project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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Der in London lebenden Peter Smith (Luc Merenda) erleidet durch einen schweren Autounfall eine Amnesie. Auch acht Monate nach seinem Unfall kann oder will er sich trotz psychiatrischer Behandlung nicht an sein früheres Leben erinnern. Weder seine Familie, noch sonstige Personen scheinen den attraktiven Herrn zu vermissen. Eines Tages trifft er in der Praxis seines Therapeuten Dr. Archibald auf Philip (Manfred Freyberger), der ihn zu kennen scheint. Von Philip erfährt er auch, dass er eigentlich Ted heißt, seit 2 Jahren mit einer Italienerin namens Sara (Senta Berger) verheiratet ist und dass er sich offensichtlich mit einem falschen Pass eine neue Identität aufbauen wollte. Doch bevor der gute Mann noch mehr von seinem früheren Leben erzählen kann, wird er Opfer eines heimtückischen Mordanschlages. Wenig später erhält Ted ein vermeintliches Telegramm seiner Frau Sara und einen Briefumschlag mit einem Flugticket nach Italien. Zur gleichen Zeit erhält auch Sara zum ersten Mal Nachricht von ihrem bis dato spurlos verschwundenen Gatten. Seit dessen Verschwinden lebt sie mit ihrem Hund Whiskey zurückgezogen in dem idyllischen Küstenort Portofino und die wenigen Kontakte die Sara hat, beschränken sich auf den aufgeweckten Nachbarsjungen Luca (Duilio Cruciani) und dem Sportarzt Daniel (Umberto Orsini). Immer wieder wird sie auch Opfer von mysteriösen Einbrüchen, bei denen ihre Wohnung auf den Kopf gestellt wird, jedoch nichts gestohlen wird.
Beim Wiedersehen am Bahnhof von Portofino wartet jedoch nicht nur Sara, sondern eine weitere Gestalt auf Ted. Es ist George (Bruno Corazzari), der mit Ted noch ein Hühnchen zu rupfen hat. Vor Monaten haben die beiden gemeinsam eine krumme Sache gedreht und Ted wollte sich anscheinend mit einem gefälschten Pass absetzen und ihn übers Ohr hauen. Und so warten sogenannte „Geschäftspartner“ seit Monaten auf eine bestimmte Ware und George auf seinen Anteil. Er glaubt nicht an die Gedächtnislücke von Ted und setzt ihm ein Ultimatum von einer Woche. Anderenfalls würde er, Ted und auch seine Frau Sara ein unschönes Ende finden. Doch Ted kann sich beim besten Willen an nichts erinnern, schon gar nicht, in welche Sache er vor seinem Unfall verwickelt war und auch Sara scheint nichts zu wissen. Während bei Ted und Sara die Liebe wieder neu entflammt, steigt jedoch auch der Druck auf das Pärchen. Eines Abends liegt Whiskey liegt mit durchtrennter Kehle im ehelichen Bett und das Blut erinnert Ted an einen brutalen Mord vor seinem Autounfall. Ted erinnert sich langsam, dass er mit George und einer weiteren Person an einem Drogenschmuggel größeren Ausmaßes beteiligt war. George fordert immer energischer die Herausgabe der Ware und tatsächlich werden wenig später die Drogen gefunden. Als Ted und Sarah den Plan fassen, Italien Hals über Kopf zu verlassen, überschlagen sich die Ereignisse in dem beschaulichen Küstenort.
