project: equinoX - Das deutschsprachige DVD und Film Projekt im Internet
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geschrieben von jogiwan am 21.08.05
Kika (Veronica Forqué) ist eine aufgedrehte, lebenslustige Visagistin und mit dem introvertierten Fotografen Ramon (Alex Casanovas) zusammen. Leider sind die beiden grundverschieden und ihre Beziehung läuft alles andere als harmonisch. Gemeinsam mit ihrer lesbischen Haushälterin Juana (Rossy de Palma) leben die beiden in einer quietschbunten Wohnung in Madrid.
Zwei Jahre zuvor hatte Kika eine Affäre mit Nicholas (Peter Coyote) einem amerikanischen Schriftsteller und Stiefvater von Ramon. Im Zuge diese Affäre hat sie auch unter recht unkonventionellen Umständen Ramon kennengelernt. Nicholas kehrt nun nach mehreren Monaten, die er in Mexiko verbracht hat nach Madrid zurück und zieht in die Wohnung über die von Kika und Ramon.
Nicholas erhält ein Angebot von Andrea (Victoria Abril) Beiträge für deren Reality-Show "das Schlimmste des Tages" zu verfassen. Andrea war einst Psychologin und sollte Ramon über den Selbstmord seiner Mutter hinweghelfen. Doch sie stürzte sich in eine Affäre mit ihm. Als er sie verlies, fügte sich sich selbst mit einem Messer eine Narbe im Gesicht zu um ihn an sich zu binden und sinnt seither nach Rache an Ramon.
In ihrer täglichen Show präsentiert Andrea, das Narbengesicht, dem sensationsgeilen Publikum Gewalt, Mord und schreckliche Unglücksfälle. Neuerdings ist sie auf der Suche nach Paul Pazzo, einem psychopathischen und leicht zurückgebliebenen Sexualstraftäter und Pornodarsteller, der aus dem Gefängnis entflohen ist. Paul ist jedoch der Bruder von Juana und sucht diese in Kikas Wohnung auf. Da er kein Geld besitzt, hat Juana einen Plan. Sie wird an den Stuhl gefesselt und Paul soll mit den Kameras von Ramon verschwinden, die sie später zu Geld machen will. Das Ganze wird als Überfall getarnt. Gesagt - getan! Doch als Paul die schlafende Kika entdeckt überwältigen ihn seine Triebe und er vergisst den Raub und vergewaltigt Kika.
Die Tat wird von einem mysteriösen Spanner beobachtet und auch gefilmt. Paul flüchtet neuerlich beim Eintreffen der Polizei und auch Andrea steht vor der Türe und will ein Interview von der völlig aufgelösten Kika, welches diese verweigert und ihren Kummer in Tequila ertränkt. Am gleichen Tag bringt Andrea jedoch einen ausführlichen Bericht von Kikas Vergewaltigung in ihrer Sendung und demütigt Kika so in aller Öffentlichkeit. Ramon ist angesichts der Situation vollkommen überfordert und seiner Freundin keine grosse Hilfe. Als sich auch noch herausstellt, dass Ramon der geheime Beobachter ist, fühlt sich Kika von allen in Stich gelassen und verlässt die gemeinsame Wohnung.
Doch auch Nicholas hat ein düsteres Geheimins. Ramon entdeckt, dass der Selbstmord seiner Mutter wohl doch nicht so freiwillig war und macht sich auf dem Weg in das Landhaus in das Nicholas mittlerweile gezogen ist um seinen ungeliebten Stiefvater zur Rede zu stellen. Auch Andrea bezweifelt langsam, dass es sich bei den Beiträgen und Mordgeschichten, die von Nicholas verfasst wurden, um blosse Fiktion handelt und macht sich auf die Suche nach ihm. Sie möchte unter allem Umständen ein Exklusiv-Interview mit dem Serienkiller für ihre Sendung und ist dazu zu allem bereit. Im Landhaus kommt es zum finalen Showdown....
Der 1993 gedrehte "Kika ist ein Film der extrem-gegensätzlichen Charaktere. Kika ist eine emotionale, lebensfrohe Quasselstrippe, die mit ihrer naiv-unschuldigen Art allen anderen zu helfen. Selbst die Vergewaltigung und die anschliessende Demütigung durch Andrea schaffen es nicht, ihre lebensbejahende Art zu brechen. Anstatt zu verzweifeln nimmt sie alles zum Anlass um ihr Leben neu zu ordnen.
