (14.February 2009 16:18:08)
Offline
@ Jochen,
Danke für das Review und sorry, dass es noch nicht Online ist. Habe übers Wochenende einen Teil der Wohnung neu gestrichen, umgeräumt etc. und war dadurch Onlinemäßig völlig "Out of Print" .
Mal schauen, ob ich es heute noch schaffe, ansonsten gleich morgen!
Offline
jogiwan schrieb:
No prob - lass dir nur Zeit...
Naja, wenn ich gewußt hätte, das ich soviel Zeit brauch, hätte ich das ganze "Wohnung streichen" sicher vertagt .
Aber egal, etwas neue Farbe war längst überfällig - alles weiß ist ja sooooooo langweilig.
Offline
Weg mit dem weiß - da hast du vollkommen recht! Bei mir sind ja nur die Decken hell geblieben, alles andere ist quietschebunt wie frisch aus einem Almodovar-Film (frühe bis mittlere Phase...)
Offline
jogiwan schrieb:
Weg mit dem weiß - da hast du vollkommen recht! Bei mir sind ja nur die Decken hell geblieben, alles andere ist quietschebunt wie frisch aus einem Almodovar-Film (frühe bis mittlere Phase...)
Naja, die Decke und die schrägen Wände sind nach wie vor weiß - der Rest drumherum in einem schönen Orangeton.
Offline
@Jochen,
das Review ist nun Online: http://chilidog.project-equinox.de/ - vielen Dank nochmals!!!
Offline