project: equinoX Forum

Es war einmal in einer finsteren Zeit... Mit Horn und Schwert bewaffnet macht sich der junge, ambitionierte Ritter Gunnar (Sascha Böhm) auf, um sich in die Dienste des Fürsten Balduin zu begeben. Doch auf dem Weg zu dessen Festung verirrt sich Gunnar hilflos im finsteren Wald. Nach Tagen des Herumirrens schwinden nicht nur seine Hoffnungen auf eine Anstellung, sondern auch seine Sinne immer mehr. Verzweiflung und Panik machen sich in seinem Geiste breit und lassen ihn zunehmend an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln.

Als er nach Tagen der Isolation und Nahrungsentzuges endlich auf einen Wegelagerer (Jürgen Heinik) trifft und ihn hoffnungsfroh nach dem richtigen Weg fragen möchte, entpuppt sich dieser jedoch als äußerst unkooperativ, raffgierig und beansprucht Geld für seine navigatorischen Auskünfte. Gunnar ist jedoch  nicht bereit auch nur ein Goldstück für diese, an sich selbstverständliche aber doch so überlebenswichtige Auskunft zu erübrigen. Es kommt zu erbitterten Zweikampf zweier Einzelgänger, den Gunnar nach einem kurzen, aber umso actionreicheren Schwertkampf auch für sich entscheiden kann. 
Doch die Freude über seinen Triumph ist nur von kurzer Dauer, als Gunnar entdeckt, dass der Wald noch weitere, feindlich-gesinnte Wesen beherbergt, denen wohl nicht so leicht mit einem Schwert beizukommen ist. Doch existieren die bösen Schatten und Geräusche wirklich, oder sind nur der Fantasie seines erschöpften Geistes entsprungen. Am siebenten Tage seiner Odyssee kommt es zur unvermeidlich-scheinenden Konfrontation mit bösen Mächten, Existenzängsten und Geistern aus der Vergangenheit. Mit letzter Kraft erreicht er die Festung des Fürsten und erzählt in der Taverne seine ganze, tragische Geschichte....

Seinen eigenen Film zu drehen, davon träumt wohl so ziemlich jeder Filmfan - zumindest insgeheim. Um so mehr hab ich mich natürlich gefreut, als ich erfahren habe, dass unser werter Urs, dem Leser wohl besser bekannt unter "flacmurry" im Rahmen eines Medienpädagogik-Seminars an der Fachhochschule Düsseldorf die Möglichkeit hatte mit drei weiteren Teilnehmern einen Kurzfilm zu realisieren. Die Erwartungen waren angesichts seines exquisiten Filmgeschmacks natürlich hoch und so war ich auf "Gunnar auf Irrwegen" bereits im Vorfeld gespannt wie ein Flitzebogen.
Die jungen Filmemacher hatten bei ihrem Kurzfilm-Projekt dankenswerterweise auch nahezu keine Vorgaben, allerdings sollte der Schwerpunkt auf "Schnitt-Technik und Effekte" gelegt werden. Der Schnitt verbindet verschiedene Szenen und bestimmt so den Rhythmus des Filmes. Aber er beeinflusst auch maßgeblich dessen Aussage und Wirkung auf den Zuschauer. Auch wenn die wenigsten einen Film nach technischen Gesichtspunkten durchleuchten werden, eine schlechte Schnittstelle nehmen die meisten Zuseher negativ wahr. Schnittfehler wie "Achsensprünge" und Anschlussfehler sollten daher tunlichst vermieden werden.
Weiters ist natürlich auch ein guter Ton, Toneffekte und sorgsam ausgewählte Musik für die Wirkung einzelner Übergänge,  Szenen und somit des ganzen Filmes von immenser Wichtigkeit. Was wäre z.B. ein richtiger Argento ohne der Musik von Goblin oder ein Mystery-Grusler ohne sphärischer Musik? Wohl nur die halbe Miete...

Die Grundidee zu "Gunnar auf Irrwegen" stammt ursprünglich von Sabrina und Sascha, die privat den Rollenspielen frönen und dadurch auch die entsprechende Kontakte, Fachwissen und Kostüme besaßen. Daher war es auch logisch, dass die beiden einen Fantasy-Film mit dieser Thematik drehen wollten. Urs, der bereits über das technische Grundwissen verfügte, wurde vom Fleck weg engagiert und hat für "Gunnar" sogar sein Musikvideo-Projekt zwischenzeitlich auf Eis gelegt.
Auch wenn man es dem fertigen Produkt nicht unbedingt anmerkt, so standen die Dreharbeiten leider unter keinem guten Stern und der ambitionierte Trupp hatte mit einigen Problemen und Rückschlägen zu kämpfen. Sabrina, die ursprünglich für die Rolle des Monstern vorgesehen war, hatte während den Dreharbeiten mit einer miesen Erkältung zu kämpfen und konnte daher ihren Schauspielpart leider nicht nachkommen. Sascha zog sich am zweiten Drehtag bei einem Sturz über einen Abhang eine böse Fleischwunde zu und die Dreharbeiten endeten für ihn in der Aufnahme des Solinger Krankenhauses. Da Sascha für weitere Aufnahmen ausfiel, musste die Gruppe daher auf das bereits gedrehte Material zurückgreifen.