Andrea hingegen interessiert sich nicht für das Leid anderer Leute - sie profitiert davon. Doch sie präsentiert nicht nur Verbrechen, sie ist auch ständig auf der Suche nach neuen Sensationen. Mit ihrem futurisitischen Motorradoutfit, an dessen Helm sich eine Kamera befindet ist sie unterwegs um neue Geschichten für ihre Sendung zu filmen. Sie hat nach dem Ende ihrer Beziehung zu Ramon ihre eigenen Emotionen den Einschaltquoten geopfert.
Ramon ist introvertiert, die Kameras, die er für seinen Beruf benötigt sind gleichzeitig sein Schutz vor der Realität und den Dingen, denen er hilflos - angesichts der Unfähigkeit seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen - ausgeliefert ist. Den (vermeintlichen) Selbstmord seiner Mutter hat er nie verwunden. Erinnerungen an sie bewahrt Ramon in einer Art Altar in seiner Wohnung auf, die Tatsache, dass sie sich wiederum nie um ihn gekümmert hat und ihr Leben voll und ganz auf Nicholas ausgerichtet hatte, verdrängt er hingegen erfolgreich.
"Kika" ist über alle dem auch ein typischer Almodóvar: ein herrlicher Spass, ein durchdachter und -koordinierter Genre-Cocktail, der sich jeglichen Konventionen entzieht. Witzig, schrill und bunt, gleichzeitig jedoch auch dramatisch und düster! Als Pedro Almodóvar das Drehbuch zu "Kika" verfasste, gab es im spanischen Fernsehen noch keine sogenannten Reality-Shows. Die Inspiration für die Figur der "Andrea" hatte Almodóvar nach der Sichtung einer amerikanischen Reality-Gerichtsshow, in dem ein Vergewaltigungsprozess zu sehen war. Almodóvar war entsetzt, wie in der Öffentlichkeit im Zuge des Verfahrens mit den Persönlichkeitsrechten des Opfers und auch des Täters umgesprungen wurde. Die Filme von Almodóvar sind sehr gefühlsbetont und wollen den Zusehen in diese Emotionen einbinden, Reality-Shows hingegen beuten Emotionen aus. Die Idee, die Andrea´s Show for leeren Publikumsrängen zu drehen, kam Almodóvar während des Drehs. Es zeigt quasi seine Verachtung dem sensationsgeilen Zuschauern gegenüber, das es nicht wert ist, gezeigt zu werden. )*
Veronica Forqué, die zuvor schon in "Womit hab ich das verdient?" als ambitioniert-exzentrische Hure aufgefallen ist, spielt die komunikationsfreudige Kika mit vollen Einsatz quasselt sich förmlich um Kopf und Kragen. Victoria Abril spielt das böse Narbengesicht Andrea, die für Einschaltquoten im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen geht sehr facettenreich und interessant. Ihre futuristischen und "gruseligen" Outfits, die ihr von Jean-Paul Gaultier auf den Leib geschneidert wurden sind auch allesamt sehr gut gelungen und unterstreichen ihre dämonische Präsenz.
Am besten gefällt mir jedoch Rossy de Palma als lesbische Haushaltshilfe, die auch keinen Hehl aus ihrer Liebe zu ihrer Arbeitgeberin macht. Ihr Dialog mit Kika über ihre einzige männliche Betteefahrung hat mir ja bei der ersten Sichtung die Kinnlade komplett nach unten klappen lassen. Das muss man einfach gesehen haben....
Die deutsche DVD von BMG ist Bild- und Tontechnisch als gelungen zu bezeichen. Leider gibts den Film nicht im spanischen Original zu bewundern, sondern nur in der synchronisierten Variante. Dafür wurde am Zusatzmaterial nicht gespart: Making-Of´s, ein "worum gehts eigentlich?"-Featurette, ein kleines Special über die musikalische Untermalung einer wichtigen Szene und massig interessante Interviews mit dem Regisseur und seinem Essemble. Eine schöne und empfehlenswerte Scheibe also, auch wenn das Fehlen der spanischen Original-Version eigentlich unverzeihlich ist.
Die DVD von BMG ist jedoch mittlerweile "out of print" und wird bereits teils zu horrenden Preisen gehandelt. Für alle, die den Erwerb verabsäumt haben, bleibt daher nur das Hoffen auf eine baldige Neuauflage oder der Griff zu einer ausländischen Veröffentlichung. Als kleiner Trost kann jedoch gesagt werden, dass "Kika" auch immer wieder spätabends auch im deutschen Fernsehen gezeigt wird.
)* diese Info und vieles mehr hab´ ich aus dem empfehlenswerten Buch: "almodóvar - kino der leidenschaften" von Christoph Haas, erschienen in der Arte-Edition beim Europa-Verlag.
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*grrrr*
Ich ärgere mich, dass ich den damals nicht im Fernsehen gesehen hatte, als die "Almodovar" Reihe lief - damals hatte ich nur "Alles über meine Mutter" gesehen und danach mir ein paar Almodovar-DVDs gekauft .