Über Dinge zu schreiben, die mir besonders am Herzen liegen, fällt mir prinzipiell eher schwer. Und so fällt es mir an dieser Stelle auch etwas schwer, die richtigen Worte über einen Film wie „Der Mann ohne Gedächtnis“ zu schreiben, der seit je her einer meiner absoluten Lieblingsthriller bzw. -gialli ist. Und diesen Status hat der Film von Duccio Tessari aus dem Jahre 1974 dann gleich aus mehreren Gründen. „L´Uomo senza memoria“ hebt sich mit der Geschichte über den Hauptdarsteller mit Gedächtnislücke wohltuend von anderen Werken aus der gleichen Schublade ab und zählt zweifelsfrei zu den gelungenen Genre-Beiträgen. Hauptdarsteller Ted und der Zuschauer tappen während der fortschreitenden Laufzeit weitgehend im Dunkeln. Er weiß nicht, was er in seiner Vergangenheit getan hat und die Erinnerungen und Informationen fügen sich langsam wie ein „Puzzle“ (so auch ein weiterer Alternativtitel) zusammen. Dabei ergeben sie ein immer wieder neues Bild der Geschichte. Der Informationsstand von Ted ist dabei nahezu identisch mit dem Zuschauer, der ebenfalls nur vermuten kann, wer Ted und Sara wohlgesinnt ist, oder eben nicht!
Genre-Puristen bemängeln ja immer wieder, dass es sich bei „L´uomo senza memoria“ um gar keinen Giallo im herkömmlichen Sinn handelt. Der Bodycount hält sich trotz flotten Beginn angenehm zurück und statt einem rasiermesserschwingenden Massenmörder gibt es einen Unbekannten, der das neu-entflammende Liebesglück von Sara und Ted ernsthaft bedroht. Die Geschichte wird dabei eher ruhig erzählt und bietet Platz für eine tiefergehende Charakterisierung der Beziehung zwischen Ted und Sara, die aufgrund eines Unfalles abrupt beendet wurde. Nach den Wiedersehen beginnt Ted sich wieder neu in die attraktive und zurückhaltende Sara zu verlieben, die ihrerseits nie aufgehört hat, ihren spurlos verschwundenen Gatten zu lieben. Dabei kippt „Der Mann ohne Gedächtnis“ jedoch nie in kitschige Gefilde, sondern trägt dazu bei, die beiden Hauptdarsteller trotz dunkler Flecken in der Vergangenheit noch sympathischer zu finden. Dabei wird über die gesamte Laufzeit geschickt Spannung aufgebaut, die auch fast bis zum Ende durchgehalten wird. Natürlich ist das Tempo dabei eher behäbig und kann auch nicht mit modernen Werken verglichen werden. Der geneigte Zuschauer ist jedoch eingeladen, sich selbst Gedanken über Ted und seine Vergangenheit zu machen und darf wunderbar miträtseln. Aufmerksame Zuschauer werden zwar schon ungefähr wissen, wie der Hase läuft, trotzdem hat der Film mit einer kettensägen-schwingenden Senta Berger einfach ein absolut grandioses Ende.
Womit wir auch schon beim nächsten Thema sind. Mit Senta Berger und Luc Merenda bietet „Der Mann ohne Gedächtnis“ einfach zwei sympathische Hauptdarsteller, die sich meiner bescheidenen Meinung nach auch optimal ergänzen. Die Chemie zwischen den Beiden scheint einfach gestimmt zu haben. Der französische Luc Merenda ist – egal ob im orangenen Mini-Cooper, im Anzug oder mit der Männer-Vogue unterm Arm einfach immer ziemlich cool. Die wandlungs- und leidensfähige Senta Berger im Alter von 33 Jahren attraktiv und knackig wie ein frischer Gartensalat und auch wirklich sehr hübsch anzusehen. Die Genre-erprobte Skandinavierin Anita Strindberg bietet für alle männlichen Zuschauer noch ein weiteres, optisches Leckerli und mit dem rothaarigen Bruno Corazzari und zwielichtigen Umberto Orsini hat man noch zwei weitere Genre-Helden im Gepäck, die der italophile Fan aus zahlreichen anderen Filmen kennt und schätzt. Und weil das alles nicht reicht, gibt’s mit Duilio Cruciani noch einem talentierten Kinderdarsteller und einem putzigen Dackel-Hündchen wirklich alles, was ein gelungener Film braucht.