Die Dreharbeiten dauerten insgesamt zweieinhalb Tage, bevor sie aus bereits genannten Gründen abrupt beendet werden mussten. Die tollen Locations mussten auch gar nicht lange gesucht werden und fanden im Umkreis von Urs´ neuer Heimat Solingen statt. Die Burg, die im Film mehrmals zu sehen ist nennt sich übrigens unspektakulärerweise "Schloss Burg" und ist ein beliebtes Ausflugsziel im "Bergischen Land". Die Szenen im Gasthaus wurden wiederum in Köln gedreht. Da natürlich kein Geld für Statisten bzw. deren Ausstattung zur Verfügung stand, griffen die jungen Leute auf einen Trick zurück. Sie fuhren einfach mitsamt ihrer Ausrüstung zu einen - in Rollenspielkreisen beliebten - "Tavernen-Abende". Dreharbeiten sind dort aus verständlichen Gründen jedoch nicht gerne gesehen und so filmte Urs unter Einsatz seiner Gesundheit nach einigem Zögern einfach munter drauf los. Wenig später wurde sein mutiges Unterfangen jedoch von einem "Ork" samt eindrucksvoller Axt am Rücken lautstark beendet.

Nach den turbulenten Dreharbeiten ging es ans Schneiden und Nachvertonen des Filmes. Da einzelne Szenen mehrfach gedreht wurden stand insgesamt ein Rohmaterial in der Länge von ca. 3 Stunden zur Verfügung von denen es nun die Besten auszuwählen galt. Innerhalb von 4 Tagen wurde der Film nicht nur geschnitten, sondern auch noch komplett nachvertont. Von den Waldgeräuschen bis hin zur Tavernen-Szene wurde alles bearbeitet. Da Urs´ Eltern gerne mittelalterliche Musik hören, konnte er natürlich auf einen großen Fundus an Titeln zurückgreifen. Das für die Gasthaus-Szene verwendete Lied über Alltags-Egoismus passt auch ganz gut. Das dramatische und traurige Harfenstück am Ende des Filmes stammt übrigens von Tom Daun, einem der besten und erfolgreichsten Harfenspieler Europas -   rein zufälligerweise auch der Onkel von unserem Urs.

Sascha Böhm als Gunnar macht seine Sache jedenfalls sehr gut auch wenn seine Darstellung zu Beginn teilweise doch etwas ins Theatralische abgleitet. Gegen Ende dreht er aber so richtig auf und die Verzweiflung und Desorientierung wirken sehr authentisch. Ich hoffe ja nur, dass diese nur auf das improvisierte Drehbuch und nicht auf die strengen Regieanweisungen von unserem Urs zurückzuführen sind. Jürgen Heinik in der Doppelrolle als Wegelagerer bzw. Chupaka steht ihm aber um nichts nach und der Schwertkampf der Beiden ist wohl als Höhepunkt des Filmes anzusehen. Dieser ist wirklich sehr gelungen, flott inszeniert und erbringt auch den Nachweis, dass ein wuchtiger Toneffekt ohne weiteres über fehlenden Splatter hinwegtrösten kann. Geheimer Star des Filmes ist aber der (namentlich nicht erwähnte) Freund von Sabrina, der in der Taverne den mysteriösen Gast mit Pfeife mimt. Dieser überzeugt auch ohne Text mit einer unglaublichen Leinwandpräsenz.

Auch wenn ich mit nordischer Mythologie und Rittern eigentlich nicht so viel am Hut habe und ich Rollenspielfans in der Vergangenheit (drücken wir es diplomatisch aus...) etwas belächelt habe, so hat mir „Gunnar auf Irrwegen“ doch sehr gut gefallen. Sicherlich bin ich durch die Freundschaftsbrille etwas befangen und vor allem zu Beginn des Kurzfilmes hätte das Tempo wohl etwas schneller ausfallen können. Aber egal, die Schwertkampfszene und das überraschende Ende entschädigt aber eindeutig für den ein oder anderen Durchhänger zu Beginn. Am Ton und Schnitt gibt’s jedenfalls nicht viel zu meckern und das Erlernte wurde offensichtlich sehr gut umgesetzt. Das Bild ist halt teilweise etwas hell und lässt etwas Kontrast vermissen, vielleicht wäre der Film auch in einem anderen Bildformat besser zur Geltung gekommen, aber hey... für das Erstlingswerk junger Filmemacher auf jeden Fall ein äußerst gelungenes Endergebnis. Ich hoffe ja stark, dass mit „Gunnar“ erst der Beginn einer vielversprechenden Film- und Regiekarriere begonnen hat und freue mich schon auf die weiteren Werke, die da noch folgen mögen. Gerüchten zufolge plant Urs ja bereits an einer Neuinterpretation eines bekannten Märchenklassikers. Mehr wird aber an dieser Stelle noch nicht verraten. Seid also schon mal gespannt....



)* Leider gibt es den Film „Gunnar auf Irrwegen“ derzeit nur mit weiteren Kurzfilmen stark-unterschiedlicher Qualität gemeinsam auf einer DVD, die bisher nur den Teilnehmern der Medien-Seminare der FH Düsseldorf, sowie einem ausgewählten Personenkreis zur Verfügung gestellt wurden. Wer Interesse an der Scheibe bzw. im speziellen an „Gunnar“ hat, sollte sich daher mit unserem flacmurry in Verbindung setzen. Seine Mail-Addy findet ihr rechts oben bei dem Punkt „About“.

Beitrag geändert von jogiwan (17.March 2006 14:22:35)