Solltest vielleicht noch kurz anmerken, dass die deutsche DVD "Out of Print" ist und zu wirklich horrenden Preisen gehandelt wird - aktuell ist im amazon Marketplace ein Angebot drin einer nicht mehr Originalverpackten DVD für knapp 70,- Euro drin *grrrrrrr* :eek:
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Sodele, gestern Abend habe ich mir nun "Kika" endlich mal angesehen. Normalerweise stehe ich ja nicht auf so quietschbunte Filme, aber Almodovar ist da eine rühmliche Ausnahme.
Der Film ist ganz witzig, insbesondere die Szenen mit Rossy de Palma und später mit ihrem dummen Bruder machen richtig Spaß.
Ist zwar nicht unbedingt ein Film, den ich jetzt auf Biegen und Brechen haben muss und sehr viel Geld für die Out of Print DVD ausgeben würde, aber sobald es mal eine Neuauflage gibt, kommt der sofort in die Sammlung.
Dein Review mache ich dann, inkl. ein paar schönen Pics heute Abend noch mit fertig .
So, wie versprochen, ist nun endlich auch dieses Review Online - diesmal mit ein paar richtig schönen und teilweise quietschbunten Pics .
http://www.project-equinox.de/index.php?seite=13013
Der Dialog zwischen "Kika" und "Juana", über deren erste Betterfahrung und über ihren Bruder sind einfach köstlich :biggrin:.
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jogiwan schrieb am 31.08.05
Wow - ist mit den Pics wieder sehr schön geworden. Der Film ist ja wirklich äussert bunt geraten und die Bilder repräsentieren das auch sehr gut! Danke!
Rossy de Palma als Juana ist ja wirklich die Allerbeste. Was die vom Stapel lässt ist ja absolut unglaublich: nicht heavy - sondern authentisch...
:biggrin:
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CVeidt schrieb am 31.08.05
Ich wollte wenigstens kurz mal meinen Senf zu Almodovar abgeben. Ich habe ja ein relativ zwiespältiges Verhältnis zu seinen Filmen. Zum einen finde ich sollten wir auf die Knie gehen und dankbar sein dass Europa so einen tollen Regisseur hat mit so eigenwilligen und skurillen Werken, auf der anderen Seite bleiben mir seine Filme immer so ein bisschen fremd, ohne dass ich wirklich sagen könnte, woran dies liegt. Irgendwas trifft mich immer in seinen Filmen auf eine unangenehme Weise, selbst in seinen leichtfüssigeren Werken.
Mein Lieblingsfilm bisher ist der von jogiwan noch nicht rezensierte "Alles über meine Mutter" (ich glaube auch chilidogs Favorit) Aber gerade der Film trifft mich tief im Mark. Das Ende überstehe ich nie ohne zu heulen :zwinker: und der ganze Film deprimiert mich ungemein, obwohl Almodovar trotz vieler melancholischer Momente, doch eigentlich kein Regisseur der Bitterkeit ist.
Mein Tip für einen absolut niederschmetternden Filmabend wäre "Alles über meine Mutter" gefolgt von "Die Unberührbare". Und wer dann immer noch nicht genug hat kann sich ja mit "Dancer in the dark" ins Nirvana schießen. :biggrin:
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jogiwan schrieb am 31.08.05
@ CVeidt: ich glaube, "Alles über meine Mutter" ist wohl unser aller Liebling! Dieser Film lässt wohl niemanden unberührt und hat auch in meinem Leben einen ganz, ganz besonderen Stellenwert...
Und egal wie oft ich den Film schon gesehen habe, trocken hab ich ihn noch nie überstanden... Spätestens bei der Brunnenszene mit Sapique ist sowieos alles aus....
Aber trotz all der traurigen Momente noch soviel Optimismus zu versprühen - das ist ganz grosses Erzählkino!
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CVeidt schrieb am 31.08.2005 (22:33:36):
Mein Lieblingsfilm bisher ist der von jogiwan noch nicht rezensierte "Alles über meine Mutter" (ich glaube auch chilidogs Favorit)
Japp, ist mein absoluter Favorit unter den Almodovar, wobei ich bisher auch noch nicht alle kenne, bin aber diese Woche und am Wochenende dran diese Lücke langsam aber sicher zu schließen.
Das mit den Pipi in den Augen geht mir auch immer so, insbesondere die Abschiedszene von Penelope Cruz und ihren Hund *schnief*. Wiederum gibts auch einige komische Monmente mit "Agrado" die einen wieder zum lachen bringen, aber im Grunde bleibt der Film sehr traurig und wunderschön.
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