Mit dem italienischen Küstenort Portofino hat man sich als geografischer Mittelpunkt der Geschichte auch einen besonders schönen Flecken Erde ausgesucht. Diese beschauliche Naturhafen mit seinen 539 Einwohnern (Stand 2005) ist vor allem dadurch bekannt, dass im Yachthafen gerne auch sehr prominente Zeitgenossen vor Anker gehen. Ebenfalls hervorheben möchte ich an dieser Stelle aber auch den hervorragenden Score von Gianni Ferria. Das von einer Sängerin namens Rosella gesungene Titelstück „Labyrinthus“ ist ein grandioser Ohrwurm gelungen ist, der bereits in den ersten Minuten darauf hinweist, das wir es mit „der Mann ohne Gedächtnis“ auch um ein besonderes Werk zutun haben. Regisseur Duccio Tessari ist ja im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen auch nicht irgendein italienischer Schmuddel-Vielfilmer, sondern ein absoluter Regie-Profi, der sich im Jahre 1974 auch am Höhepunkt seiner künstlerischen Karriere befand. Herr Tessari zeichnet sich neben diversen Western mit Guiliano Gemma und Sandalenfilme ja auch für die beiden soliden Giallo-Beiträge „Blutspur im Park“ mit Helmut Berger, sowie „Das Grauen kam aus dem Nebel“ verantwortlich, die auch noch beide einer deutschen Veröffentlichung harren. Später folgten weitere Filme, ehe Tessari sich auf Produktionen für Fernsehen verlegte. Was besonders an „l´uomo senza memoria“ heraussticht sind die wunderbar komponierten und detailreichen Bilder, die gemeinsam mit Kameramann Guilio Albonico eingefangen wurden. Die Spannung steigt gemächlich, aber konstant und statt selbstzweckhafter Gewalt oder billigem Sleaze gibt es ein furioses Finale und prickelnde Erotik.
Das man diese Perle des italienischen Genre-Kinos jetzt allerdings ungeschnitten und in deutscher Sprache genießen kann liegt an dem Vorzeige-Label Koch Media, die für „Der Mann ohne Gedächtnis“ offensichtlich auch keine Kosten und Mühen gescheut haben. Nach den wunderbaren und nicht minder empfehlenswerten „Der Killer von Wien“ und „Malastrana“ gibt es nun das nächste Giallo-Highlight aus dem Land des Stiefels. Die Bild- und Tonqualität ist sensationell, der Film trotz FSK16-Freigabe natürlich ungekürzt und neben Trailer und Bildergalerie gibt es auch noch ein exklusives Interview mit Luc Merenda unter dem Titel „Labyrinthus“ in dem Herr Merenda aus dem Nähkästchen plaudert und über die Dreharbeiten zum Film, das italienische Filmbusiness an sich und allerlei andere Dinge philosophiert. Wer hätte z.B. gedacht, dass der talentierte Herr neben kurzen Ausflügen in die Schauspielerei („Hostel 2“) mittlerweile Vollzeit in asiatischen Antiquitäten macht? Und als Tüpfelchen auf dem I gibt es ein achtseitiges Booklet mit einem kurzen Text vom Italo-Experte Christian Kessler.
„Der Mann ohne Gedächtnis“ ist von der ersten bis zur letzten Minute stimmig, prominent besetzt und überzeugt mit einer durchdachten Geschichte. Die Spannung steigt langsam aber stetig bis zum Finale an. Ein Film, der in Zeiten von hektischen CSI-Thrillern und brutalen Gewaltpornos eine wohltuende Ausnahme ist. Müßig zu erwähnen, dass diese Veröffentlichung von Fans schon sehnsüchtig herbeigesehnt wurde. Der Film macht Laune, Senta mit der Kettensäge rockt und sowieso und überhaupt ist der Film rundum gelungen. Und wer es immer noch nicht kapiert hat: ja, ich liebe diesen Giallo einfach. Jetzt fehlen eigentlich nur noch die beiden restlichen Giallo-Beiträge von Herr Tessari und ich wäre der glücklichste Mensch der Welt. Hut ab, Applaus und 2 Daumen nach oben für diese wunderschöne und vor allem würdige Veröffentlichung dieses wunderbaren Filmes.
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@Jochen,
Danke für das Review, mach ich nachher gleich mit fertig.
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@ Jochen,
sodele, Review ist nun Online - http://chilidog.project-equinox.de/?page_id=4159 - Vielen Dank nochmals !!!
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